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Bündnerwald Oktober 2023

Im Wald wächst Wärme

Zwischen 1990 und 2022 hat die in der Schweiz verbrauchte Energieholzmenge um über 70 % zugenommen, und der Anteil des Ernergieholzes an der Holzernte im Wald hat sich von 22 % auf fast 40 % erhöht. Gleichzeitig sind die Feinstaubemissionen von Holzfeuerungen von 6500 t auf 2000 t pro Jahr zurückgegangen. Da die Holzenergie CO2-neutral ist, vermag sie überdies einen wichtigen Beitrag an die Klimaziele der Schweiz zu leisten.

Eines Tages in Thüringen …

Vor 300 000 Jahren erfand der Homo erectus bilzingslebensis in der Gegend des heutigen Thüringens die Holzenergie. Als erster Mensch war er in der Lage, ein Stück Fleisch über dem Feuer zu braten oder einen einfachen Teig aus zermahlenen Samen über heissen Steinen zu einem Fladenbrot zu backen. Damit erschloss sich der Menschheit ein grösserer Anteil der in der Nahrung enthaltenen Energie, indem bisher ungeniessbare rohe Teile nun gekocht oder gebraten werden konnten. Die Beherrschung des Holzfeuers ermöglichte es dem Menschen zudem, seinen Lebensraum um solche Gebiete zu erweitern, die nachts oder im Winter bisher zu kalt waren. Von dieser Errungenschaft der Erfindung der Holzenergie mussten unsere Vorfahren selber derart überrascht gewesen sein, dass sie rund 288 000 weitere Jahre brauchten, bis sie den nächsten energietechnischen Meilenstein erreichten. Erst 12 000 vor Christus schafften sie es nämlich, grössere glühende Holzstücke in Schalen aus frischem Ton zu transportieren. Damit entfiel das mühsame Anreiben von Zunderschwamm und Moos an jedem neuen Lagerplatz. Zum ersten Mal war Wärme transportierbar geworden, gleichsam war der Vorläufer der Fernwärme geboren.

Die Erfindung der Holzenergie war derart clever, dass sie nicht nur die Entwicklung der Menschheit überhaupt ermöglichte, sondern dass sie auch bis weit in die Neuzeit hinein keine wesentlichen Verbesserungen benötigte, um im Energiemarkt nahezu konkurrenzlos bestehen zu können. Erst mit der einsetzenden Industrialisierung und dem rasanten Aufkommen fossiler Energien wie Kohle, Heizöl und Erdgas trat die «Wärme aus dem Wald» etwas in den Hintergrund. Zumindest bis zu den Ölkrisen der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts, welche zum ersten Mal den fossilen und den nuklearen Alltag entzauberten. Tschernobyl 1986, Fuku­shima 2012, der drohende Klimawandel und zuletzt der Ukrainekrieg liessen den ältesten, erneuerbaren und CO²-neutralen Energieträger endgültig wieder aus seinem Dornröschenschlaf erwachen.

 

Was ist Energieholz?

Alles Energieholz stammt ursprünglich aus dem Wald (Waldholz) oder aus der Landschaft (Landschaftsholz). Aus dem Wald kommt aber nicht nur Energieholz, sondern auch Nutzholz und Industrieholz. Zum Nutzholz gehören die qualitativ hochwertigen Sortimente, welche zunächst für die stoffliche Verwertung in die holzverarbeitende Industrie gehen und dort zu Möbeln, Holzbauten, Fenstern, Türen, Papier und Spanplatten verarbeitet werden. Dabei fällt bei jedem Verarbeitungsschritt Restholz an, welches sich meist nur als Industrie- oder Energieholz eignet. Die qualitativ minderwertigen Sortimente aus dem Wald finden entweder direkt als Energieholz oder als Industrieholz (Spanplattenproduktion) Verwendung. Erreicht der Holztisch, das Holzfenster oder das Holzhaus das Ende seiner Lebensdauer, lässt es sich schliesslich noch als Altholz energetisch nutzen. Aus volkswirtschaftlicher und klimapolitischer Sicht ist diese kaskadenartige Nutzung des Holzes äusserst sinnvoll. Letztlich entscheiden aber der erzielbare Marktpreis und die Aufbereitungskosten darüber, in welche Verwertungspfade das Holz fliesst (Abb. 1).

