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Fernwärme der Gemeinde Zernez – eine Vision wurde Realität

Zernez setzte bereits früh auf umweltfreundliche Fernwärme. Heute betreibt sie erfolgreich eine zentrale Holzschnitzelheizung dank dem nachhaltigen Denken des damaligen Gemeindevorstands. Die Gemeinde liefert ökologische, CO2-neutrale Energie aus der Region für die Region, und das seit Jahren zu stabilen Preisen. Von der Fernwärme profitieren mittlerweile viele Immobilienbesitzer, zudem ist sie gut für die Natur und das Klima.

Holzschnitzelheizung Cul

Die Idee für eine ökologische Wärmeversorgung der öffentlichen Bauten in der Gemeinde Zernez mit einer zentralen Holzschnitzelheizung entstand bereits Anfang der 1980er-Jahre. Für die Entscheidfindung wurde vom Gemeindevorstand 1985 eine erste Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Diese sah vor, das Schulhausgebäude mit Kindergarten und Familienbad, das Schloss Planta-Wildenberg mit Scheune (heute Auditorium SNP), das Pfarrhaus sowie das heutige Gemeindehaus (vormals altes Nationalparkhaus) anzuschliessen. Der damalige Gemeindevorstand war davon überzeugt, dass eine zentrale Fernwärmeanlage eine ökologisch sinnvolle Sache ist und ein erster Schritt in Richtung Unabhängigkeit vom Öl. Das Projekt war nicht nur im Sinne einer umweltfreundlichen Primärenergie von grosser Bedeutung, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen sehr wichtig. Als Besitzer eines grösseren Waldbestands, der dazumal dringend gepflegt werden musste, und als Betreiber eines grösseren Sägewerks waren die wirtschaftlichen Bedingungen für diese Betriebe von grossem Interesse. Die Resultate der erwähnten Studie ergaben technisch, wirtschaftlich und ökologisch ein durchaus positives Ergebnis. Aufgrund dessen wurde das Projekt weiterverfolgt und in den darauffolgenden Jahren konkretisiert, sodass die Gemeindeversammlung im Frühjahr 1992 den Projektkredit in Höhe von CHF 720 000 für die erste Etappe genehmigte, in der Folge das Projekt etappenweise realisierte und in Betrieb nahm. Die Heizzentrale wurde im Untergeschoss des Werkhofs in Cul untergebracht und zuerst mit einem Heizkessel mit 700 kW Nennleistung und schon bald darauf aufgrund der stetigen Erweiterungen (private Anschlüsse) mit einem zweiten Heizkessel mit Nennleistung 1150 kW ergänzt, denn auch die Privaten erkannten schnell, dass dieser Wärmeverbund ein wirtschaftlicher und ökologischer Gewinn ist. So wuchs die Anzahl Bezüger auf ca. 35, die gesamte abgegebene Wärmemenge lag damals je nach Witterung bei ca. 3,3 GWh/a.

 

Neue Heizzentrale und Holzlagerplatz.                                 (Bilder: Gemeinde Zernez)

 

Als Redundanz und Spitzenfeuerung bestand im Schulhaus ein Ölkessel, der später durch eine mit dem Eisfeld bzw. dessen Kältemaschine betriebenen Wärmepumpe ergänzt wurde. Das Energieholz wird zu 100 % aus dem gemeindeeigenen Wald geliefert.

Die benötigte Menge von ca. 2000 bis 2500 m³ Rundholz bildet beinahe die anfallende Menge an Energieholz des Jahreshiebsatzes von Zernez. Somit ergibt sich eine hervorragende Kaskadennutzung innerhalb der Gemeinde. Eine zukünftige Kapazitätserhöhung der Anlage kann nahezu deckend ebenfalls mit eigenen Ressourcen abgedeckt werden.

 

Hackholzproduktion.

