Tel. 081 300 22 44  | info@buendnerwald.ch

 

Nachhaltige Energieversorgung im Engadin

Seit 2010 versorgt das Fernwärmenetz von Salzgeber Holzbau S-chanf Teile des Engadiner Dorfs S-chanf und später auch der angrenzenden Gemeinde Zuoz mit nachhaltiger Wärme. Durch die Verbrennung von Holzschnitzeln und durch Solarthermie gewonnene Energie, stellt das Projekt einen wegweisenden Beitrag zum Klimaschutz dar. Erfahren Sie, wie die Vision einer nachhaltigen Energieversorgung entstand und welche Rolle das Verbot von Ölheizungen sowie glückliche Zufälle bei der Umsetzung spielten.

Im Engadin, umgeben von malerischen Berglandschaften, wurde bereits vor der grossen Grünen Welle der Grundstein für eine zukunftsweisende Energieversorgung gelegt. Salzgeber Holzbau S-chanf, ein engagiertes Unternehmen, erkannte frühzeitig die Bedeutung einer umweltfreundlichen und nachhaltigen Wärmeversorgung und hatte bereits Ende der Neunzigerjahre eine kleinere Version der jetzigen Anlage zur Selbstversorgung in Betrieb. So entstand die Idee der Erweiterung des Betriebs in Form eines Fernwärmenetzes, das durch die Verbrennung von Holzschnitzeln betrieben wird.

Fernwärme der Firma Salzgeber Marangun Holzbau.                 (Bilder: C. Salzgeber)

Ein Fernwärmenetz ist ein ausgeklügeltes System zur effizienten Verteilung von Wärmeenergie in einem bestimmten Gebiet. Dabei wird die Wärme zentral an einem Ort erzeugt und über gut isolierte Rohrleitungen zu den Verbrauchern transportiert. Im Falle wie im Engadin wird die Wärme durch die Verbrennung von Holzschnitzeln und Solarthermie gewonnen. Dabei werden zwei umweltfreundliche und nachhaltige Energiequellen genutzt.

Das Herzstück des Fernwärmenetzes bildet die zentrale Wärmeerzeugungsanlage. Hier werden die Holzschnitzel verbrannt, wobei die entstehende Wärmeenergie auf ein Trägermedium, in diesem Fall Wasser, übertragen wird. Das nun heisse Trägermedium fliesst durch gut isolierte Rohrleitungen, die sich wie ein Netzwerk durch das Dorf S-chanf und die angrenzende Gemeinde Zuoz erstrecken.

Holzschnitzelproduktion für Fernwärme.

Die Wärme gelangt auf diese Weise zu den Verbrauchern, seien es Privathaushalte, Gewerbebetriebe oder öffentliche Einrichtungen. In den Gebäuden wird die Wärme dann über Plattentauscher in Heizkörpern oder Fussbodenheizungen abgegeben, um angenehme Raumtemperaturen zu gewährleisten. Nachdem die Wärme ihre Aufgabe erfüllt hat, kehrt das abgekühlte Trägermedium in einem geschlossenen Kreislauf zurück zur Wärmeerzeugungsanlage, um erneut aufgeheizt zu werden.

Das System ermöglicht eine äusserst effiziente Nutzung der Wärme, da Verluste durch den Transport geringgehalten werden. Zudem ist die Fernwärmeversorgung besonders umweltfreundlich, da bei der Verbrennung von Holzschnitzeln nur so viel CO2 freigesetzt wird, wie die Bäume während ihres Wachstums aufgenommen haben. Dadurch wird ein geschlossener CO2-Kreislauf geschaffen, der keinen zusätzlichen Treibhauseffekt verursacht. Zudem werden Holzschnitzel aus Abfallholz, Restholz und Holz von minderwertiger Qualität verbrannt, welches sonst keine Verwendung mehr hat.

Feuerung der Fernwärme.

Die Umsetzung eines solchen Fernwärmenetzes erfordert eine gut durchdachte Planung, einen hohen technischen Standard und eine enge Zusammenarbeit mit den beteiligten Akteuren.

