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Bündnerwald Dezember 2023

Der Einfluss der Waldplanung auf die Waldbewirtschaftung in Graubünden in den letzten 150 Jahren

Die Waldplanung im Kanton Graubünden kann in drei Perioden unterteilt werden. In den Anfängen der geregelten Waldbewirtschaftung ab 1879 wurden die wesentlichen Merkmale eingeführt, welche die Waldplanung in den folgenden 120 Jahren prägten. Die Waldbewirtschaftung wurde wesentlich durch die Waldplanung gesteuert. In einer zweiten sehr langen Phase bis Ende 1980 wurde die Planung nur noch punktuell weiter­ entwickelt. Der Planung wurde die Aufgabe zugewiesen, die Bewirtschaftung der Wälder zu kontrollieren. In den letzten 30 Jahren hat sich die Planung stark verändert. Im Zentrum steht die nachhaltige Sicherstellung aller geforderten Waldleistungen. Heute kann man feststellen, dass die Waldplanung wieder eine wichtige aktive Steuerungsfunktion bei der Waldbewirtschaftung übernommen hat. Dr. Riet Gordon

Die Entwicklung der geregelten Waldbewirtschaftung im Kanton Graubünden ist stark von der Waldplanung geprägt worden. Bereits in der ersten Forstordnung von 1839 wurde ein erster wichtiger planerischer Entscheid getroffen, indem unterschieden wurde zwischen Schutzwäldern und übrigen Wäldern. In den Schutzwäldern waren Nutzungen nur zurückhaltend und mit einer Bewilligung erlaubt. Der Erfolg dieser Massnahme war jedoch gering, da es an Vollzugs- und Aufsichtsorganen fehlte (Meyer, 1935). Die Wälder wurden weiterhin übernutzt und durch viele Nebennutzungen beeinträchtigt.

 

Waldvermessung als Treiber der Planung

In der Forstordnung von 1858 – welche wesentlich von Forstinspektor Coaz geprägt war – wurde erstmals eine Pflicht zur Waldvermessung und zur Ausarbeitung von Wirtschaftsplänen (WP) eingeführt. Es dauerte jedoch noch bis 1879, bis die erste Anleitung für die Erarbeitung von provisorischen Wirtschaftsplänen in Kraft gesetzt wurde. Die Anleitung enthielt bereits die wesentlichen Merkmale, welche die Waldplanung in den folgenden 120 Jahren prägten.

Das Ziel der Wirtschaftsplanerarbeitung war die nachhaltige Nutzung der Wälder. Als nachhaltig wurde ein dauernder möglichst hoher Wertertrag angesehen. Die Schutzwirkung musste bei der Anzeichnung berücksichtigt werden, man ging aber davon aus, dass dies im Kielwasser der Holznutzungen erfolgen konnte.

Die wichtigsten Grundlagen der Planung waren eine Waldvermessung, die Waldeinteilung in Betriebsklassen/Abteilungen aufgrund der Ertragsfähigkeit und der Anordnung der Holzschläge, sowie die Ermittlung des Holzvorrates und des Zuwachses. Ergebnisse der Planung war der Wirtschaftsplan, in welchem ein Hiebsatz und eine Schlagplanung festgehalten wurde. In den Wirtschaftsplänen wurde aber auch festgehalten, wo die Abfuhrbedingungen verbessert und wo die schädlichen Nebennutzungen (Beweidung und Streunutzung) geregelt werden mussten. Der Wirtschaftsplan war also von Anfang an ein umfassendes Steuerungsinstrument für die Waldbewirtschaftung und ging weit über die Regelung der Holznutzungen hinaus.

Vergleicht man die Wirtschaftspläne der ersten Generation mit den heutigen, fällt auf, dass sie sehr massnahmenorientiert waren. Es gab kein Kapitel «Zielsetzung», hingegen wurden die Massnahmen sehr konkret vorgegeben. Im WP Silvaplana von 1887 wurde zum Beispiel festgehalten, wie die Verjüngung zu erfolgen hat: «Um die Verjüngung zu erleichtern und grössere Schonung der Bestände zu ermöglichen, soll in Zukunft auf die Wirtschaft der kleinsten Schläge (Schlagweise Plänterung) angewendet werden. Sie besteht darin, dass eine oder mehrere Jahresnutzungen aus einer Abteilung genommen werden und zwar so, dass diese kleinen Schläge sich nicht aneinanderreihen, sondern durch widerstandsfähige, intakt gelassene Waldstreifen getrennt bleiben. Die Form dieser Schläge kann beliebig sein, wird aber wo immer tunlich sich der quadratischen nähern, während deren Grösse sich je nach Steilheit und Exposition des Bodens richten müssen und im Durchschnitt 4–9 Aren betragen sollen. Die durchhauenen Abteilungen bekommen dadurch das Aussehen eines Schachbretts …».