 

Abb. 1: Energieholzfällt direkt im Wald oder entlang der gesamten Holzverarbeitungskette an. (Quelle: Holzenergie Schweiz)

 

Aktuelle Nutzung

1990 waren in der Schweiz insgesamt 692 611 kleine und grosse Holzheizungen installiert, welche 3 250 817 m³ (Festmeter) Waldholz, Landschaftsholz, Restholz und Altholz in Form von Stückholz, Holzschnitzeln oder Pellets verbrauchten. Bis Ende 2022 ist die Zahl der Anlagen auf 510 518 zurückgegangen, während gleichzeitig der jährliche Verbrauch um über 70 % auf 5 561 817 m³ angestiegen ist. Der grösste Zuwachs entfiel auf die automatischen Schnitzel- und Pelletheizungen. Stark zurückgegangen ist der Holzverbrauch der handbeschickten Stückholzheizungen. Trotz dieses Trends zum automatischen Heizen waren Ende 2022 immer noch 466 971 Stückholzheizungen installiert. Davon entfielen 440 930 auf Einzelraumheizungen (Öfen). In «normalen» Zeiten werden also diese vielen installierten Kleingeräte nur sehr wenig genutzt. Dass sie aber für die Versorgungssicherheit eine bedeutende Rolle spielen können, hat sich im Sommer 2022 gezeigt, als plötzlich für viele zusätzlichen Geräte Energieholz nachgefragt wurde (Abb. 2).

 

Abb. 2: Entwicklung der Holzenergienutzung zwischen 1990 und 2022.

(Quelle: Schweizerische Holzenergiestatistik 2022, BFE, angepasst)

 

Alle Holzfeuerungen zusammen decken heute rund 11 % des Wärme- bzw. knapp 6 % des Gesamtenergiebedarfs unseres Landes. Die Holzenergie ist damit nach der Wasserkraft zwar unsere zweitwichtigste erneuerbare Energie, aber sie wird quantitativ immer nur einen überschaubaren Teil unserer Energieprobleme lösen können. Qualitativ hingegen weist die Wärme aus dem Wald einige echte Trümpfe auf.

 

Hohe Temperaturen und Entlastung Winterstrombedarf

Auch heute noch werden in der Schweiz über die Hälfte aller Gebäude mit Heizöl oder Erdgas beheizt. Ein Grossteil davon benötigt Vorlauftemperaturen von mindestens 60°C. Da bei der Verbrennung von Holz Temperaturen von über 1000°C entstehen, sind Holzheizungen für solche Anwendungen geeigneter als Wärmepumpen und vermögen so die hohe Nachfrage nach kostbarem Winterstrom zu vermindern. Im Ein- und Mehrfamilienhaus stehen Pelletheizungen im Vordergrund. Dank der sehr hohen Energiedichte der Pellets lassen sich oftmals bestehende Öltankräume ohne grossen Aufwand zu Pelletlagern umnutzen, und der Betriebsaufwand ist beinahe so gering wie bei Öl- und Gasheizungen. Im grösseren Leistungsbereich haben sich die Holzschnitzelheizungen definitiv etabliert, immer öfters als Energiequelle für Wärmeverbünde. Diese Lösung bietet den Eigentümerinnen und Eigentümern der angeschlossenen Liegenschaften nicht nur den höchsten Komfort und stabile Energiepreise, sondern ermöglicht auch den Einbezug weiterer Wärmequellen. Zudem stellt eine grosse, zentrale Wärmeerzeugung, welche mit modernster Filtertechnologie ausgerüstet ist, aus lufthygienischer Sicht (Feinstaub) eine optimale Lösung dar. Den Einzelraumheizungen schliesslich kommt dank ihrer grossen Zahl eine nicht vernachlässigbare Bedeutung zur Sicherstellung der Energieversorgung zu. Ein weiterer Trumpf der Holzenergie liegt darin, dass mittels Wärme-Kraftkopplung WKK die Erzeugung von hochwertigem Winterstrom möglich ist. Im oberen Leistungsbereich sind dies Dampfturbinen, im mittleren Leistungsbereich hauptsächlich ORC-Turbinen, bei welchen anstelle von Wasser ein Thermoöl verdampft wird. Und im kleinen Leistungsbereich finden wir die Holzvergaser. Allen Technologien gemein ist, dass sich im besten Fall lediglich 30 % Strom erzeugen lässt, während der Rest als Wärme anfällt. Damit keine Wärme ungenutzt bleibt, sollten diese Anlagen ausschliesslich wärmegeführt betrieben werden.

