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Bündnerwald Oktober 2024

Sicherheits- und Haftungsfragen im und am Wald

2020 hat die Kantonsoberförsterkonferenz KOK eine Übersicht zu Sicherheits- und Haftungsfragen im und am Wald verabschiedet, welcher die KOK AG Waldrecht erarbeitet hatte. Alle möglichen Fälle im Wald werden darin nach den Kriterien «Sicherheit-/Risikobeurteilung», «Sorgfaltspflicht/Kontrolle», «Kostentragung» sowie «Haftungsfragen» beurteilt und eingeordnet. Thomas Abt

Verschuldenshaftung
In der Waldgesetzgebung finden sich keine Haftungsbestimmungen. Grundsätzlich hat derjenige den Schaden zu tragen, der ihn erleidet, es sei denn, er könne den Schaden an einen Dritten überwälzen. Dabei gilt der sogenannte Gefahrensatz: Wer einen gefährlichen Zustand schafft oder unterhält, hat die nötigen Schutzmassnahmen zu ergreifen, um eine Schädigung Dritter zu vermeiden. Dabei kommt die Verschuldenshaftung nach Art. 41 des Obligationenrechts (OR) zur Anwendung. Art. 41 Abs. 1 OR lautet: «Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatz verpflichtet.»

Drei für den Wald relevante Kausalhaftungsarten
Im Wald sind drei Kausalhaftungsarten denkbar. Bei der Grundeigentümerhaftung nach Art. 697 des Zivilgesetzbuches (ZGB) wird ein Grundeigentümer haftpflichtig, wenn er sein Eigentumsrecht überschreitet. Den Begriff der Überschreitung des Eigentumsrechts i.S.v. Art. 679 ZGB hat das Bundesgericht bereits definiert (BGE 93 II 230; Zusammenfassung der Rechtsprechung in BGE 143 III 242, E. 3). Eine solche Überschreitung liegt nicht bereits vor, wenn ein für die Nachbarn gefährlicher Zustand des Grundstücks ausschliesslich infolge von natürlichen Phänomenen eingetreten ist. Erst wenn ein gefährlicher Zustand infolge der gegenwärtigen oder früheren Bewirtschaftung oder Benützung des Grundstücks besteht, kann geprüft werden, ob eine Eigentumsüberschreitung nach Art. 679 ZGB gegeben ist.
Der Geschäftsherr haftet nach Art. 55 OR für den Schaden, den seine Arbeitnehmenden oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre. Das heisst insbesondere, bei Forstarbeiten ist der Sorgfalt bei der Auswahl, Instruktion und Beaufsichtigung der Arbeitnehmenden und Hilfspersonen grösste Beachtung zu schenken.
Weiter kommt bei allen Bauten und Anlagen im Wald die Werkeigentümerhaftung nach Art. 58 Abs. 1 OR zum Zuge: «Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.» Dabei geht der Verantwortungsbereich des Werkeigentümers über das eigentliche Werk hinaus und erstreckt sich auch auf die umliegenden Waldbäume (siehe Rechtgutachten Dr. Michael Bütler «Haftung bei waldtypischen Gefahren – Rechtsprechungsübersicht und Rechtslage» vom 9. August 2014, Kommentar der KWL zum Bundesgerichtsurteil vom 22. Juli 2019 i.S. Feuerwehreinsatzkosten (2C_560/2019) vom 9. September 2019 sowie Rechtsgutachten von Prof. Dr. Manuel Jaun «Sicherheits- und Haftungsfragen im Wald mit Blick auf grossflächige Waldschäden» vom 16. August 2022).
 

Freies Waldbetretungsrecht unter Beachtung der waldtypischen Gefahren und der fehlenden Bewirtschaftungspflicht
Im Wald gilt das freie Betretungsrecht nach Art. 699 ZGB. Dabei sind die waldtypischen Gefahren zu berücksichtigen und als drittes Element kommt die fehlende Bewirtschaftungspflicht im Schweizer Wald hinzu. Die Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer haben aus haftungsrechtlicher Sicht keine Garantenstellung, was die Unterlassung der Waldbewirtschaftung betrifft. Die gesetzliche Bewirtschaftungspflicht, oder eben die Garantenstellung bei Unterlassung dieser Pflicht, ist nur im Schutzwald oder beim Auftreten von erheblichen Waldschäden möglich, wo der Kanton entsprechende Bewirtschaftungsmassnahmen nach Gesetz angeordnet hat. Die generelle Bewirtschaftungspflicht im gesamten Schweizer Wald wurde zwar immer wieder diskutiert, mit Verweis auf drohende Haftungsprobleme aber nie eingeführt.