     

Bild oben: Übernutzter und aufgelichteter Wald oberhalb Silvaplana mit der ersten Aufforstung von ca. 1880. Bild unten: Der gleiche Wald 150 Jahre später. (Bilder: Gemeinde Silvaplana (oben)/Hanspeter Achtnich (unten)

 

Intensive Planungstätigkeit bis 1907

Bis zum Inkrafttreten der ersten Instruktion zur Ausarbeitung von Wirtschaftsplänen 1907 waren bereits 58 % der Waldfläche eingerichtet (Burkart, 1935). In der Instruktion wurden inhaltlich hauptsächlich die Bestimmungen von 1879 konkretisiert. Für die Vorratsermittlung wurde die Vollkluppierung ab 16 cm BHD eingeführt. Für ca. 3 % der Stämme musste die Höhe bestimmt werden. Aus diesen wurde die Bonität des Standortes und damit der Lokaltarif für die Vorratsbestimmung abgeleitet. Auch das Alter der Bestände musste ermittelt werden, sei es durch Auszählen der Stöcke oder durch vorgegebene Berechnungsmethoden. Der Zuwachs wurde durch Anbohren der Stämme oder durch die Fällung von Probebäumen ermittelt. Der Aufbau des Wirtschaftsplans unterschied sich nicht gross von den provisorischen. Der Hiebsatz wurde hauptsächlich anhand der Mantelschen Formel (Vorrat / ½ der Umtriebszeit) berechnet, in Wäldern mit ausgeglichenem Altersklassenaufbau konnte auch der laufende Zuwachs dafür verwendet werden. Der Wirtschaftsplan musste nach zehn Jahren einer Zwischenrevision unterzogen werden, nach 20 Jahren einer Gesamtrevision.

Im Jahr 1934 bestanden für rund 82 % der Waldfläche im Kanton Wirtschaftspläne, rund 20 % davon bereits in der zweiten und dritten Revision. Der damalige Hiebsatz für die eingerichteten öffentlichen Wälder betrug 116 000 Tfm, was 87 % des für den Gesamtkanton geschätzten Hiebsatzes entsprach. Es hat mehr als 50 Jahre gebraucht, bis der grösste Teil der Bündner Wälder eingerichtet war. Bei der räumlichen Verteilung fällt auf, dass in den Anfangszeiten im Val Calanca fast alle Gemeinden Wirtschaftspläne besassen. Im Jahr 1934 waren aber nur noch die Hälfte davon gültige. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Waldvermessung im Val Calanca sehr früh erfolgte, später wurden diese Wirtschaftspläne lange nicht mehr revidiert.

1938 wurden die Instruktionen zur Ausarbeitung von Wirtschaftsplänen überarbeitet. Die wichtigsten Änderungen waren die Einführung der 4 cm Stufen (anstelle der 2 cm Stufen wie bisher) und die Berechnung des laufenden Zuwachses gemäss der Kontrollmethode (Zuwachs = Vorrat Ende Periode+ Nutzungen – Vorrat Anfang Periode). Der Hiebsatz wurde nicht mehr nach der Mantelschen Formel berechnet, sondern aufgrund eines Nutzungsprozents des Vorrats und des Zuwachses. Das Nutzungsprozent wurde gutachtlich durch den Kreisförster festgelegt. Die dabei zu berücksichtigenden Kriterien wurden in der Instruktion namentlich aufgezählt.

 

Planung mit Kontrollaufgabe

1950 stellte Kantonsforstinspektor Bavier fest, dass nach einem halben Jahrhundert nachhaltiger Bewirtschaftung der Wälder die Produktionsleistung der Wälder stark gesteigert und die Schutzfunktion immer besser erfüllt werden kann. In der Tabelle 1 ist die Entwicklung der wichtigsten planerischen Kennzahlen zusammengefasst.

Begründet wurde dieser Erfolg mit einer vorsichtigen Planung, der angepassten waldbaulichen Behandlung und dem systematischen Ausbau des Waldwegnetzes. Die Steigerung der (Wert-) Produktion stand noch immer im Zentrum der Bündner Waldwirtschaft. Auf «den Schutzwaldcharakter unserer Waldungen» sollte selbstverständlich Rücksicht genommen werden. Auffallend ist, dass der Planung vor allem eine Kontrollfunktion zugewiesen wurde und weniger eine Steuerungsaufgabe.

Details zum Stand und den Ergebnissen der Forsteinrichtung – wie die Waldplanung lange bezeichnet wurde – von 1881 bis 1951 können in zwei Publikationen von Burkart (1935 und 1953) nachgelesen werden.

Die nächste Revision der Instruktionen von 1958 brachte keine wesentlichen Änderungen. Die Planungs- und Inventurmethode wurde beibehalten, der Wirtschaftsplan wurde in ein Dokumentenbuch und ein Revisionsbuch aufgeteilt. Der Wirtschaftsplan konzentrierte sich auf die Analyse des Zustandes und die Entwicklung des Waldes. Die waldbaulichen Handlungsanweisungen waren kaum betriebsspezifisch. In vielen WP wurden kopierte allgemeingültige Anweisungen als Massnahmenplanung eingefügt.

Tabelle 1: Einige Kennzahlen der Waldplanung.

 

Veränderte Ansprüche an den Wald

Ende der 1960er-Jahre änderten sich die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Gebirgsforstwirtschaft. Die Erträge der Forstwirtschaft sanken, während die Kosten stiegen. Gleichzeitig wurde die Bedeutung der Schutz- und Wohlfahrtsleistungen des Gebirgswaldes vermehrt erkannt. Der Kantonsförster C. Ragaz (1968) schlug vor, die Gebirgswälder in die vier Zonen

– Schutzwald mit bedeutender Wirtschaftsfunktion

– Schutzwald mit eingeschränkter Wirtschaftsfunk­tion

– Schutzwald ohne Wirtschaftsfunktion

– Schutzwald mit gemischter Nutzung

einzuteilen. Jeder Zone sollten andere Haupt- respektive Nebenfunktionen zugeordnet und entsprechend angepasste waldbauliche Ziele festgelegt werden. Die Planung sollte in unterschiedlicher Intensität erfolgen und die Erschliessung mit abgestuften Standards geplant werden.