 

Abb. 3: Mehr Holzenergie...

 

«Pferdefüsschen» Feinstaub

Die gegenüber anderen Heizsystemen erhöhten Feinstaubemissionen werden oft als «Argument» gegen die Holzheizungen ins Feld geführt. Tatsächlich verkennen solche Aussagen die grossen diesbezüglichen Fortschritte, welche die moderne Heizungs- und Abscheidetechnik in den letzten 20 Jahren erzielt hat. Motor dieser Entwicklung war einerseits die Luftreinhalte-Verordnung LRV, deren Vorschriften entsprechend dem jeweiligen Stand der Technik regelmässig angepasst und verschärft werden. Andererseits gelang es einer innovativen Holzheizungsbranche, diese gesetzlichen He­rausforderungen stets anzugehen und in sinnvolle technische und betriebliche Lösungen umzusetzen. Dank des forcierten Ersatzes alter, oftmals schlecht betriebener Heizungen durch moderne Geräte liessen sich die Feinstaubemissionen der Holzheizungen insgesamt auf rund einen Drittel reduzieren, und der scheinbare Pferdefuss wird mehr und mehr zu einem «Pferdefüsschen» (Abb. 3 und 4).

 

Abb. 4: ...gleich weniger Feinstaub.

(Quelle: Hammer, St. et al. Bundesamt für Energie: Analyse von Hemmnissen und Massnahmen zur Ausschöpfung des Holzenergiepotenzials. Zürich, 2021).

 

Zunehmende Bedeutung für den Forstbetrieb

Lange Zeit war das Energieholz ein typisches Koppelprodukt, welches bei der Waldpflege und bei der Bewältigung von Sturm- und Borkenkäferschäden anfällt, und viele grössere Holzheizungen wurden hauptsächlich erstellt, um diese Holzsortimente sinnvoll energetisch nutzen zu können. Mittlerweile ist das Energieholz jedoch auf dem besten Weg, zu einem eigenständigen Element der forstlichen Nutzung und zu einem eigentlichen Motor für die Wirtschaftlichkeit der Forstbetriebe zu werden.

Gesamtschweizerisch gesehen lag der Anteil des Energieholzes an der gesamten forstlichen Nutzung im Jahr 2005 bei 23,7 %, und über 71 % davon waren Stückholz. Dieser Anteil stieg kontinuierlich an und betrug 2021 39,6 %. Davon waren 63% Schnitzel. Die Entwicklung im Kanton Graubünden verlief ähnlich: Der Anteil des Energieholzes stieg von 19,9 % im Jahr 2005 bis ins Jahr 2021 auf 36,2 %. Waren 2005 noch 81 % des im Bündner Wald geernteten Energieholzes Stückholz, lag dieser Wert 2021 nur noch bei 44 %, nachdem 2018 erstmals mehr Schnitzel als Stückholz produziert wurden (Abb. 5).

 

Abb. 5: Entwicklung der Ernte von Energieholz 2005 bis 2021 in der Schweiz und im Kanton Graubünden.

(Quelle: Schweiz. Forststatistik).

 

Ausblick

Dass die «Bäume nicht in den Himmel wachsen» und das Energieholzpotenzial begrenzt ist, war immer klar. Geht man von einem nachhaltig nutzbaren Potenzial von 7 bis 8 Mio. m³ pro Jahr aus, wird dieses heute gesamtschweizerisch bereits zu fast drei Vierteln ausgeschöpft. Seit 2021 hat die Nachfrage nach zusätzlichem Energieholz in Form von sehr vielen neuen und geplanten, kleinen und grossen Anlagen nochmals stark zugelegt. Das zusätzliche Energieholzpotenzial besteht zum überwiegenden Teil aus Wald- und Landschaftsholz. Im Durchschnitt wurden zwischen 2004 und 2021 im Schweizer Wald knapp 5 Millionen m³ Holz geerntet. Das entspricht etwa der Hälfte des effektiv nachwachsenden «biologischen» Potenzials des Waldes. Wie viel effektiv nutzbar ist, hängt in erster Linie vom erzielbaren Preis, der Erschliessung, der personellen Kapazitäten der Forstbetriebe sowie von anderen Nutzungseinschränkungen ab.