Kriterien der Übersicht «Sicherheits- und Haftungsfragen im und am Wald»
Die Übersicht ist auf der Website der KWL (https://www.kwl-cfp.ch/kok/waldrecht) abrufbar. Es ist eine Matrix, in welcher verschiedene Fälle, die im Wald vorkommen können, aufgrund von vier Kriterien beurteilt und eingeordnet werden.

Sicherheits- und Risikobeurteilung
Die Sicherheits- und Risikobeurteilung erfolgt analog zu den Naturgefahren mit dem risikobasierten Ansatz und den Fragen: Was darf nicht passieren? Was ist zu tolerieren?
Im Waldbestand sind herabfallende Äste, einzelne dürre, abgestorbene oder geschädigte Bäume als waldtypische Gefahren im Rahmen des Betretungsrechtes zu tolerieren. Einzig bei Alt-/Totholzinseln und Habitatbäumen besteht die Empfehlung, diese abseits von Werken auszuscheiden bzw. vertraglich zu sichern. Ebenfalls sollen bestehende Werke in einem Naturwaldreservat nicht gefährdet werden.
Bei den Verkehrsträgern hat die Risikobeurteilung abgestuft nach der Fahrgeschwindigkeit, der Verkehrsfrequenz und der Lage des angrenzenden Waldes zu erfolgen.
Bei Holzereiarbeiten soll die Gefährdung von Menschenleben und Sachwerten unterbleiben. Im Bergwald sind dabei den Querbäumen, dem Moderholz und geworfenen Wurzeltellern grössere Beachtung zu schenken. Diese müssen so verankert werden, dass sie später nicht abrutschen können.
Schliesslich besteht auch beim Biken im Wald bei der Risikobeurteilung ein risikobasierter Ansatz. Während beim Biken auf Waldstrassen die waldtypischen Gefahren und der bestimmungsgemässe Gebrauch der Waldstrasse ausschlaggebend sind, kann sich eine Bikerin, die ein Downhill Trail einer Bergbahn befährt, eher darauf verlassen, dass die Piste von der Betreiberin regelmässig auf Hindernisse kontrolliert wird.
 

Sorgfaltspflicht und Kontrollen
Wie bereits erwähnt, haben Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer im Waldbestand keine Sorgfaltspflicht. Damit entfallen auch die damit zusammenhängenden Kontrollen. Bei Naturwaldreservaten oder Streu- und Flächenschäden in der Agglomeration oder in stark frequentierten Tourismusgebieten kann ein allgemeiner Gefährdungshinweis für Klarheit sorgen.
Bei Werken im Wald ist eine terrestrische Kontrolle der umliegenden Bäume ein- bis zweimal im Jahr zu empfehlen. Gemäss der Rechtsprechung ist bei der Art und der Häufigkeit der Kontrollen die Verhältnismässigkeit und die Zumutbarkeit zu beachten. Es ist beispielsweise einer Waldeigentümerin nicht zuzumuten, monatlich jeden Waldbaum im Umkreis einer Anlage oder Baute im Wald auf einen möglichen Schaden hin zu kontrollieren. Zudem müssen hier terrestrische Kontrollen genügen. Ist der Werk- und die Waldeigentümerin nicht identisch, ist die Kontrolltätigkeit und die Kostentragung vertraglich zu regeln. Schliesslich sind sämtliche Kontrollen gut zu dokumentieren.
Bei den Verkehrsträgern im Wald sind wegen der abgestuften Risikobeurteilung auch die Periodizität der Kontrollen sowie die Zuständigkeiten risikobasiert zu beurteilen. Während auf Kantonsstrassen der Kanton für laufende Kontrollen zuständig ist, kann es die Waldstrasseneigentümerin bei einer jährlichen Kontrolle und bei Kontrollen nach Ereignissen (Sturm, Nassschnee, Gewitter usw.) belassen. Handlungsbedarf besteht nur bei offensichtlich geschädigten und gefährlichen Einzelbäumen.
Die Holzerei gilt nach wie vor als eine der gefährlichsten Arbeitsgattungen. Deshalb ist hier bei der Sorgfaltspflicht ein hoher Massstab anzulegen. Für jeden Holzschlag sind die Arbeitskräfte entsprechend ihrem Ausbildungsstand und ihrer Erfahrung auszuwählen und einzusetzen. Ebenfalls gehört eine umfassende Schlagorganisation inklusive Notfallplanung, Absperrungen und einer Öffentlichkeitsarbeit bei grösseren Holzschlägen dazu, um auch Drittschäden auszuschliessen. Schliesslich ist eine umfassende und korrekte Instruktion aller am Holzschlag Beteiligten vor Arbeitsbeginn unerlässlich.


