Mit Luftunterstützung im Kampf gegen den Borkenkäfer
Autor: Kurt Wöls, Bernd Cresnar
In den kommenden Jahren stehen die Förster und Försterinnen vor der grossen Herausforderung, sowohl Wirtschafts- wie auch Schutzwälder wirtschaftlich und ökologisch klimafit zu kriegen – und das «bei laufendem Betrieb». Unterstützung gibt es dabei jetzt aus der Luft: Unmanned Aerial Vehicles (UAVs), besser bekannt als Drohnen, werden mit speziellen Kameras und künstlicher Intelligenz ausgestattet und helfen beim Auffinden von bestehendem oder drohendem Käferbefall.
Der Klimawandel lässt bereits seit einigen Jahrzehnten einen weltweiten Temperaturanstieg beobachten, und im Alpenraum wird dieser in Zukunft vermutlich noch höher ausfallen als in tieferen Lagen. Je wärmer es wird, desto schneller entwickelt sich aus dem Ei ein Borkenkäfer. Bei einer Durchschnittstemperatur von 19° C dauert das beim Buchdrucker etwas mehr als sieben Wochen, bei durchschnittlich 24° C jedoch nurmehr fünf Wochen! Höhere Jahresmitteltemperaturen, veränderte Niederschlagsmengen und Wetterkapriolen beeinflussen die Vitalität der Wälder negativ. Zusammen mit Sturm- und Schneeschäden begünstigt die physiologische Schwächung der Bäume die Anfälligkeit für Forstschädlinge wie Borkenkäfer, Pilze und Mikroorganismen.
Weil sich die Wälder nicht so schnell wandeln können wie das Klima, ist ein aktives und effizientes Waldmanagement essenziell, um wirtschaftlichen und environmentalen Schäden vorzubeugen bzw. diese möglichst gering zu halten. Dabei gehen Förster und Försterinnen mit der Zeit und greifen immer öfter auch zu modernen und digitalen Technologien. Georeferenzierte Multispektralfotografie und Datenauswertung auf Basis künstlicher Intelligenz sind ein Beispiel dafür.
Dabei werden – bei kleineren Flächen mit sogenannten Multikoptern, bei grösseren mit Leichtflugzeugen – Waldgrundstücke im Rastersystem überflogen und dabei mit einer Spezialkamera Luftbildaufnahmen in dem für das menschliche Auge nicht sichtbaren nahen Infrarotbereich des Lichts gemacht. Diese werden später am Computer analysiert und mit dem NDVI (normalisierter differenzierter Vegetationsindex) ausgewertet.
So entstehen Vegetationskarten der überflogenen Flächen, die über deren Vitalität Auskunft geben. Durch die Georeferenzierung der Bilder können Problembereiche und sogar einzelne Problembäume anhand der GPS-Daten genau lokalisiert und gezielt vom Förster angegangen und überprüft werden. (Übrigens immer öfter auch in Begleitung eines Käferspürhundes, dessen Einsatz so effektiver gestaltet werden kann.) Um eine höhere Aussagekraft bei der Unterscheidung zwischen temporären kurzfristigen Stresssituationen und langfristig geschädigten Flächen oder Einzelbäumen zu erhalten, müssen Bildserien aus mindestens zwei zeitlich versetzten Flügen miteinander verglichen werden. Die besten Ergebnisse liefert aber ein kontinuierliches Monitoring in regelmässigen Abständen, da die dahinterliegende Software bei jedem Flug über das zu analysierende Gebiet «aus der Erfahrung lernt» und sich selbst optimiert.
Die Software kann in ähnlicher Form auch für die Auswertung von Satellitenbildern verwendet werden, allerdings können dann aufgrund der Bildauflösung keine Rückschlüsse auf Einzelbäume, sondern nur auf Bestandsflächen gezogen werden.
Während in der Landwirtschaft die Methode schon als etabliert gilt und bereits von vielen Landwirten für die präzise Düngemittel- und Pflanzenschutzausbringung sowie Bodenbearbeitung etc. angewendet wird, ist sie im Forst noch relativ neu.
Die Schwierigkeit liegt wortwörtlich «in der Natur der Sache»: Je nach Vegetationsphase einer Pflanze ändert sich die Absorptionsrate von Licht, einer bestimmten Wellenlänge auch im vitalen, «gesunden» Zustand. Daher bedürfen die Bilddaten selbst bei gleichen Werten unterschiedlicher Interpretation je nach Zeitpunkt der Aufnahme im Vegetationszyklus. Auch atmosphärische Einflüsse wie Sonnenstand, Schatten oder Wolken beeinflussen die Bilddaten und müssen daher bei der Analyse berücksichtigt werden. Ein zielführender Ansatz ist hier, nicht von Absolutwerten, sondern jeweils von Differenzen zwischen den Objekten einer Beobachtungsfläche auszugehen.
In Österreich beispielsweise lief unlängst ein Pilotprojekt der Landwirtschaftskammer Oberösterreich auf rund 1300 Hektar Wald von insgesamt etwa 140 Waldeigentümern, bei dem das BFW (Bundesforschungszentrum für Wald) eine detaillierte Vor-Ort-Überprüfung der aktuellen NDVI- basierten Auswertung und Dateninterpretation nach wissenschaftlichen Kriterien vornimmt. Der gemeinsame Endbericht wird im Winter 2020/2021 publiziert.
In Deutschland wird bei den Bayerischen Staatsforsten bereits seit 4 Jahren parallel mit Suchtrupps am Boden sowie mit Luftbildauswertungen gegen die Massenausbreitung der Borkenkäfer vorgegangen. Durch die regelmässigen Rückmeldungen in Bezug auf Treffergenauigkeit und Relevanz der als befallen bzw. gefährdet ausgewiesenen Bäume und Flächen wird der zur Datenanalyse und Interpretation verwendete Algorithmus laufend verbessert.
In der Schweiz fanden ab 2019 Projekte in insgesamt sechs Kantonen statt und 2021 wird es zur Fortsetzung einiger dieser Projekte kommen. In Tieflagen musste man zwar zur Kenntnis nehmen, dass eine Früherkennung von Käferbefall «zwar technisch funktioniert» und sogar seitens der allermeisten Kunden mit Trefferquoten von deutlich mehr als ²⁄³ positiv wahrgenommen wird, jedoch die Absetzbarkeit des frühzeitig mit Käferbefall detektierten Holzes teilweise nicht mehr gegeben war. Den zeitlichen Vorsprung aus der Technologie konnte man dort holzmarktbedingt nicht mehr nutzen.
In den meisten Fällen aber, speziell übrigens dort, wo wenig Forstpersonal auf grosse zu betreuende Flächen stösst, kann Borkenkäfermonitoring aus der Luft wesentliche Vorteile bringen: Einerseits ist dies die Vermarktung des noch früh befallenen Holzes als Frischholz statt als Käferholz mit wesentlichen Preisvorteilen in den Sägewerken. Andererseits aber auch in Hinblick auf die Vermeidung der weiteren Verbreitung der Käfer im angrenzenden, noch nicht befallenen Bestand …
«Schaden erkennen, bevor man ihn sieht»
Die Österreicher Kurt Wöls und Bernd Cresnar, beide selber Waldbesitzer, beschäftigen sich vorwiegend mit der Entwicklung von Lösungen für die Früherkennung von Borkenkäferpopulationen.
Weiterführende Informationen zu Systemen für die Früherkennung von Käferbefall sind u. a. zu finden unter: www.festmeter.at – Borkenkäferfrüherkennung; www.bodogs.at – Borkenkäferspürhunde.