 

Andreas Keel ist Geschäftsleiter der Holzenergie Schweiz.

Fernwärme der Gemeinde Zernez – eine Vision wurde Realität

Zernez setzte bereits früh auf umweltfreundliche Fernwärme. Heute betreibt sie erfolgreich eine zentrale Holzschnitzelheizung dank dem nachhaltigen Denken des damaligen Gemeindevorstands. Die Gemeinde liefert ökologische, CO2-neutrale Energie aus der Region für die Region, und das seit Jahren zu stabilen Preisen. Von der Fernwärme profitieren mittlerweile viele Immobilienbesitzer, zudem ist sie gut für die Natur und das Klima.

Holzschnitzelheizung Cul

Die Idee für eine ökologische Wärmeversorgung der öffentlichen Bauten in der Gemeinde Zernez mit einer zentralen Holzschnitzelheizung entstand bereits Anfang der 1980er-Jahre. Für die Entscheidfindung wurde vom Gemeindevorstand 1985 eine erste Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Diese sah vor, das Schulhausgebäude mit Kindergarten und Familienbad, das Schloss Planta-Wildenberg mit Scheune (heute Auditorium SNP), das Pfarrhaus sowie das heutige Gemeindehaus (vormals altes Nationalparkhaus) anzuschliessen. Der damalige Gemeindevorstand war davon überzeugt, dass eine zentrale Fernwärmeanlage eine ökologisch sinnvolle Sache ist und ein erster Schritt in Richtung Unabhängigkeit vom Öl. Das Projekt war nicht nur im Sinne einer umweltfreundlichen Primärenergie von grosser Bedeutung, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen sehr wichtig. Als Besitzer eines grösseren Waldbestands, der dazumal dringend gepflegt werden musste, und als Betreiber eines grösseren Sägewerks waren die wirtschaftlichen Bedingungen für diese Betriebe von grossem Interesse. Die Resultate der erwähnten Studie ergaben technisch, wirtschaftlich und ökologisch ein durchaus positives Ergebnis. Aufgrund dessen wurde das Projekt weiterverfolgt und in den darauffolgenden Jahren konkretisiert, sodass die Gemeindeversammlung im Frühjahr 1992 den Projektkredit in Höhe von CHF 720 000 für die erste Etappe genehmigte, in der Folge das Projekt etappenweise realisierte und in Betrieb nahm. Die Heizzentrale wurde im Untergeschoss des Werkhofs in Cul untergebracht und zuerst mit einem Heizkessel mit 700 kW Nennleistung und schon bald darauf aufgrund der stetigen Erweiterungen (private Anschlüsse) mit einem zweiten Heizkessel mit Nennleistung 1150 kW ergänzt, denn auch die Privaten erkannten schnell, dass dieser Wärmeverbund ein wirtschaftlicher und ökologischer Gewinn ist. So wuchs die Anzahl Bezüger auf ca. 35, die gesamte abgegebene Wärmemenge lag damals je nach Witterung bei ca. 3,3 GWh/a.

 

Neue Heizzentrale und Holzlagerplatz.                                 (Bilder: Gemeinde Zernez)

 

Als Redundanz und Spitzenfeuerung bestand im Schulhaus ein Ölkessel, der später durch eine mit dem Eisfeld bzw. dessen Kältemaschine betriebenen Wärmepumpe ergänzt wurde. Das Energieholz wird zu 100 % aus dem gemeindeeigenen Wald geliefert.

Die benötigte Menge von ca. 2000 bis 2500 m³ Rundholz bildet beinahe die anfallende Menge an Energieholz des Jahreshiebsatzes von Zernez. Somit ergibt sich eine hervorragende Kaskadennutzung innerhalb der Gemeinde. Eine zukünftige Kapazitätserhöhung der Anlage kann nahezu deckend ebenfalls mit eigenen Ressourcen abgedeckt werden.

 

Hackholzproduktion.