Mit diesen Ideen von C. Ragaz ging die von J. Coaz eingeleitete Phase der Ausrichtung der Waldwirtschaft auf einen nachhaltig maximalen Ertrag nach rund 100 Jahren langsam zu Ende. 1972 hat das Forstinspektorat Graubünden unter der Leitung von C. Ragaz an einem Konzept für eine Leitbildstudie Wald gearbeitet (Forstinspektorat Graubünden, 1972). In der Disposition war auch ein Kapitel über die funktionelle Zielsetzung der Wälder vorgesehen und eine Zonierung der Wälder nach ihrer Hauptfunktion vorgesehen. Die Idee eines forstlichen Leitbildes ist aber meines Wissens nicht weiterverfolgt worden.

Mit dem Aufkommen der Raumplanung erhielt auch die Waldplanung neue Impulse. Kurt (1976) schlug ein dreistufiges forstliches Planungssystem vor mit einem kantonalen Globalplan, einem regionalen Forstrichtplan und einem Betriebsplan. In der Cadi (Kurt, 1976/2) wurde der Versuch unternommen, die Waldfunktionen zu erfassen und zu bewerten, und Hess (1978) konkretisierte die Idee des regionalen Forstrichtplans. Der kantonale Forstdienst ging jedoch noch 1983 davon aus, dass eine nachhaltige Waldbewirtschaftung gegeben ist, solange die Nutzungen dem Hiebsatz entsprechen, und dass alle Waldfunktionen im Kielwasser der Holznutzung erfüllt werden können (Rageth, 1983). Eine Anpassung der Planung war nicht in Sicht. Ab ca. 1970 wurden Einheitstarife eingeführt, welche unverändert bis heute gelten. Neu erfolgte zudem auch eine Bestandesbeschreibung, allerdings auf freiwilliger Basis.

Waldinventur Graubünden war und ist auch Handarbeit. (Bild: Archiv AWN Graubünden)

 

Einführung der überbetrieblichen Planung

Der grosse Umschwung kam mit der neuen eidgenössischen Waldgesetzgebung von 1991. Die Planungshoheit blieb bei den Kantonen. Sie mussten aber in ihren Planungsrichtlinien alle Waldfunktionen berücksichtigen und bei Planungen von überbetrieblicher Bedeutung die Mitwirkung der Bevölkerung ermöglichen. Im kantonalen Waldgesetz von 1995 wurde festgehalten, dass die forstliche Planung aus einem überbetrieblichen Waldentwicklungsplan und einem Betriebsplan besteht. Damit war die Rechtsgrundlage für die Umsetzung der Ideen aus den 1970er-Jahren endlich vorhanden. Bis 2012 wurden – mit Ausnahme des Oberengadins und des Bergells – für den gesamten Kanton Waldentwicklungspläne erarbeitet. Seit 2018 ist die zweite Generation Waldentwicklungspläne (WEP 2018+) in Kraft.

Die Planung hat inhaltlich während 100 Jahren keine grosse Entwicklung durchgemacht. Sie hat aber dafür gesorgt, dass der geforderte nachhaltige maximale Wertertrag in dieser Zeit mehr als erfüllt wurde. Während dieser langen Periode sind aber auch Fehler passiert. Die Zuwachsdynamik der Bündner Wälder wurde stark unterschätzt. Die Reaktion auf die immer höheren Vorräte, Starkholzanteile und Zuwächse erfolgte sehr spät und leider erst dann, als die Holzpreise massiv fielen und die Kosten stiegen. Dafür haben die Planungsverantwortlichen schon früh erkannt, dass die Optimierung des Wertertrags nicht das alleinige Ziel einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung sein kann. Im Zentrum muss eine multifunktionale Nachhaltigkeit stehen, welche die geforderten Waldleistungen sicherstellen muss. Heute kann man feststellen, dass die Waldplanung wieder eine wichtige aktive Steuerungsfunktion bei der Waldbewirtschaftung übernommen hat.

 

Dr. Riet Gordon ist Forstingenieur ETH und ehemaliger Bereichsleiter Waldplanung und Forstreviere beim AWN Graubünden in Chur.

 

Literatur

Burkart W. (1935) Schweiz. Zeit. f. Forstwesen, 1935, S. 270–291.

Burkart W. (1953) Bündnerwald, 1953, S. 105–125.

Forstinspektorat Graubünden (1972), Berichte Heft Nr. 2, Leitbildstudie Wald.

Hess H. Bündnerwald, 1978, S. 174–186.

Kurt, A. (1976), Schweiz. Zeit. f. Forstwesen, 1976, S. 820–834.

Kurt, A. (1976/2) Bündnerwald, 1976, S. 152–155.

Meyer (1935), Schweiz. Zeit. f. Forstwesen 1935, S. 243–269.

Ragaz, C. (1968) Schweiz. Zeit. f. Forstwesen, 1968, S. 1–29.

Rageth, B. (1983), Beiheft zum Bündnerwald 1983, Nr. 12 S. 6–17.

Bestandeskartierung mittels Luftbildinterpretation

Die forstbetriebliche Planung ist ein Prozess, bei dem die Information des aktuellen Zustands des Waldes eine zentrale Rolle spielt. Ein für die Bündner Planung unverzichtbares Instrument ist die Bestandeskarte, welche räumliche Planungseinheiten – die Bestände – be­inhaltet. Dieser Artikel beleuchtet technische und methodische Aspekte der Bestandeskartierung mittels Luftbildinterpretation und zeigt sowohl ihre Stärken als auch ihre Limitationen auf. Mirco Ackermann

Eigenschaften der verwendeten Luftbilder

Für die Bestandeskartierung werden stets aktuelle Luftbilder von swisstopo verwendet. Sie besitzen zwei für die Analyse des Waldes wichtige Eigenschaften: Einerseits wird die infrarote Strahlung abgebildet und andererseits ist eine dreidimensionale Betrachtung möglich.

