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Wie CO2-Speicherzertifikate für den Holzbau die Stammholz­bewirtschaftung fördert

Die Zukunft unserer Wälder und der Bauwirtschaft ist eng miteinander verbunden. Ohne Wald keinen Holzbau. Ohne Holzbau aber auch keine Stammholznutzung. Während bislang der Wald im Zentrum von CO2-Projekten stand, rückt der Holzbau seit 2022 ins Blickfeld von CO2-Investoren auf der Suche nach dauerhafter CO2-Speicherung. Timber Finance lancierte 2024 das weltweit erste CO2-Speicherzertifikat für den Holzbau. Bündner Waldbesitzer und Bauherren sind eingeladen, über die Holzvermarktung Graubünden AG oder direkt teilzunehmen. Thomas Fedrizzi, Timber Finance

Rückblick
Bisherige CO2-Konzepte im Wald (Nature-based Solutions) fokussierten sich – getrieben vom rasanten Waldverlust in den Ländern des Südens – weltweit auf die Walderhaltung, wofür auch die von Forstfachleuten entwickelten CO²-Konzepte der 1. Generation entwickelt wurden. Diese Ansätze wurden später in unsere Wälder übertragen und auf unsere Verhältnisse angepasst, um einen Beitrag zur chronischen Unterfinanzierung des Waldes zu leisten. Nebst der langfristigen Erhaltung des Waldes sollte mit CO2-Geldern die Kohlenstoffbindung im stehenden Holz entschädigt werden. Dies führte in der ersten Phase zum forstwirtschaftlich unerwünschten Nutzungsverzicht. Inzwischen ist ein Vorratsabbau möglich, was zur Reduktion des im stehenden Holz gespeicherten CO2 und dessen Entschädigung führt.
Zwei Entwicklungen leiten seit 2022 ein Umdenken ein: Erstens die beachtlichen Waldschäden durch Käfer, Sturm und Feuer haben weltweit viele CO2-Waldprojekte unter Druck gesetzt, da sich die mit CO2-Geldern finanzierten Klimaleistungsversprechen über Nacht in Luft auflösten. Oder auch schwierig vorzunehmende CO2-Berechnungen zum «Naturprodukt» Wald, die nicht das erbrachten, was berechnet wurde.

Entwicklung von Schweizer CO2-Ansätzen in der Holzkette. (Quelle: Timber Finance)

Zweitens setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Bau- und Immobilienwirtschaft, die für 37 % der weltweiten Emissionen verantwortlich ist – ohne dass sie bislang in einem CO2-Pflichtmarkt wie die Luftfahrt oder der Schiffsverkehr unterstellt ist – auch dringend dekarbonisiert werden muss. Diese späte Erkenntnis hat damit zu tun, dass CO2 historisch vor allem als Emission von fossilen Treib- und Brennstoffen (operational carbon) verstanden wird. In Baumaterialien steht jedoch der CO2-Fuss­abdruck des Materials im Vordergrund (embodied carbon).
Und hier kommt der Holzbau ins Spiel, der eine deutlich bessere CO2-Bilanz aufweist als seine Konkurrenten Stahl und Zement, solange die nicht CO2-neutral hergestellt werden. Noch besser: Der Holzbau ist unter Einbezug der ganzen Kette vom Wald bis zum verbauten Holz von der IPCC [1], UNFCCC [2] oder auch der EU [3] als eine sogenannte Negativemissionstechnologie [4] (NET) anerkannt, d. h. das CO2² wird im Wald sequestriert und dann über die Holzverarbeitungskette in ein Bauelement transformiert und final in der Tragkonstruktion im Holzbau permanent gespeichert. Und das ist das, was CO2-Investoren zukünftig suchen und bezahlen werden: 100 % Permanenz, sicher für mindestens 100 Jahre.
Seit 2023 sinken die Preise für CO2-Verminderungsprojekte (Carbon Avoidance) und CO2-Vermittler sind zurückhaltend in der Aufnahme von weiteren Waldprojekten. Als Zukunftsmarkt wird aktuell der CO2-Speichermarkt [5] (Carbon Removal) gesehen, also der CO2-Markt, wo nachgewiesen werden kann, dass das CO2 für sehr lange sicher gespeichert werden kann. Denn Investoren haben begonnen, für ihre Restemissionen, die sie nie wegbringen werden, CO2-Speicherzertifikate zu kaufen. Dies in der Annahme, dass sie als limitiertes Gut an Wert zulegen werden, da nicht beliebt verfügbar.