 

Ziel des Projekts «Zernez Energia 2020»

Bereits 2011 und im Hinblick auf das 100-Jahr-Jubiläum des Schweizerischen Nationalparks im Jahr 2014 beschäftigte sich der Gemeindevorstand von Zernez mit der Idee eines Energieprojekts. Das erklärte Ziel der Gemeinde war es, in Zukunft den gesamten gebäudebezogenen Energiebedarf des Dorfs Zernez aus eigener erneuerbarer Produktion zu decken und die resultierende CO2-Bilanz auf «null» zu senken. Die Ölheizungen verursachen den grössten Anteil der jährlichen gebäude­spezifischen CO2-Emissionen. Aufgrund des noch ungenutzten Potenzials an lokal vorhandenem Energieholz wäre eine erneute Erweiterung des Fernwärmenetzes sicherlich sinnvoll. Dazu würden sich die Quartiere Runatsch/Palü anbieten und vor allem aber die Quartiere Röven und Via Sura an der Engadinerstrasse h27, da dort eine relativ hohe Wärmenachfragedichte besteht und viele Ölheizungen vorhanden sind, die durch eine Erweiterung des Netzwerks ersetzt werden können.

 

Bauarbeiten am Erweiterungsprojekt Quartier Runatsch/Palü.

 

Neubau Heizzentrale mit Holzschnitzellager

Die 1992/94 im UG des Werkhofs eingebauten Holzschnitzelfeuerungen mussten einerseits altersbedingt ersetzt werden und konnten andererseits die vorsorglichen Emissionswerte für Feststoffe – und somit die Anforderungen der neuen Luftreinhalteverordnungen – nicht mehr einhalten. Das Amt für Natur und Umwelt verfügte deshalb eine Sanierungspflicht per 31. Dezember 2017.

 

Bauarbeiten an der neuen Holzschnitzhalle.

 

Vor diesem Hintergrund und in Anlehnung an eine Machbarkeitsstudie «Neukonzeption Fernwärme» von Amstein + Walthert AG, Zürich, von 2015 hatte die Gemeinde Zernez entschieden, in einer ersten Phase den Ersatz der Heizzentrale mit Holzschnitzellager zu realisieren. Da die Platzverhältnisse der bestehenden Zentrale keinen Ausbau zuliessen, wurde ein Neubau in unmittelbarer Nähe auf derselben Parzelle realisiert.

 

Bauarbeiten an der neuen Heizzentrale inkl. Holzschnitzelhalle.

 

Im November 2017 konnten das Fernwärmenetz an eine topmoderne Heizzentrale angeschlossen und die gesamte Anlage in Betrieb genommen werden. Die neue Wärmeerzeugungs-Anlage besteht aus zwei Heizkesseln mit insgesamt 1260 kW Nennleistung (900 kW + 360 kW). Die Heizzentrale wurde so konzipiert, dass später für die geplante Netzerweiterung im Zusammenhang mit dem Projekt ZE2020 ein zusätzlicher dritter Kessel von 900 kW Platz finden kann. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 2,5 Mio. Franken.

 

Erweiterungsprojekte des Fernwärmenetzes

Aktuell ist die Gemeinde daran, den Ausbau des Fernwärmenetzes im Quartier Runatsch/Palü zu realisieren, so dass im Sommer/Herbst 2023 weitere 13 Gebäude an das Fernwärmenetz angeschlossen werden.

Im Rahmen der anstehenden Gesamtsanierung der Hauptstrasse durch das Dorf haben sich nach einer ersten Umfrage weitere 20 bis 25 Immobilienbesitzer für den Anschluss an die Fernwärme interessiert. Somit wird sich nach der Sanierung der Hauptstrasse die gesamte Anzahl der Bezüger auf ungefähr 70 bis 75 erhöhen. Zusätzlich zu diesen zwei Projekten soll das Netz ebenfalls in unmittelbarer Nähe zur Heizzentrale anlässlich der Arealplanung Cul ausgedehnt werden.

 

Waldbewirtschaftung in den gemeindeeigenen Waldungen.

 

Fazit

Nach dem Einbau des dritten Kessels und dem Anschluss der Gebäude entlang der vorgesehenen Netzerweiterungen ist die Kapazitätsgrenze der Anlage voraussichtlich erreicht. Dann werden rund 8000 Sm³ Holzschnitzel verfeuert, die einer gesamten abgegebenen Wärmemenge von ca. 6 GW/a entsprechen. Viele Ölheizungen können so während den nächsten Jahren eliminiert werden.