Die in hoher Farbtiefe aufgenommenen Bilder besitzen neben einem Schwarz-Weiss- und einem Farbkanal (RGB) auch einen infraroten Kanal. Für die Erfassung forstlich relevanter Merkmale spielt nämlich der (nahe) infrarote Spektralbereich eine bedeutende Rolle. Licht in diesem Wellenbereich wird von grüner Vegetation in Abhängigkeit von der Oberfläche, der Zellstruktur, der Wasserversorgung und anderen Vitalitätsfaktoren unterschiedlich stark reflektiert. Dies ermöglicht nicht nur eine sehr einfache Unterscheidung von Vegetation und Nicht-Vegetation. Die Reflexionseigenschaften erlauben es auch, verschiedene Baumarten voneinander zu unterscheiden.

Das Luftbildmaterial von swisstopo ermöglicht zudem die stereoskopische Betrachtung der abgebildeten Landschaft, weil pro Flugbahn Bildstreifen aus drei unterschiedlichen Kamerawinkeln aufgenommen werden. Wahlweise zwei dieser Bildstreifen werden dem linken und rechten Auge jeweils separat zugeführt. Im menschlichen Sehsystem, das auf dreidimensionales Sehen ausgelegt ist, verschmelzen sie zu einem räumlichen Modell der Landschaft (Abb. 1). Dies ermöglicht eine differenzierte und zuverlässige Interpretation von Waldungen und Einzelbäumen.

 

Abb. 1: Veranschaulichung des Prinzips des stereoskopischen Sehens. (Quelle: Albertz, Jörg: Einführung in die Fernerkundung (2007)

 

Sekundäre Datensätze

Bei der Luftbildinterpretation kann eine grosse Palette zusätzlicher nützlicher Informationen in die Beurteilung miteinbezogen werden, um sie qualitativ zu verbessern. Im Luftbild sichtbare Merkmale können so verifiziert sowie genauer, sicherer und schneller bestimmt werden. Im Rahmen der Bestandeskartierung werden unter anderem folgende sekundäre Datensätze in die Interpretationsumgebung integriert:

Die von swisstopo bereitgestellten LiDAR-Daten, mit welchen unter anderem ein Kronenmodell gerechnet wird. Insbesondere zum effizienten Erkennen der vertikalen Struktur ist dies ein unverzichtbares Mittel.

Einzelbaumdaten und georeferenzierte Fotos aus der Waldinventur Graubünden, welche für die Verifizierung der Struktur unter Schirm, der Entwicklungsstufen und Baumartenanteile verwendet werden.

Alte Bestandeskarten und historische Orthofotos, anhand derer für die Bestandeskartierung wertvolle Informationen über die Entwicklung des Waldes erkennbar sind.

Gebietsspezifische Dokumentationen wie Standortskartierungen, Beschreibungen der Flora etc., welche wichtige Hinweise für die Bestandesbeschreibung geben.

Abb. 2: Die Bestandesgrenzen sind im Infrarotbild gut ersichtlich. Der nahe infrarote Spektralbereich wird rot eingefärbt. Mittels Kontrastanpassungen können ausserdem farbliche Unterschiede im Wald hervorgehoben werden. Schon auf den ersten Blick fällt der markante Unterschied zwischen Nadelholz (grau-blau-grün) und Laubholz (rot) auf. (Quelle: swisstopo)

 

Bestandesausscheidung

Das Luftbild bietet bei der Bestandesausscheidung die Möglichkeit, grössere Waldungen «auf einen Blick» zu sehen. Dadurch können strukturelle und baumartenspezifische Unterschiede im Wald erkannt werden (Abb. 2). Nach dem Prinzip «Vom Groben ins Detail» werden die grössten und massgebenden Unterschiede als Erstes ausgeschieden. Die resultierenden Flächen werden anschliessend schrittweise immer feiner unterteilt, bis Bestände übrig bleiben, in denen eine weitere Unterteilung nicht mehr zweckmässig ist. Je grösser und wichtiger die Unterschiede zwischen Baumkollektiven sind, desto eher werden kleine Bestände abgegrenzt.

Nicht nur die momentane Bestockung, sondern auch «langfristige» Grenzen, wie beispielsweise markante Standortunterschiede, Infrastrukturen, Bewirtschaftungsgrenzen und topographische Elemente, sind Bestandteil der Beurteilung. So stellen ausgeprägte Standortunterschiede oft eine langfristig gleichbleibende Bestandesgrenze dar. Es ist daher sinnvoll, diese in der Bestandeskarte festzuhalten, auch wenn die Unterschiede in der momentanen Bestockung weniger markant sind. Auch auffällige topographische Elemente wie Felswände oder ausgeprägte Geländekanten sowie Infrastrukturen wie Strassen können Bestandesgrenzen bilden. Die Berücksichtigung solcher Tatsachen dient unter anderem auch der besseren Nachvollziehbarkeit der Kartierung im Wald.

Neben der Abgrenzung verschiedener Bestände ist ebenso die Abgrenzung von Wald zu Nicht-Wald von zentraler Bedeutung. Im Luftbild können dabei neben der Bestockungsentwicklung auch Nutzungsgrenzen (Weidezäune, Viehwege etc.) sowie Bodeneigenschaften (landwirtschaftliche Nutzung, bestimmtes Störungsregime etc.) beurteilt werden. Die Bestandeskartierung stellt daher eine wichtige Grundlage für die Nachführung des dynamischen Waldrandes dar.