 

Ziel des Projekts «Zernez Energia 2020»

Bereits 2011 und im Hinblick auf das 100-Jahr-Jubiläum des Schweizerischen Nationalparks im Jahr 2014 beschäftigte sich der Gemeindevorstand von Zernez mit der Idee eines Energieprojekts. Das erklärte Ziel der Gemeinde war es, in Zukunft den gesamten gebäudebezogenen Energiebedarf des Dorfs Zernez aus eigener erneuerbarer Produktion zu decken und die resultierende CO2-Bilanz auf «null» zu senken. Die Ölheizungen verursachen den grössten Anteil der jährlichen gebäude­spezifischen CO2-Emissionen. Aufgrund des noch ungenutzten Potenzials an lokal vorhandenem Energieholz wäre eine erneute Erweiterung des Fernwärmenetzes sicherlich sinnvoll. Dazu würden sich die Quartiere Runatsch/Palü anbieten und vor allem aber die Quartiere Röven und Via Sura an der Engadinerstrasse h27, da dort eine relativ hohe Wärmenachfragedichte besteht und viele Ölheizungen vorhanden sind, die durch eine Erweiterung des Netzwerks ersetzt werden können.

 

Bauarbeiten am Erweiterungsprojekt Quartier Runatsch/Palü.

 

Neubau Heizzentrale mit Holzschnitzellager

Die 1992/94 im UG des Werkhofs eingebauten Holzschnitzelfeuerungen mussten einerseits altersbedingt ersetzt werden und konnten andererseits die vorsorglichen Emissionswerte für Feststoffe – und somit die Anforderungen der neuen Luftreinhalteverordnungen – nicht mehr einhalten. Das Amt für Natur und Umwelt verfügte deshalb eine Sanierungspflicht per 31. Dezember 2017.

 

Bauarbeiten an der neuen Holzschnitzhalle.

 

Vor diesem Hintergrund und in Anlehnung an eine Machbarkeitsstudie «Neukonzeption Fernwärme» von Amstein + Walthert AG, Zürich, von 2015 hatte die Gemeinde Zernez entschieden, in einer ersten Phase den Ersatz der Heizzentrale mit Holzschnitzellager zu realisieren. Da die Platzverhältnisse der bestehenden Zentrale keinen Ausbau zuliessen, wurde ein Neubau in unmittelbarer Nähe auf derselben Parzelle realisiert.

 

Bauarbeiten an der neuen Heizzentrale inkl. Holzschnitzelhalle.

 

Im November 2017 konnten das Fernwärmenetz an eine topmoderne Heizzentrale angeschlossen und die gesamte Anlage in Betrieb genommen werden. Die neue Wärmeerzeugungs-Anlage besteht aus zwei Heizkesseln mit insgesamt 1260 kW Nennleistung (900 kW + 360 kW). Die Heizzentrale wurde so konzipiert, dass später für die geplante Netzerweiterung im Zusammenhang mit dem Projekt ZE2020 ein zusätzlicher dritter Kessel von 900 kW Platz finden kann. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 2,5 Mio. Franken.

 

Erweiterungsprojekte des Fernwärmenetzes

Aktuell ist die Gemeinde daran, den Ausbau des Fernwärmenetzes im Quartier Runatsch/Palü zu realisieren, so dass im Sommer/Herbst 2023 weitere 13 Gebäude an das Fernwärmenetz angeschlossen werden.

Im Rahmen der anstehenden Gesamtsanierung der Hauptstrasse durch das Dorf haben sich nach einer ersten Umfrage weitere 20 bis 25 Immobilienbesitzer für den Anschluss an die Fernwärme interessiert. Somit wird sich nach der Sanierung der Hauptstrasse die gesamte Anzahl der Bezüger auf ungefähr 70 bis 75 erhöhen. Zusätzlich zu diesen zwei Projekten soll das Netz ebenfalls in unmittelbarer Nähe zur Heizzentrale anlässlich der Arealplanung Cul ausgedehnt werden.

 

Waldbewirtschaftung in den gemeindeeigenen Waldungen.

 

Fazit

Nach dem Einbau des dritten Kessels und dem Anschluss der Gebäude entlang der vorgesehenen Netzerweiterungen ist die Kapazitätsgrenze der Anlage voraussichtlich erreicht. Dann werden rund 8000 Sm³ Holzschnitzel verfeuert, die einer gesamten abgegebenen Wärmemenge von ca. 6 GW/a entsprechen. Viele Ölheizungen können so während den nächsten Jahren eliminiert werden.

 

Roland Rodigari (56) ist in Zernez aufgewachsen und absolvierte dort auch die Schule. Er ist seit 15 Jahren bei der Gemeinde Zernez als Leiter Bauamt/Immobilien tätig. Er ist sehr naturverbunden und geht gerne wandern, macht Hochtouren und ist mit dem Mountainbike unterwegs.