Bei grösseren Holzschlägen soll eine umfassende Schlagorganisation inklusive Notfallplanung, Absperrungen und Öffentlichkeitsarbeit Eigen- und Drittschäden ausschliessen. (Bild: Susi Schildknecht)

Schlussbemerkungen
Der Übersicht zu Sicherheits- und Haftungsfragen im und am Wald gingen zahlreiche teilweise emotionale Diskussionen in der Waldbranche voraus. Im Wissen, dass ein von der KOK veröffentlichtes Papier auch von Gerichten und Anwältinnen Beachtung finden könnte, wurde es sehr offen formuliert.
Es soll eine Übersicht für Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer, die Forstbetriebe und die sie beratenden kantonalen Forstdienste sein. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Grundprinzipien wie beispielsweise die vertragliche Abmachung, wer für die Kontrollen zuständig ist. Ebenfalls sollen die Kontrollen und der laufende Unterhalt von Werken gut dokumentiert werden. Wenn ein Schaden im Wald passiert, ist es schlimm genug. Es ist dann aber vorteilhaft, wenn man sich dank entsprechender Dokumentation oder dem Nachweis der korrekten Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht von Haftungsansprüchen Dritter befreien kann.

Thomas Abt, Forstingenieur ETH und Jurist, ist seit 2016 Generalsekretär der KWL. Davor war er 21 Jahre im Luzerner Forstdienst tätig.

Im Wald zu Gast – positive Erlebnisse ermöglichen und Konflikte reduzieren

Der Wald ist ein faszinierender und wichtiger Lebensraum für verschiedenste Pflanzen und Tierarten, in welchem zunehmend auch Freizeitaktivitäten ausgeführt werden. Mit einem respektvollen Verhalten und der Einhaltung von einfachen Grundregeln lassen sich bleibende Erlebnisse mit wenigen Beeinträchtigungen des Lebensraums vereinbaren. Reto Rupf, Adrian Hochreutener, Martin Wyttenbach