Abb. 3: Verschiedene Baumarten können im Infrarotbild unterschieden werden. So sind beispielsweise bei der Fichte (links) typischerweise die linienförmigen Äste sichtbar, während die Waldföhre (Mitte) meist keine deutliche Spitze aufweist und in einem blassen Violett erscheint. Die Weisstanne (rechts) hat einen geschlossenen Kronenmantel und ist intensiv weinrot. (Quelle: swisstopo)

 

Bestandesbeschreibung

Im Rahmen der Bestandeskartierung werden die vertikale und horizontale Struktur, die Entwicklungsstufe sowie die Baumartenanteile geschätzt. Durch die dreidimensionale Sicht sowie die Möglichkeit, den ganzen Bestand auf einmal zu sehen, können die vertikale und horizontale Struktur sehr gut erfasst werden. Insbesondere die Stufigkeit im oberen Kronenbereich sowie die Konkurrenzsituation bzw. der Schlussgrad der sichtbaren Bäume können gut geschätzt werden. Die Schätzung des Schlussgrades wird ausserdem mit einer auf den neusten LiDAR-Daten beruhenden Berechnung des Deckungsgrades plausibilisiert. Im Gegensatz zur Struktur ist die Entwicklungsstufe im Luftbild nicht direkt ersichtlich, sondern wird aufgrund der Baumhöhe, der Kronendimension, der topographischen Lage sowie der farblichen Eigenschaften der Kronen geschätzt. Eine gute Verifikationsmöglichkeit bieten diesbezüglich die Daten der Waldinventur Graubünden. Sie enthalten die tatsächlich gemessenen Durchmesser pro Stichprobe. Trotz der gelegentlichen Verifizierung kann dieses Merkmal aber nicht auf demselben Qualitätsniveau geschätzt werden wie jenes der Struktur.

Die Baumartenanteile werden sowohl für Laub- und Nadelholz im Allgemeinen als auch für bestimmte Laub- und Nadelholzarten geschätzt. Die verschiedenen Arten weichen farblich und in ihrer Kronenstruktur voneinander ab. Die Unterschiede bei den Laubholzarten sind dabei eher gering, weshalb nur Buchen und Alpenerlen vom restlichen Laubholz abgegrenzt werden. Nadelholzarten können weitaus detaillierter differenziert werden (Abb. 3).

 

Instruktion des Forstbetriebs

Einige für die Planung relevante Merkmale sind im Luftbild nicht oder ungenügend sichtbar, wie beispielsweise die Verjüngung oder der waldbauliche Handlungsbedarf. Teilgebiete der mittels Luftbildinterpretation erstellten Bestandeskarte werden deshalb vom Forstbetrieb mit genau diesen Merkmalen ergänzt. Auch die Beschreibungen aus dem Luftbild werden kontrolliert und allenfalls korrigiert. Dabei ist es enorm wichtig, dass beim Forstbetrieb die Methode der Luftbildinterpretation bekannt ist. Eine Instruktion durch den Luftbildinterpreten soll deshalb die Stärken der Interpretation und auch insbesondere die Schwächen beleuchten.

Im Gebirge treten oft grössere schattige Bereiche auf. Auch mittels digitaler Aufhellung ist in solchen Gebieten eine genaue Interpretation erschwert oder teilweise kaum mehr möglich. Weiter ist im Luftbild nur die oberste Kronenschicht ersichtlich, und alle Beurteilungen beruhen auf dieser. Eine allfällige Bestockung unter Schirm kann nur berücksichtigt werden, falls entsprechende sekundäre Datensätze in ausreichender Qualität vorhanden sind. Bei der Schätzung der Baumartenanteile ist insbesondere der Umstand zu erwähnen, dass die Bestimmung der Baumarten mit abnehmender Entwicklungsstufe zunehmend schwierig wird. Während in der Baumholz-Stufe einzelne Baumarten noch mit hoher Sicherheit differenzierbar sind, ist dies im Stangenholz kaum mehr und in der Jungwuchs- und Dickungsstufe nicht mehr möglich.

Das zentrale Ziel der Instruktion ist, einen angemessenen Umgang mit dem Instrument «Bestandeskarte» zu ermöglichen. Es soll bekannt sein, welche Merkmale der Kartierung besonders vertrauenswürdig sind und unter welchen Bedingungen eine Anpassung angebracht ist.

 

Entwicklungen und Schlusswort

Technologische Fortschritte der letzten Jahrzehnte haben die Ergebnisse der Luftbildinterpretation zusehends zuverlässiger gemacht – und die Entwicklungen halten an: Neuere Kameras bieten digitale Bilder mit immer höherer Auflösung und Farbtiefe und ermöglichen dadurch Kostensenkungen bei der Befliegung sowie differenziertere Beurteilungen. Auch im Bereich der Software sind noch grosse Potenziale vorhanden und neue Lösungen in Entwicklung.

Mit der Interpretation der heute verfügbaren und qualitativ hochwertigen Luftbilder lassen sich Wälder im Kontext verschiedener Fragestellungen detailliert beurteilen. Dabei werden nicht einzelne Parameter oder Merkmale «abgelesen», sondern vielmehr die Situation im Luftbild mit weiteren Datensätzen kombiniert und durch Fachpersonen interpretiert. Das Verfahren bietet viele Vorteile hinsichtlich der Flexibilität bezüglich verschiedener Anforderungen und Fragestellungen, des potenziellen Detaillierungsgrades sowie des geringen Aufwandes für erste Resultate.

 

Mirco Ackermann, Forstingenieur FH, arbeitet in den Bereichen Luftbildinterpretation und Bestandeskartierung beim Forstingenieurbüro Hauenstein Ackermann Ingenieure und Berater GmbH in Tamins.