Zu Beginn stellte das Projekt des Fernwärmenetzes eine wagemutige Initiative dar, die mit einem hohen Risiko verbunden war. Die Firma entschied sich, das Projekt aus eigener finanzieller Kraft zu realisieren, ohne externe Investoren ins Boot zu holen. Damit trug das Unternehmen die volle Verantwortung für die Umsetzung und den Erfolg des Vorhabens. Zudem war unklar, ob es ausreichend Abnehmer geben würde, um das Fernwärmenetz rentabel zu machen. Anfangs versorgte die Verbrennungsanlage vor allem die eigenen Betriebsgebäude mit Wärme, was zusätzlich das finanzielle Risiko erhöhte.

Die Weichen für das ambitionierte Projekt wurden zwar schon vor dem Verbot von Neuinstallationen von Ölheizungen gestellt. Jedoch war es dieser politische Schritt, der die Energiewende in der Schweiz vorantrieb. Dies ermöglichte ebenfalls das Fortbestehen und Expandieren der Vision einer CO2-neutralen Energieversorgung von Simon Salzgeber, Inhaber des Betriebs. Die zeitgleich stattfindenden Strassenarbeiten in den Dörfern Zuoz und S-chanf erwiesen sich als glücklicher Zufall, da sie eine einfache Verlegung der Fernwärmeleitungen ermöglichten.

Die Funktionsweise des Fernwärmenetzes in Zusammenhang mit einer Zimmerei ist ebenso simpel wie effizient: zu Beginn der Inbetriebnahme des Fernwärmenetzes im Jahr 2010 konnte der Holzabfall aus dem eigenen Betrieb nahezu den gesamten Bedarf an Brennstoff für die Anlage abdecken. Damals stellte dieses nachhaltige Konzept eine Möglichkeit dar, Abfallholz effizient und umweltfreundlich zu nutzen. Mit der Zeit und aufgrund des starken Wachstums des Fernwärmenetzes hat sich die Situation jedoch verändert. Heute macht das eigene Abfallholz nur noch etwa 10 % der insgesamt verbrannten Holzschnitzel aus. Um den gestiegenen Bedarf zu decken, setzt der Betrieb vermehrt auf den Einkauf von Holzschnitzeln aus anderen Betrieben, wobei weiterhin auf eine möglichst regionale Beschaffung geachtet wird.  Dabei ist es bemerkenswert, dass rund 96 % des verbrannten Holzes aus dem Kanton Graubünden stammen, während die restlichen 4 % aus unmittelbarer Nähe des Kantons gewonnen werden. Dieses lokale und regionale Beschaffungskonzept schont nicht nur die Umwelt, sondern stärkt auch die Wertschöpfung in der Region. So betrug die erbrachte Heizleistung 2022 ungefähr 12 GWh, was einem Öläquivalent von 1 400 000 Liter entspricht.

Lagerhalle für Schnitzelgut.

Das Fernwärmenetz bot sich für die Firma ebenfalls als vorteilhafte Lösung an, da das Unternehmen über einen eigenen Firmenzweig mit mehreren Lastwagen für den Transport verfügte. Dieser Umstand erwies sich als einer der vielen begünstigenden Faktoren, welche das Projekt ermöglichten und die Wirtschaftlichkeit des Fernwärmenetzes steigerte.

Durch den Betrieb von Lastwagen im firmeneigenen Transportbereich konnte der Transport der Holzschnitzel effizient und kostengünstig gestaltet werden. Der Brennstoff, der für die Wärmeerzeugung benötigt wird, kann somit in Verbindung mit anderen Transportfahrten kombiniert und direkt aus den umliegenden Sägereien und anderen Betrieben abgeholt und zur Wärmeanlage transportiert werden. Dies reduzierte nicht nur die Transportkosten erheblich, sondern ermöglichte auch eine optimierte Logistik, die eine regelmässige und zuverlässige Versorgung der Anlage sicherstellte.

Die bereits vorhandene Infrastruktur für den Holztransport bot somit eine ideale Synergie mit dem Fernwärmenetz. Anstatt die Lastwagen nach dem Transport leer zurückkehren zu lassen, konnten sie durch den Holztransport für das Fernwärmenetz mit einem wertvollen Ladegut beladen werden. Diese effiziente Nutzung der Transportkapazitäten trug massgeblich dazu bei, die Kosten für das Projekt zu senken und die Wirtschaftlichkeit zu steigern, welche bei dieser Art von Investition für das Fortbestehen der Firma unerlässlich war.