Vielfältige Erholungsnutzung im Wald
Für die Bevölkerung ist der Wald ein wichtiger Lebensraum und der Aufenthalt im Wald ist für viele Menschen alltäglich geworden. Deshalb möchte die Bevölkerung den Wald in seiner Fläche und Qualität schützen. Gemäss der dritten Bevölkerungsumfrage zum Wald (WaMos 3, BAFU 2022) verweilen die Leute heute kürzer im Wald als vor zehn Jahren, hingegen besuchen sie ihn häufiger. Der Anteil der Menschen, die nie in den Wald gehen, ist auf einem Tiefststand. Der Wald trägt wesentlich zum Wohlbefinden und zur Gesundheit der Bevölkerung bei, da die Mehrheit der Besuchenden sich nach einem Waldbesuch entspannter fühlt als noch zuvor. Dazu besuchen die Menschen den Wald hauptsächlich zum Spazieren, Wandern, Natur beobachten und Ruhe geniessen. Jugendliche nutzen den Wald häufiger für Feste und Sport als Erwachsene. Die Mehrheit der Befragten ist mit der Erholungsinfrastruktur im Wald zufrieden, jedoch gibt es gemischte Meinungen zur Qualität der Anlagen. Die Zufriedenheit mit der Erholung im Wald ist im Vergleich zu 2010 leicht gesunken, was auf vermehrte Störungen wie Abfall und Vandalismus zurückgeführt wird.
Die Besuchsmuster variieren je nach Standort des Waldes stark. So ist in Stadtwäldern der Anteil der täglich Besuchenden höher als in periurbanen Gebieten. Ebenfalls differiert die Aufenthaltsdauer stark, generell kann gesagt werden, dass je näher ein Waldgebiet bei einem Zentrum liegt, desto häufiger, aber auch kürzer sind die Aufenthalte in den Wäldern. In touristischen Regionen verbringt fast die Hälfte der Besuchenden während ihres Ferienaufenthalts mindestens ein bis zwei Stunden im Wald.
Im Wald werden verschiedenste Freizeitaktivitäten ausgeführt. Die Stärke der Auswirkungen auf ­Tiere und Pflanzen hängt auch davon ab, wie die Freizeitaktivitäten in räumlicher und zeitlicher Hinsicht ausgeübt werden. Grundsätzlich wird zwischen punktueller (z. B. Rastplätze, Feuerstel­len etc.), linearer (z. B. Wandern, Mountainbiken, Schlitteln) sowie flächiger (z. B. Orientierungslauf, diverse Sammelaktivitäten, Schneeschuhlaufen) Freizeitnutzung unterschieden. Neben der Intensität der Freizeitaktivität (z. B. hohe Frequenzen auf Wanderwegen an schönen Wochenenden) spielt auch deren zeitliche Ausübung eine entscheidende Rolle. Anders als in den Medien oftmals wiedergegeben, hält sich in der Schweiz die Nutzung durch Erholungsuchende von Wäldern in der Dämmerung und der Nacht gemäss einer Studie der Forschungsgruppe Umweltplanung/ZHAW allerdings in Grenzen. So verbleiben Dämmerung und Nacht mit wenigen Ausnahmen als ruhige Zeiträume für Wildtiere erhalten.


Biken im Wald.(Bild: Chur Bergbahnen, Claudio Godenzi)

In der regelmässig durchgeführten Studie «Sport Schweiz» (Lamprecht et al. 2020) nahm die Anzahl der Sporttreibenden in der Natur und Landschaft, und somit auch in den Wäldern, in den letzten 20 Jahren deutlich zu. Wandern (56,9 %), Radfahren (42,0 %, ohne MTB), Schwimmen (38,6 %), Skifahren (34,9 %, ohne Touren) und Jogging (27,0 %) werden deutlich am häufigsten ausgeübt, auch sonstige Sportarten wie Mountainbiking (7,9 %) und Ski-/Snowboardtouren mit Schneeschuhlaufen (6,5 %) sind auch populär. Insbesondere wenn man bedenkt, dass 1 % der Schweizer Bevölkerung etwa 70 000 Menschen zwischen 15 und 85 Jahren entspricht. Mit Ausnahme des Skifahrens verzeichneten all diese erwähnten Sportarten grosse Zuwachsraten seit der letzten Durchführung 2014.

Störungen durch Waldbesuche
Prinzipiell werden Waldbesuche von Wildtieren wahrgenommen (teilweise gar von Pflanzen), auch wenn Besuchende dies kaum oder gar nicht bemerken. Doch haben die Besuche je nach Aktivität, Beschaffenheit des Lebensraums, aber auch nach Jahres- und Tageszeit unterschiedlich starke Auswirkungen auf den Wald mit seinen Wildtieren und Pflanzen. Diese betreffen u. a. den Boden (Bodenverdichtung, gestörte Bodenfauna), die Vegetation (Vegetationsverlust, Beschädigung von Pflanzen, Verschwinden von Arten), die Fauna (Vertreibung von Wildtieren, Schwächung der Fitness, Verringerung des Reproduktionserfolgs, Stressreaktionen oder gar genetische Veränderungen) oder auch die Landschaft (neue Infrastrukturen, Ausweitung von Wegen) (Rupf 2016).
Graf et al. (2018) zeigten mittels Verhaltensexperimenten auf, dass nächtliche Freizeitaktivitäten grössere Auswirkungen auf Wildtiere haben als solche tagsüber, und Aktivitäten abseits von In­frastrukturen wie Wegen stärkere Reaktionen bei Wildtieren hervorrufen. So können also generell alle Aktivitäten auf befestigten Wegen, Pisten, Loipen sowie die Verweilaktivitäten bei Infrastrukturen als unproblematisch für den Wald angesehen werden. Problematisch hingegen sind Aktivitäten mit mechanischer Auswirkung auf den Waldboden und die Vegetation (v. a. Jungwald). Auf besonders sensible Waldtypen ist ein spezielles Augenmerk zu richten und allenfalls spezielle Regelungen zu prüfen, u. a. für Auenwälder, trockene vegetationsarme Wälder, Blockschuttwälder, beerenreiche Wälder oder obere Waldgrenzen.