 

27 Jahre Waldinventur – ein Erfahrungsbericht

Die Waldinventur GR ist die wichtigste Datengrundlage, welche periodisch einen Überblick über den Waldzustand und die Waldentwicklung in den einzelnen Regionen des Kantons ermöglicht und so zu einer Informationsquelle für die Forstpolitik wurde. Mittlerweile wird an der dritten Aufnahme gearbeitet. Aus der intensiven Zusammenarbeit mit Auftragnehmern und den Mitarbeitenden des Schweizerischen Landesforstinventars (LFI) soll hier ein kurzer Erfahrungsbericht wiedergegeben werden. Jürg Hassler

Die Anfänge in Kürze

Die Durchführung der Waldinventuren in Graubünden obliegt dem Amt für Wald und Naturgefahren (AWN). Das Amt hat von Anfang an die Leitung und die Koordination aller Arbeiten dazu übernommen. Die Einführung der Bündner Waldinventur (WIGR) im Jahr 1996 war keine leichtfertige Entscheidung und wurde über einige Jahre diskutiert und evaluiert. Zum einen kam die umfangreiche Organisation der Arbeiten in die Verantwortung des Kantons. Und andererseits musste der Kanton die Kosten für die Aufnahmen übernehmen. Gleichzeitig musste entschieden werden, welche Parameter aus dem Landesforstinventar (LFI) auch über die Waldinventur aufzunehmen waren. Gut zehn Jahre zuvor wurde das erste Schweizerische Landesforstinventar (LFI1 1983/85) abgeschlossen, und gegen Ende der Diskussionen begann der zweite Durchgang (LFI2 1993/95), von der WSL (Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft) im Auftrag des Bundes durchgeführt.

Mit der Einführung der gemeindeübergreifenden Waldinventur Graubünden beschritt man neue Wege. Damit stehen verlässliche, aussagekräftige und vergleichbare Daten über den Wald zur Verfügung. Einerseits können Anfragen aus der Politik und der Forstbranche beantwortet werden. Andererseits ermöglicht dieses Monitoringinstrument, die Waldentwicklung zu verfolgen und die Nachhaltigkeit des Bündner Waldes zu beurteilen. Man änderte das Aufnahmekonzept von temporären Stichproben für die Gemeindewaldinventuren im Raster von 50 m oder 100 m auf das permanente Stichprobennetz für die regionale Inventur über das ganze Kantonsgebiet, ausser im Perimeter des Nationalparks. Dabei vergrösserte man das Stichprobenraster auf 500 m. (Gordon, R.; Bühler, U.; Zinggeler, J.: Änderung der Waldinventurmethode im Kanton Graubünden. SZF151 [2000] 05: 165–173).

Die Pilotinventuren 1996 im Schanfigg und in der Val Müstair waren für alle Beteiligten eine grosse Herausforderung. Die enge Zusammenarbeit mit der Gruppe rund um das Landesforstinventar der WSL war eine grosse Hilfe bei der Organisation von allen anfallenden Arbeiten. So beim ersten Einführungskurs, damals in Tschiertschen, bei den Aufnahmen im Feld und bei den Datenauswertungen. Schlussendlich, als verdichtete LFI-Inventur, werden die Merkmale in der gleichen Qualität wie beim LFI aufgenommen. Aus Ressourcengründen wird im Rahmen des Bündner Waldinventars nur eine Auswahl der LFI-Merkmale aufgenommen. Als Grundlage für die Aufnahmen diente und dient auch heute noch die Aufnahmeanleitung zur Wald­inventur Graubünden.

Bei den Aufnahmegeräten hat sich einiges weiterentwickelt. In den ersten zehn Jahren wurden die Daten noch per Tastenkombination in einen kriegserprobten, aus der amerikanischen Armee stammenden Feldcomputer (PARAVANT) eingetippt. Mittlerweile arbeitet man mit einem ebenfalls robusten, modernen Tablet.

Abb. 1: Bei der Begleitung der Feldequipen wird in erster Linie darauf geachtet, dass eine einheitliche Aufnahme über alle Lose gewährleistet ist. (Bilder: Jürg Hassler)

 

Vorgehen, Begleitung und Betreuung der jährlichen Aufnahmen

Die Aufträge für die Aufnahme der Stichproben werden an freierwerbende Forstingenieurinnen und -ingenieure vergeben. Anfänglich wurden die Erhebungen durch ausgewählte Ingenieurbüros in Regie ausgeführt. Heutzutage werden die Aufträge (einzelne Lose) durch ein Einladungsverfahren vergeben. Interessierte Ingenieurbüros können ein Angebot pro Los einreichen. Die Vergabe der einzelnen Lose erfolgt entsprechend der für den Kanton wirtschaftlich günstigsten Kombination der eingegangenen gültigen Angebote.

Für die Mitarbeiter des AWN, welche die Waldinventur planen und begleiten, war es von Anfang an klar, dass auch sie eine eigene Kompetenz bei den Aufnahmen erarbeiten mussten. Das hatte zur Folge, dass eine Gruppe selber Feldaufnahmen durchführte und sich mit allen Arbeiten der Aufnahmen vertraut machte. Es ging darum, die Aufnahmeanleitung kennenzulernen und die geforderten Attribute zu erkennen und zu erfassen. Die Mitarbeiter des AWN müssen im Minimum auf dem gleichen Wissens- und Erfahrungsstand wie die Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer sein. Auch weil sie an den regelmässigen Kursen als «Instruktoren» auftreten und während der Feldaufnahmen im Sommerhalbjahr Auskunftspersonen für die Auftragnehmenden sind.