Summenkurve der CO2-Aufnahme pro Hektar über die Zeit, im Bild links wieder abnehmend durch Käfer, Feuer, Sturm, zudem nur schwierig zu Schnittholz verarbeitbar. Bild rechts: Transformation der kumuliert höchsten CO2-Speicherleistung vom Wald in den Holzbau. (Quelle: Timber Finance)

Carbon Removals
Deshalb wird viel Geld in diverse technische Carbon Removal Lösungen wie Direct Air Carbon Capture und Storage (DACCS) oder Bioenergie Carbon Capture & Storage (BECCS) oder Pflanzenkohle bzw. Pyrolyse (PyCCS) und andere Ansätze investiert. Vergessen ging dabei das Naheliegendste: Timber Carbon Capture & Storage (TCCS), also der Holzbau in Verbindung mit dem Wald. Dabei ist die Holzbaukette die einfachste, schnell skalierbare Technologie, bei der im Gegensatz zu allen anderen Ansätzen nicht zuerst eine grosse Infrastruktur für die Absorption, Transformation und Speicherung des CO2 gebaut werden muss. Wir haben das bereits alles: Wald, Holzindustrie und den Holzbau. Und das zu den geringsten Zusatzkosten pro gespeicherter Tonne CO2. Und: Einzig der Holzbau bringt unter den CCS-Ansätzen zusätzlich wesentliche Substitutionseffekte mit, indem er emissionslastige Baumaterialien ersetzt.
Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass die Schweiz als weltweit einziges Land mit dem Verein Holzsenke Schweiz [6] ein CO2-Projekt im Holzbereich seit 2014 führt. Das Projekt setzt bei den Sägereien an und ist im regulierten Markt (compliance market) unterwegs, wo der Staat sich die Klimaleistung von Schnittholz anrechnet und über Abgaben auf Treibstoff entschädigt. Das Projekt ist gut und wichtig für die Schweizer Holzindustrie und wird 2030 vermutlich durch ein zeitgemässeres Setting abgelöst werden.

 

CO2-Speicheransätze (Carbon Removals), ganz links der Holzbau (Timber in Construction). (Quelle: IPCC, Sixth Assessment Report))

Neuer Ansatz
Unter den vorstehenden Prämissen hat Timber Finance [7] im 2022 begonnen, einen neuen Ansatz für CO2-Holzbauspeicherzertifikate unter dem VCS-Standard [8] für den freiwilligen Markt zu entwickeln. Nach drei Jahren wurde die Methode mit viel Verzögerung im Herbst 2024 eingereicht und es wird erwartet, dass die Methodologie für den DACH-Raum im Frühjahr 2025 nach einer weltweiten Vernehmlassung (Public Consultation) anerkannt wird, wodurch die Projekte zertifizierungsfähig werden.
Kernstück des neuen Ansatzes ist, dass die CO2-Speicherleistung (Carbon Removal) in der Tragstruktur des verbauten Holz’ gemessen, zertifiziert und über Jahre nachgewiesen wird. Zusätzlich kann dort nebst der Speicherleistung auch die Substitutionsleistung durch den Ersatz von Stahl und Beton validiert werden, was zu zusätzlichen CO2-Vermeidungszertifikaten (Carbon Avoidance) führt.
Damit setzt das Konzept auch bewusst beim Entscheider an, also bei denjenigen, die entscheiden, aus welchem Material die Baute erstellt werden soll (Pull-Effekt). Sie sollen für ihre Klimaleistung «in Holz zu bauen» entschädigt werden, solange wie die jährliche Holzbauquote nicht über eine bestimmte Prozentzahl steigt. Der Ansatz richtet sich – um Mitnahmeeffekte zu verringern – vor allem an institutionelle Bauherren von Renditeliegenschaften, die mehrheitlich aus Kostengründen immer noch auf Holzbauten «verzichten».
Doch was hat der Wald davon? Im Swiss Finishing, d. h. der Adaption der internationalen Methodologie auf Schweizer Verhältnisse, erhält der Bauherr für sein Bauprojekt nicht die ganze CO2-Entschädigung. Ein Teil der CO2-Vergütung – Stand heute Fr. 20–30/fm für am Polter gemessenes sägefähiges Stammholz – geht zurück in den Wald für spezifische, unterfinanzierte Waldmassnahmen zur Förderung der Stammholzproduktion ab Waldverjüngung bis Ernte. Damit will die Methodologie auch die Wettbewerbsfähigkeit des Stammholzes gegenüber dem Energieholz stützen, da immer mehr niedrigere Holzsegmente verbrannt und nicht verbaut werden. Damit soll ein Push-Effekt beim Anbieter erzielt und die langfristige Stammholzversorgung der Industrie unterstützt werden.