Abb. 1: Mountainbike-Nutzung am Höhronen SZ: Die Anlage von offiziellen Trails brachte eine erhebliche Reduktion von Fahrten auf illegalen Trails (Ängiboden, P1035) durch Rauhfusshuhn-Habitate.

Lösungsansätze zur Reduktion von Störungen
In der Schweiz gilt grundsätzlich das freie Betretungsrecht von Wald und Weide (Art. 699 ZGB). Gleichzeitig sind die Kantone verpflichtet, Wildtiere vor Störungen ausreichend zu schützen (Art. 7 JSG). In den letzten Jahren wurden dazu in Berggebieten Wildruhezonen eingerichtet, um besonders störungsanfällige Arten zu schützen und ihre Lebensräume im Winter zu beruhigen. Im Mittelland wurde der Handlungsbedarf bisher als geringer eingestuft, da die Winterbedingungen hier weniger hart sind. Dennoch sind Wildtiere im Mittelland vielen Störungen ausgesetzt, was deren Verhalten ändern und Auswirkungen auf ganze Populationen haben kann.
Wie Graf et al. (2018) darstellen, ist eine vorgängige Nutzungsanalyse notwendig, um Konflikte zwischen Freizeitaktivitäten und den Lebensraumanforderungen der Wildtiere in den Wäldern zu klären. Diese Analyse soll aufzeigen, welche Freizeitaktivitäten wo, wann und in welcher Intensität stattfinden und welche Gebiete besonders wichtige Lebensräume für Wildtiere darstellen. Basierend auf diesen Informationen können Vorranggebiete für Freizeitaktivitäten und solche für Wildtiere in Wäldern festgelegt werden.

 


Abb. 2: Ski- und Schneeschuhtouren im Gebiet der Wildruhezone Wanna im Safiental 20. März 2024 (Rasterzellengrösse 2 m, Radius 20 m; braun: hohe Spurendichte, gelb: niedrige Spurendichte): Nach den Kommunikationsmassnahmen wurden nur noch wenige Übertretungen in Randbereichen der Wildruhezone festgestellt.

Folgende Massnahmen sollen dazu beitragen, die Balance zwischen menschlichen Freizeitaktivitäten und dem Schutz der Wildtiere in Wäldern zu wahren: Bedürfnisgerechte Infrastruktur, Konzentration menschlicher Aktivitäten in für Wildtiere ungüns­tigen Lebensräumen, kleinere Wegnetzdichte und störungsarme Räume, positive Besucherlenkung u. a. mit Orientierungshilfen, natürlichen Hindernissen, Bewusstseinsbildung mit Sensibilisierungsmassnahmen und Kommunikation sowie als letzte Massnahme Verbote mit kurzer Begründung. (Deren rechtliche Umsetzung und Durchsetzung sind im Vorfeld zu prüfen.)

Umsetzungsbeispiele
Mountainbiking am Höhronen SZ
Am Höhronen im Kanton Schwyz wurde in einem partizipativen Verfahren, zusammen mit den lokalen Bikerinnen und Bikern, dem Forst, der Wildhut und Vertretenden von Naturschutzorganisationen, nach einer Lösung gesucht, wie das Mountain­biken kanalisiert und in unkritischen Räumen erfolgen kann. Dazu wurden Korridore ausgeschieden, in welchen die Bikenden gemeinsam mit dem Forst ihre Trails ausgestalten konnten. Die gefundene Lösung und deren Wirkung wurde von der Forschungsgruppe Umweltplanung über drei Jahre untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die offiziellen Trails kanalisierend wirken und damit die Störwirkung der Mountainbikeaktivitäten reduziert werden kann (Abb. 1). Innerhalb der Korridore dürfen die Trails zudem im Rahmen des Unterhalts angepasst werden, was zur Abwechslung und Zufriedenheit der Nutzenden beiträgt.