Insgesamt zeigt die Verknüpfung des Fernwärmenetzes mit dem firmeneigenen Transportbereich, wie innovative Lösungen zur Energieversorgung nicht nur positive Umwelteffekte haben, sondern trotz hohem Initialaufwand auch ökonomisch sinnvoll sein können. Die Vision für eine nachhaltige und CO2-neutrale Wärmeversorgung mit Holz wurde so erfolgreich in die Realität umgesetzt.

Trotz der vielen Vorteile, die das Fernwärmenetz mit sich bringt, gibt es auch einige Herausforderungen und Nachteile zu bewältigen. Die grössten Schwierigkeiten liegen in den logistischen Aspekten. Insbesondere im Winter ist es eine Herausforderung, ausreichend Holzschnitzel für die Wärmeerzeugung zu beschaffen, da der Wärmebedarf im hochgelegenen Engadin im Winter riesig ist und dadurch auch eine grosse Menge Holzschnitzel verlangt. Zudem ist es im Sommer schwierig, ausreichende Mengen an Holzschnitzeln zu lagern, um für den Winter vorzusorgen. Die begrenzte Kapazität der Lagerhalle setzt hier kluge Planung und Organisation voraus. Um diese logistischen He­rausforderungen zu bewältigen, ist eine enge Koordination mit den Lieferanten und eine vorausschauende Planung unerlässlich.

Die Vorteile eines solchen Fernwärmenetzes für das Engadin und den eigenen Betrieb sind vielfältig. Insbesondere während der Wintermonate, wenn viele Baustellen ruhen, schafft die Fernwärmeanlage wertvolle Arbeitsstunden. Der Transport der Holzschnitzel und die Instandhaltung der Heizung erfordern zusätzliche Arbeitskräfte und bieten somit eine willkommene Möglichkeit, Menschen auch in der kalten Jahreszeit zu beschäftigen.

Die positiven Effekte auf das Klima sind offensichtlich, da die CO2-neutrale Energieversorgung einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Doch darüber hinaus profitiert auch der Betrieb selbst von der nachhaltigen Ausrichtung und einem zusätzlichen Standbein. Der Firma ist es wichtig, ganzjährige Arbeitsplätze in einer peripheren Region zu schaffen.

Immer mehr Menschen und Unternehmen erkennen die vielfältigen Vorzüge von Holz als Baumaterial. Es ist nachhaltig, da es sich um einen erneuerbaren Rohstoff handelt, der bei nachhaltiger Bewirtschaftung kontinuierlich nachwächst. Mit der steigenden Nachfrage nach Holz als Baumaterial und Energiequelle fallen jedoch auch vermehrt Holzabfälle an, die für innovative Projekte wie das Fernwärmenetz von Salzgeber Holzbau genutzt werden können. Diese Holzabfälle, die früher oft ungenutzt blieben oder entsorgt wurden, erhalten durch solche Projekte eine sinnvolle Verwendung und tragen so zur Entlastung der Umwelt bei.

Solardach Salzgeber Marangun Holzbau.

Dennoch darf nicht vergessen werden, dass Holz als Ressource zwar erneuerbar, aber nicht endlos vorhanden ist. Eine nachhaltige Nutzung von Holz ist daher von entscheidender Bedeutung, um die Ressourcen für kommende Generationen zu bewahren. Deswegen wurde bei der Fernwärmeanlage versucht, eine Grösse und Energieleistung zu finden, welche nachhaltig ist und ohne viel Subventionen aufrecht gehalten werden kann. Gesunde Wälder spielen hierbei eine essenzielle Rolle, denn sie fungieren nicht nur als Lieferanten von Holz, sondern auch als CO2-Senken und Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Es liegt in unserer Verantwortung, Holz respektvoll und verantwortungsbewusst zu nutzen, indem wir die Wälder nachhaltig bewirtschaften und schützen. Nur so können wir sicherstellen, dass die wertvolle Ressource Holz auch in Zukunft für innovative und umweltfreundliche Projekte wie das Fernwärmenetz in S-chanf zur Verfügung steht und gleichzeitig unsere Natur und Umwelt geschont werden.

Cilgia Salzgeber ist Architektin Msc. ETH und arbeitet im Betrieb ihres Vaters Simon Salzgeber der Firma Salzgeber Marangun S-chanf in S-chanf.