Die geforderten Angaben über die Bäume, den Bestand und die Fläche setzen sich aus Beobachten, Abschätzen und Messen zusammen. Bei allen drei Attributen ist es wichtig, dass die Anleitung eins zu eins angewendet wird. Die Herausforderung der Inventaristinnen und Inventaristen ist, ihre eigenen Erfahrungen und Interpretationen nicht über die Definitionen und Ziele der Anleitung zu stellen. Deshalb muss jede Inventaristin und jeder Inventarist jedes Jahr am obligatorischen Instruktionskurs teilnehmen (Abb. 2). Dort werden die Neuigkeiten erläutert und geschult. Gleichzeitig wird immer wieder die Entscheidungsfindung geübt, ob es sich bei einer Probe um Wald oder Nichtwald handelt (Abb. 4). Dies ist besonders wichtig, da eine Probefläche 25 Hektaren repräsentiert. Um die Aufnahmequalität zu sichern, werden die beauftragten Personen während der Feldaufnahmen begleitet (Abb. 1). Dabei geht es vor allen darum, Abweichungen zur Anleitung schon zu Beginn der Aufnahmen zu korrigieren. So soll eine einheitliche Aufnahmequalität über alle Lose erreicht werden.

Abb. 2: Mitarbeiter der WSL (rechts) unterstützen die Organisatoren des AWN Graubünden bei der Schulung der Feld­equipen und vermitteln die Definitionen und Ziele der einzelnen Parameter für die Waldinventur.

 

Die beurteilte Interpretationsfläche einer Stichprobe hat eine horizontale Abmessung von 50 m x 50 m. Man kann sich vorstellen, dass diese Interpretationsflächen von Mal zu Mal sehr verschieden sind. Sie sind steil, flach, sumpfig, felsig usw. Unter diesen Umständen ist es besonders wichtig, dass immer die gesamte Fläche angeschaut und nach den nötigen Bestandes- und Flächenmerkmalen abgesucht wird. Es kommt immer wieder vor, dass sich die Inventaristinnen und Inventaristen im engeren Umkreis um das Stichprobenzentrum sehr wohl fühlen und die Fläche nur aus Distanz beurteilen. Das führt dazu, dass einzelne versteckte Aspekte erst beim Verlassen der Fläche erkannt werden, wenn die Stichprobe auf dem Feldcomputer bereits abgeschlossen ist. Das ist unschön und aufwendig, wenn vergessene Bäume oder einzelne Attribute im Nachhinein an der WSL erfasst werden müssen.

Viele der Angaben, die aus der Natur erhoben werden, sind Schätzungen. Abgeschätzt werden zum Beispiel die Deckungsgrade der Bestandesschichten (Oberschicht, Mittelschicht und Unterschicht), der Deckungsgrad der Bodenvegetation oder der Verjüngung. Aus diesem Umstand ergeben sich auch einige Unschärfen. Grosse Unschärfen können während Wiederholungs- oder Kontrollaufnahmen festgestellt werden. Die betroffenen Merkmale werden bei der Instruktion speziell thematisiert. Umso wichtiger ist es, dass alles, was gemessen werden kann, genau und nach Anleitung gemessen wird. Dies sind der Brusthöhendurchmesser (BHD) (Abb. 3) und der Umfang der Einzelbäume, das Azimut und die Distanz der Einzelbäume zum Stichprobenzentrum. Letzteres ist sehr wichtig, um den Baum in einer Folgeinventur wieder zu identifizieren. Genau gemessen werden auch das liegende Totholz und die Bodenschäden, auf drei Transekten mit einer Horizontaldistanz von je 10 m.

Abb. 3: Die genaue Messung des Brusthöhendurchmessers ist einer der wichtigsten Parameter der Bündner Waldinventur.

 

Die Wiederholungsaufnahmen haben gezeigt, dass gemessene Merkmale in der Regel gut reproduzierbar sind. Die Abschätzungen hingegen sind eher schwierig und teilweise stark durch den Zeitpunkt der Aufnahmen beeinflusst (z. B. Deckungsgrad der Bodenvegetation).

Die Aufnahmeanleitung ist das zentrale Instrument, um eine einheitliche Aufnahme zu garantieren. Diese wurde vom Landesforstinventar übernommen und laufend weiterentwickelt und ergänzt. Jedes Mal, wenn die Anleitung ergänzt wurde, geht man davon aus, dass nun alle Fragen und Unklarheiten festgehalten sind. Trotzdem gibt es immer wieder Diskussionen über einzelne Parameter, die aufgrund der Erfahrungen, aber auch aus der praktischen Anwendung und je nach Auffassung der beteiligten Personen einer Präzisierung bedürfen. Die Erfahrung zeigt, dass nicht jede Einzelheit abschliessend in einer Aufnahmeanleitung festgehalten werden kann. Dies aus dem einfachen Grund, weil wir es mit der Natur zu tun haben, und die ist schlicht und ergreifend nicht in ein Schema zu pressen. Über die Jahre hinweg sind auch immer wieder einige neue Angaben dazugekommen, an die man zu Beginn der 90er-Jahre noch nicht einmal zu denken wagte. In der aktuellen Inventur nehmen wir auch ökologische Merkmale auf wie verschiedene Totholzpilze, Flechten, Baumhöhlen oder auf Einzelbäumen vorkommende Rindentaschen oder wir vermessen Ameisenhaufen, die im Probekreis liegen.

Um die Probe möglichst einfach wiederzufinden, wird am Ende ein detaillierter Situationsplan (Kroki) gezeichnet, und die Echtkoordinaten werden mittels GPS ermittelt. Zusätzlich werden auf der Probefläche «klassische» Fotos in die vier Himmelsrichtungen gemacht. Ergänzend dazu wird seit 2018 mit einer sphärischen Kamera ein Foto der gesamten Probefläche aufgenommen. Das Stichprobenzentrum wird mit einem Aluminiumprofil in der Erde markiert und mit blauer Farbe an drei Versicherungspunkten versichert. Anfänglich malte man sehr auffällige Versicherungspunkte, damit man die Probe schon von Weitem sieht und diese gut wiederfindet. Heute, mit den Angaben der genauen Koordinaten, werden die Versicherungspunkte kleiner gemalt. Der vorgegebene Maximaldurchmesser beträgt 5 cm.