 

Roland Rodigari (56) ist in Zernez aufgewachsen und absolvierte dort auch die Schule. Er ist seit 15 Jahren bei der Gemeinde Zernez als Leiter Bauamt/Immobilien tätig. Er ist sehr naturverbunden und geht gerne wandern, macht Hochtouren und ist mit dem Mountainbike unterwegs.

Nachhaltige Energieversorgung im Engadin

Seit 2010 versorgt das Fernwärmenetz von Salzgeber Holzbau S-chanf Teile des Engadiner Dorfs S-chanf und später auch der angrenzenden Gemeinde Zuoz mit nachhaltiger Wärme. Durch die Verbrennung von Holzschnitzeln und durch Solarthermie gewonnene Energie, stellt das Projekt einen wegweisenden Beitrag zum Klimaschutz dar. Erfahren Sie, wie die Vision einer nachhaltigen Energieversorgung entstand und welche Rolle das Verbot von Ölheizungen sowie glückliche Zufälle bei der Umsetzung spielten.

Im Engadin, umgeben von malerischen Berglandschaften, wurde bereits vor der grossen Grünen Welle der Grundstein für eine zukunftsweisende Energieversorgung gelegt. Salzgeber Holzbau S-chanf, ein engagiertes Unternehmen, erkannte frühzeitig die Bedeutung einer umweltfreundlichen und nachhaltigen Wärmeversorgung und hatte bereits Ende der Neunzigerjahre eine kleinere Version der jetzigen Anlage zur Selbstversorgung in Betrieb. So entstand die Idee der Erweiterung des Betriebs in Form eines Fernwärmenetzes, das durch die Verbrennung von Holzschnitzeln betrieben wird.

Fernwärme der Firma Salzgeber Marangun Holzbau.                 (Bilder: C. Salzgeber)

Ein Fernwärmenetz ist ein ausgeklügeltes System zur effizienten Verteilung von Wärmeenergie in einem bestimmten Gebiet. Dabei wird die Wärme zentral an einem Ort erzeugt und über gut isolierte Rohrleitungen zu den Verbrauchern transportiert. Im Falle wie im Engadin wird die Wärme durch die Verbrennung von Holzschnitzeln und Solarthermie gewonnen. Dabei werden zwei umweltfreundliche und nachhaltige Energiequellen genutzt.

Das Herzstück des Fernwärmenetzes bildet die zentrale Wärmeerzeugungsanlage. Hier werden die Holzschnitzel verbrannt, wobei die entstehende Wärmeenergie auf ein Trägermedium, in diesem Fall Wasser, übertragen wird. Das nun heisse Trägermedium fliesst durch gut isolierte Rohrleitungen, die sich wie ein Netzwerk durch das Dorf S-chanf und die angrenzende Gemeinde Zuoz erstrecken.

Holzschnitzelproduktion für Fernwärme.

Die Wärme gelangt auf diese Weise zu den Verbrauchern, seien es Privathaushalte, Gewerbebetriebe oder öffentliche Einrichtungen. In den Gebäuden wird die Wärme dann über Plattentauscher in Heizkörpern oder Fussbodenheizungen abgegeben, um angenehme Raumtemperaturen zu gewährleisten. Nachdem die Wärme ihre Aufgabe erfüllt hat, kehrt das abgekühlte Trägermedium in einem geschlossenen Kreislauf zurück zur Wärmeerzeugungsanlage, um erneut aufgeheizt zu werden.

Das System ermöglicht eine äusserst effiziente Nutzung der Wärme, da Verluste durch den Transport geringgehalten werden. Zudem ist die Fernwärmeversorgung besonders umweltfreundlich, da bei der Verbrennung von Holzschnitzeln nur so viel CO2 freigesetzt wird, wie die Bäume während ihres Wachstums aufgenommen haben. Dadurch wird ein geschlossener CO2-Kreislauf geschaffen, der keinen zusätzlichen Treibhauseffekt verursacht. Zudem werden Holzschnitzel aus Abfallholz, Restholz und Holz von minderwertiger Qualität verbrannt, welches sonst keine Verwendung mehr hat.

Feuerung der Fernwärme.

Die Umsetzung eines solchen Fernwärmenetzes erfordert eine gut durchdachte Planung, einen hohen technischen Standard und eine enge Zusammenarbeit mit den beteiligten Akteuren.