Ski- und Schneeschuhtouren im hinteren Safiental
Im Naturpark Beverin wurden Skitouren im hinteren Safiental immer beliebter und es wurden Anfang der Coronapandemie vermehrt Betretungen einer rechtskräftigen Wildruhezone gemeldet. Die Wildhut reagierte mit mehr Präsenz, aber vor allem auch mit einer besseren Markierung der Zone (Abb. 3). Die Wirkung dieser Massnahmen wurde mittels Drohnenbefliegungen untersucht. Dazu wurden während zweier Winter vom Skitourengebiet rund um die Wildruhezonen nach einem schönen Wochenende mit vorhergehendem Schneefall und viel Tourenaktivität hochauflösende Drohnenaufnahmen der Schneeoberfläche mittels einer Tragflächendrohne aufgenommen. Diese Bilder wurden anschliessend in einem Geoinformationssystem zu­sammengesetzt und mittels Algorithmus betreffend der Anzahl Freizeitnutzungsspuren (Ski- und Schneeschuhtouren) auf der Schneeoberfläche ausgewertet. Die so entstandenen Heatmaps zeigen, in welchen Räumen die Skitourenaktivitäten stattfanden und somit wo und in welchem Ausmass Wildruhezonen übertreten wurden (Abb. 2). Diese Karten wurden mit der Wildhut besprochen, Anpassungen der Massnahmen erfolgten in der folgenden Wintersaison. Eine neuerliche Befliegung zeigte die gute Wirkung der Massnahmen auf.


Abb. 3: Markierungen von Wildruhezonen im Bereich von Skitourenrouten im Gebiet Wanna/Safiental. (Foto: ZHAW)

Fazit
Wälder erfüllen je nach Standort verschiedene Funktionen zur Ausübung von Freizeitaktivitäten. Zum einen sind sie das Ziel respektive der eigentliche Ort der Aktivitäten, und zum anderen sind sie eine Art Durchgangsort zu den Gebieten der eigentlichen Ausübung der Outdooraktivitäten. Grundsätzlich ist die Situation in der Schweiz in weiten Teilen der Wälder nicht so gravierend wie sie teilweise dargestellt wird – am stärksten werden die Wälder im Mittelland, in der Nähe von Agglomerationen und tagsüber genutzt, die Wälder in den Alpen mit Ausnahme der Tourismusregionen recht selten. Der Schutz des Waldes ist der schweizerischen Bevölkerung aber sehr wichtig.
Je nach Gegebenheiten sind die Anforderungen und Ansätze zur rechtlichen Regelung unterschiedlich. Trotz der nicht alarmierenden Situation sollten wir den Wäldern als Hauptlebensraum für viele Pflanzen und Tiere sehr Sorge tragen und uns wie Gäste in den Wäldern verhalten, welche möglichst keine Spuren hinterlassen. So könnten wir mit den existierenden rechtlichen Instrumenten auskommen und an kritischen Stellen die erforderlichen Regelungen erlassen und kommunizieren.

Prof. Dr. Reto Rupf forscht und lehrt seit 20 Jahren zum Thema «Freizeit und Umwelt» am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW.

Adrian Hochreutener forscht als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Besuchermonitoring und -management in der Forschungsgruppe Umweltplanung ZHAW.

Martin Wyttenbach leitet die Forschungsgruppe Umweltplanung an der ZHAW und beschäftigt sich intensiv mit den Themen Besuchermanagement und -monitoring.