Vorgelagert zu den praktischen Aufnahmen im Wald sind die administrativen Vorbereitungen. Dies ist die Auswahl des Aufnahmeperimeters, die Einteilung der Lose mit ca. 70 bis 80 Proben pro Los. Oder die Ausschreibung der Arbeiten und die anschliessende Vergabe der Aufträge usw. Eine Vorausscheidung der Nichtwaldproben im Perimeter erfolgt durch das AWN und die WSL auf dem Luftbild am Bildschirm.

 

Wiederholungsaufnahmen als Teil der Wald­inventur-Qualitätssicherung

Um einen qualitativen Rückblick auf die Aufnahmen des jeweiligen Jahres zu erhalten, wird auf zehn Prozent der Proben über alle Lose eine Wiederholungsaufnahme durchgeführt. Am Ende der Aufnahmesaison werden die Proben durch die Equipe des AWN nochmals vollständig aufgenommen, ohne zu wissen, was die Aufnahmegruppe erfasst hatte. Die Proben für die Wiederholungsaufnahmen werden mittels Zufallsgenerator ermittelt. Die beiden Aufnahmen werden nach Abschluss der Feldaufnahmen durch die WSL ausgewertet und einander gegenübergestellt. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass die «AWN-Gruppe» die Aufnahmen unvoreingenommen durchführt und eine einheitliche Aufnahme über alle Feldequipen gewährleistet ist. Einzig bei den Einzelbaumaufnahmen hat die «Kontrollgruppe» einen Anhaltspunkt über die Arbeit der Aufnahmegruppe. Nämlich dann, wenn an einem Baum ein Reisser auf Brusthöhe gezogen wurde oder nicht. Abweichungen bei der Einzelbaumaufnahme werden protokolliert und nach der Auswertung der Resultate durch die WSL miteinander verglichen. Dass die «AWN-Gruppe» die Arbeit mit einem einheitlichen Vorgehen ausführt, sieht man dann, wenn über die verschiedenen Lose unterschiedliche Auffälligkeiten bemerkt werden. Und doch kommt es immer wieder vor, dass auch bei der «AWN-Gruppe» Abweichungen entstehen, die für diese unerklärlich erscheinen. Abweichungen zwischen den beiden Aufnahmen können immer wieder entstehen. Sei es, dass ein Baum während der Vegetationsperiode in die Kluppschwelle einwächst oder wenn sich Bäume aus irgendwelchen Gründen verschieben. Das kann vorkommen, wenn Bäume durch verschiedene Gründe schiefgedrückt werden oder von einer Seite in die Probefläche fallen. Solche Abweichungen sind dann begründbar. Unsicherheiten bestehen bei der Aufnahme von beinahe vermoderten Bäumen und deren Bestimmung der Baumart. Baumhöhen müssen heutzutage nicht mehr geschätzt, sondern können mit dem VERTEX gemessen werden. Hier sollte es also keine Abweichungen mehr geben. Anders ist es bei den Deckungsgraden der Bestandesschichten oder den Anteilen der Baumarten in der Oberschicht. Je nach Übersichtlichkeit der Interpretationsfläche können diese Angaben sehr differieren.

Abb. 4: In Zweiergruppen wird am Instruktionskurs der Wald-Nichtwald-Entscheid geübt.

 

Es ist auch schon vorgekommen, dass gravierende Fehler bei den Aufnahmen aufgedeckt wurden. Dies hatte zur Folge, dass die Proben noch vor der kommenden Vegetationsperiode noch einmal aufgenommen werden mussten. Da die Wiederholungsaufnahmen am Ende der Saison stattfinden, können Fehler während den Aufnahmen (Falschinterpretationen der Anleitung usw.) nicht mehr gesteuert werden.

Aus diesem Grund will man ab 2024 sogenannte Kontrollaufnahmen durchführen. Diese Aufnahmen werden im Verlauf der Feldsaison (nicht erst Ende Saison) durch das Instruktorenteam des AWN durchgeführt, um allfällige systematische Abweichungen frühzeitig zu entdecken und diese – durch ein direktes Feedback an die entsprechenden Gruppen/Personen – möglichst schnell zu korrigieren.

 

Fazit

Nach Beginn der dritten Waldinventur Graubünden im Jahr 2023 kann gesagt werden, dass die Aufnahmen eine gute Qualität erreichen. Unsere Inventaristen im Feld sind gewillt, zugunsten der Waldinventur Graubünden gute Arbeit zu leisten. Die Qualität wird laufend im Rahmen des Möglichen kontrolliert und auf hohem Niveau gehalten. Zwischen den beauftragten Personen und dem AWN war und ist die Zusammenarbeit stets angenehm. Der Austausch im Zuge der Zusammenarbeit mit allen beteiligten Personen hat die Waldinventur im Allgemeinen weitergebracht.

Aus der Inventur erreichen wir Resultate, mit denen wir den Zustand und die Entwicklung des Bündner Waldes dokumentieren können. Wie vor 27 Jahren vorausgesehen, hat sich die Einführung einer permanenten Stichprobeninventur für Graubünden gelohnt. Merkmale wie Zuwachs und Mortalität wären sonst nicht messbar.

 

Jürg Hassler ist Förster Waldökologie und Waldinforma­tion beim AWN Graubünden in Chur.

 

 

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