Zu Beginn stellte das Projekt des Fernwärmenetzes eine wagemutige Initiative dar, die mit einem hohen Risiko verbunden war. Die Firma entschied sich, das Projekt aus eigener finanzieller Kraft zu realisieren, ohne externe Investoren ins Boot zu holen. Damit trug das Unternehmen die volle Verantwortung für die Umsetzung und den Erfolg des Vorhabens. Zudem war unklar, ob es ausreichend Abnehmer geben würde, um das Fernwärmenetz rentabel zu machen. Anfangs versorgte die Verbrennungsanlage vor allem die eigenen Betriebsgebäude mit Wärme, was zusätzlich das finanzielle Risiko erhöhte.

Die Weichen für das ambitionierte Projekt wurden zwar schon vor dem Verbot von Neuinstallationen von Ölheizungen gestellt. Jedoch war es dieser politische Schritt, der die Energiewende in der Schweiz vorantrieb. Dies ermöglichte ebenfalls das Fortbestehen und Expandieren der Vision einer CO2-neutralen Energieversorgung von Simon Salzgeber, Inhaber des Betriebs. Die zeitgleich stattfindenden Strassenarbeiten in den Dörfern Zuoz und S-chanf erwiesen sich als glücklicher Zufall, da sie eine einfache Verlegung der Fernwärmeleitungen ermöglichten.

Die Funktionsweise des Fernwärmenetzes in Zusammenhang mit einer Zimmerei ist ebenso simpel wie effizient: zu Beginn der Inbetriebnahme des Fernwärmenetzes im Jahr 2010 konnte der Holzabfall aus dem eigenen Betrieb nahezu den gesamten Bedarf an Brennstoff für die Anlage abdecken. Damals stellte dieses nachhaltige Konzept eine Möglichkeit dar, Abfallholz effizient und umweltfreundlich zu nutzen. Mit der Zeit und aufgrund des starken Wachstums des Fernwärmenetzes hat sich die Situation jedoch verändert. Heute macht das eigene Abfallholz nur noch etwa 10 % der insgesamt verbrannten Holzschnitzel aus. Um den gestiegenen Bedarf zu decken, setzt der Betrieb vermehrt auf den Einkauf von Holzschnitzeln aus anderen Betrieben, wobei weiterhin auf eine möglichst regionale Beschaffung geachtet wird.  Dabei ist es bemerkenswert, dass rund 96 % des verbrannten Holzes aus dem Kanton Graubünden stammen, während die restlichen 4 % aus unmittelbarer Nähe des Kantons gewonnen werden. Dieses lokale und regionale Beschaffungskonzept schont nicht nur die Umwelt, sondern stärkt auch die Wertschöpfung in der Region. So betrug die erbrachte Heizleistung 2022 ungefähr 12 GWh, was einem Öläquivalent von 1 400 000 Liter entspricht.

Lagerhalle für Schnitzelgut.

Das Fernwärmenetz bot sich für die Firma ebenfalls als vorteilhafte Lösung an, da das Unternehmen über einen eigenen Firmenzweig mit mehreren Lastwagen für den Transport verfügte. Dieser Umstand erwies sich als einer der vielen begünstigenden Faktoren, welche das Projekt ermöglichten und die Wirtschaftlichkeit des Fernwärmenetzes steigerte.

Durch den Betrieb von Lastwagen im firmeneigenen Transportbereich konnte der Transport der Holzschnitzel effizient und kostengünstig gestaltet werden. Der Brennstoff, der für die Wärmeerzeugung benötigt wird, kann somit in Verbindung mit anderen Transportfahrten kombiniert und direkt aus den umliegenden Sägereien und anderen Betrieben abgeholt und zur Wärmeanlage transportiert werden. Dies reduzierte nicht nur die Transportkosten erheblich, sondern ermöglichte auch eine optimierte Logistik, die eine regelmässige und zuverlässige Versorgung der Anlage sicherstellte.

Die bereits vorhandene Infrastruktur für den Holztransport bot somit eine ideale Synergie mit dem Fernwärmenetz. Anstatt die Lastwagen nach dem Transport leer zurückkehren zu lassen, konnten sie durch den Holztransport für das Fernwärmenetz mit einem wertvollen Ladegut beladen werden. Diese effiziente Nutzung der Transportkapazitäten trug massgeblich dazu bei, die Kosten für das Projekt zu senken und die Wirtschaftlichkeit zu steigern, welche bei dieser Art von Investition für das Fortbestehen der Firma unerlässlich war.