 

(Bild: zVg Timber Finance)

Pilotprojekte
Timber Finance hat im Herbst 2024 mit der Pilotphase begonnen, indem sie den Ansatz schweizweit an rund 20 Holzbauprojekten und an sechs Waldprojekten kalibriert. Hierfür arbeitet sie in Graubünden mit Partnern wie der Holzvermarktung Graubünden AG [9] (HVM) zusammen, die für ihre Vertragsgemeinden und Sägereien die Parameter der Rundholzpolter inkl. Bescheinigungen bereits für Abrechnungszwecke erfasst. Am Pilotprojekt nimmt auch Vincenzo Galati, der innovative Förster von Flims Trin Forst [10] teil, um erste Erfahrungen zu sammeln und zusätzlichen Wert in seinen Wald zu bringen. Der Ansatz von Timber Finance lässt sich auch gut mit bestehenden Ansätzen im Wald z. B. derjenigen des Wald Klimaschutz Schweiz [11] kombinieren. Letzterer entschädigt stehendes Holz. Timber Finance liegendes und verbautes Stammholz.

(Bild: zVg Timber Finance)

Technisches
Wie bei allen CO2-Konzepten muss auch der Timber-Finance-Ansatz solide und anerkannte methodische Antworten zu den Kriterien Messbarkeit, Verifizierbarkeit, Additionalität, Doppelzählung und Permanenz liefern, um qualitativ die höchsten Anforderungen zu erfüllen und die besten Preise zu erhalten. Hierfür gibt es Standardorganisationen, die Methoden akkreditieren und anerkennen. Timber Finance hat sich für den weltweit führenden Industrieansatz von VERRA [12] entschieden, da die Zertifizierung eben nicht im Wald, sondern im Bereich Bau (Con­struction) stattfindet.
Der Markt ist in Bewegung. Kurzfristig etwas unsicher, aber langfristig mit guter Perspektive. Es wird kein Weg an Carbon Removals vorbeiführen, d. h. der Entnahme und Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre. Hier ist die Holzkette als technologisch ausgereifte, schnell skalier- und umsetzbare Lösung gut positioniert, bis ihr ganzes Potenzial in der Schweiz von zusätzlich jährlich rund 1 Mio. fm aus dem Wald in den Holzbau transformiert wurde. Bündner Waldbesitzer und Bauherren sind eingeladen, mit ihren Projekten über die Holzvermarktung Graubünden AG oder direkt bei Timber Finance teilzunehmen.
Timber Finance entwickelt klimarelevante CO2- und Finanzprodukte, um die Klimaleistung von Holz zu monetarisieren, d. h. in Wert zu setzen, um Holz für die CO2- und Finanzmärkte und Anleger investierbar zu machen. Nebst der weltweit ersten CO2-Methodologie für den Holzbau lancierte Timber Finance 2023 als Berater einer führenden Kantonalbank ein Investmentprodukt [13], wo Anleger/innen an der Schweizer Börse diversifiziert in die boomende, CO2-relevante Holzindustrie investieren können. Die Holzbranche, die einzige börsenkotierte Industrie, die mit ihren Produkten Negativemissionen ermöglicht.
Timber Finance ist offen für alle Interessierten. Werden Sie auch Vereinsmitglied.
Thomas Fedrizzi [14] ist als Kult. Ing. ETH und Finanzspezialist Co-Gründer von Timber Finance, arbeitet seit Jahren an der Schnittstelle zwischen der Wald- und Holzwirtschaft und den CO2- und Finanzmärkten und als Verwaltungsrat bei der Holzvermarktung Graubünden AG engagiert.

Thomas Fedrizzi ist Co-Founder und Verwaltungsrat von Timber Finance.

Weitere Informationen

[1] https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg3/figures/chapter-12/ccbox-8-figure-1
[2] https://unfccc.int/sites/default/files/resource/a64-sb001-aa-a05.pdf
[3] https://climate.ec.europa.eu/eu-action/carbon-removals-and-carbon-farming_en
[4] https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/dossiers/magazin-2022-2-dossier/negativemissionstechnologien-notwendiges-standbein-der-klimapolitik.html
[5] https://about.bnef.com/blog/five-need-to-knows-about-the-future-of-voluntary-carbon-offset-markets/
[6] https://ssh-pbs.ch/
[7] https://timberfinance.ch/carbon-solutions/
[8] https://verra.org/methodologies/methodology-for-mass-timber-constructions/
[9] https://www.hvm-gr.ch/co2
[10] https://www.flimstrinforst.ch/
[11] https://www.wald-klimaschutz.ch/
[12] https://verra.org/
[13] https://www.six-structured-products.com/de/zertifikat/-CH1235763658
[14] https://www.linkedin.com/in/thomas-fedrizzi-­330a321b8/