Insgesamt zeigt die Verknüpfung des Fernwärmenetzes mit dem firmeneigenen Transportbereich, wie innovative Lösungen zur Energieversorgung nicht nur positive Umwelteffekte haben, sondern trotz hohem Initialaufwand auch ökonomisch sinnvoll sein können. Die Vision für eine nachhaltige und CO2-neutrale Wärmeversorgung mit Holz wurde so erfolgreich in die Realität umgesetzt.

Trotz der vielen Vorteile, die das Fernwärmenetz mit sich bringt, gibt es auch einige Herausforderungen und Nachteile zu bewältigen. Die grössten Schwierigkeiten liegen in den logistischen Aspekten. Insbesondere im Winter ist es eine Herausforderung, ausreichend Holzschnitzel für die Wärmeerzeugung zu beschaffen, da der Wärmebedarf im hochgelegenen Engadin im Winter riesig ist und dadurch auch eine grosse Menge Holzschnitzel verlangt. Zudem ist es im Sommer schwierig, ausreichende Mengen an Holzschnitzeln zu lagern, um für den Winter vorzusorgen. Die begrenzte Kapazität der Lagerhalle setzt hier kluge Planung und Organisation voraus. Um diese logistischen He­rausforderungen zu bewältigen, ist eine enge Koordination mit den Lieferanten und eine vorausschauende Planung unerlässlich.

Die Vorteile eines solchen Fernwärmenetzes für das Engadin und den eigenen Betrieb sind vielfältig. Insbesondere während der Wintermonate, wenn viele Baustellen ruhen, schafft die Fernwärmeanlage wertvolle Arbeitsstunden. Der Transport der Holzschnitzel und die Instandhaltung der Heizung erfordern zusätzliche Arbeitskräfte und bieten somit eine willkommene Möglichkeit, Menschen auch in der kalten Jahreszeit zu beschäftigen.

Die positiven Effekte auf das Klima sind offensichtlich, da die CO2-neutrale Energieversorgung einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Doch darüber hinaus profitiert auch der Betrieb selbst von der nachhaltigen Ausrichtung und einem zusätzlichen Standbein. Der Firma ist es wichtig, ganzjährige Arbeitsplätze in einer peripheren Region zu schaffen.

Immer mehr Menschen und Unternehmen erkennen die vielfältigen Vorzüge von Holz als Baumaterial. Es ist nachhaltig, da es sich um einen erneuerbaren Rohstoff handelt, der bei nachhaltiger Bewirtschaftung kontinuierlich nachwächst. Mit der steigenden Nachfrage nach Holz als Baumaterial und Energiequelle fallen jedoch auch vermehrt Holzabfälle an, die für innovative Projekte wie das Fernwärmenetz von Salzgeber Holzbau genutzt werden können. Diese Holzabfälle, die früher oft ungenutzt blieben oder entsorgt wurden, erhalten durch solche Projekte eine sinnvolle Verwendung und tragen so zur Entlastung der Umwelt bei.

Solardach Salzgeber Marangun Holzbau.

Dennoch darf nicht vergessen werden, dass Holz als Ressource zwar erneuerbar, aber nicht endlos vorhanden ist. Eine nachhaltige Nutzung von Holz ist daher von entscheidender Bedeutung, um die Ressourcen für kommende Generationen zu bewahren. Deswegen wurde bei der Fernwärmeanlage versucht, eine Grösse und Energieleistung zu finden, welche nachhaltig ist und ohne viel Subventionen aufrecht gehalten werden kann. Gesunde Wälder spielen hierbei eine essenzielle Rolle, denn sie fungieren nicht nur als Lieferanten von Holz, sondern auch als CO2-Senken und Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Es liegt in unserer Verantwortung, Holz respektvoll und verantwortungsbewusst zu nutzen, indem wir die Wälder nachhaltig bewirtschaften und schützen. Nur so können wir sicherstellen, dass die wertvolle Ressource Holz auch in Zukunft für innovative und umweltfreundliche Projekte wie das Fernwärmenetz in S-chanf zur Verfügung steht und gleichzeitig unsere Natur und Umwelt geschont werden.

Cilgia Salzgeber ist Architektin Msc. ETH und arbeitet im Betrieb ihres Vaters Simon Salzgeber der Firma Salzgeber Marangun S-chanf in S-chanf.

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