 

Literatur
BAFU (Hrsg.) 2022. Der Wald aus Sicht der Schweizer Bevölkerung. Ergebnisse der dritten Bevölke­rungsumfrage Waldmonitoring soziokulturell (Wa­Mos 3). Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 2212: 60 S.
Graf R F, Signer C, Reifler-Bächtiger M, Wyttenbach M, Sigrist B, Rupf R 2018. Wildtier und Mensch im Nah­erholungsraum. Swiss Academies Factsheets 13 (2).
Lamprecht M, Bürgi R, Stamm H 2020. Sport Schweiz 2020: Sportaktivität und Sportinteresse der Schweizer Bevölkerung. Magglingen: Bundesamt für Sport BASPO.
Rupf R 2016. Planungsansätze im Outdoorsport – Wandern und Mountainbiking. Swiss Academies Factsheets 11 (6).

 

 

Bauen im und am Wald

Der Wald ist das letzte grossflächige Rückzugsgebiet für Tiere und Pflanzen und soll deshalb möglichst frei bleiben von Bauten und Anlagen. Grundsätzlich gilt daher im Wald und am Waldrand ein Bauverbot. Ausnahmen sind jedoch – unter gewissen Voraussetzungen – möglich. Silke Altena

Eine Waldhütte, ein Bienenhaus, ein Waldkindergarten, ein Trinkwasserreservoir, eine Feuerstelle oder auch ein Carport – Beispiele für kleinere oder grössere Bauten und Anlagen im oder am Wald gibt es viele. Dabei gehören Bauten und Anlagen doch grundsätzlich in die Bauzone, oder?
Seit der Einführung des ersten Forstpolizeigesetzes im Jahr 1876 ist das Waldareal in der Schweiz streng geschützt. Während die bauliche Nutzung der meisten Gebiete über das Bundesgesetz über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) reguliert wird, ist das Waldareal gemäss Art. 18 Abs. 3 RPG durch die Forstgesetzgebung umschrieben und geschützt. Der Wald nimmt damit eine Sonderstellung innerhalb der schweizerischen Raumplanung ein.
Doch wie steht es nun mit der Bewilligungspraxis von Bauten und Anlagen im und am Wald?

Bauen im Wald
Bei Bauten im Wald handelt es sich immer um Bauten ausserhalb der Bauzone. Die forstrechtliche Beurteilung und ggf. Bewilligung erfolgt daher im Rahmen des kantonalen Baubewilligungsverfahrens. Entscheidend für die forstrechtliche Beurteilung ist dabei die Einordnung der Baute in eine der folgenden drei Kategorien:

Zonenkonforme, forstliche Bauten
Als zonenkonform im Wald gelten forstliche Bauten und Anlagen sowie Bauten zum Schutz vor Naturgefahren. Die Erstellung zonenkonformer Vorhaben im Wald bedarf keiner waldrechtlichen Ausnahmebewilligung. Es ist jedoch im Rahmen des ordentlichen Baubewilligungsverfahrens in jedem Fall die zuständige kantonale Forstbehörde anzuhören.
Klassische zonenkonforme Bauprojekte im Wald sind:
- Forstwerkhöfe
- Waldstrassen
- Holzlagerplätze
- Gedeckte Energieholzlager
Massnahmen zum Schutz vor Naturgefahren stehen im Einklang mit der Schutzfunktion des Waldes und sind damit grundsätzlich zonenkonform.
Entsprechende Projekte müssen für den geplanten Zweck angemessen dimensioniert, an einem sinnvollen Standort gelegen und für die regionale Bewirtschaftung des Waldes notwendig sein. Da der Wald von Bauten und Anlagen freigehalten werden soll, haben sich zonenkonforme Projekte auf das notwendige Ausmass und den benötigten Ausbau­standard zu beschränken. Die nachträgliche Zweck­entfremdung für nicht forstliche Zwecke ist ausgeschlossen beziehungsweise bedarf einer neuen ­Bewilligung.
Die waldrechtliche Beurteilung zonenkonformer Bauten und Anlagen im Wald erfolgt direkt im Baubewilligungsverfahren.
Die durch forstliche Bauten und Anlagen beanspruchte Fläche bleibt rechtlich weiterhin Waldareal. Sie untersteht damit der Waldgesetzgebung.

Nichtforstliche Kleinbauten und -anlagen
Für bestimmte nicht forstliche Vorhaben braucht es aufgrund ihrer Dimension oder Auswirkung keine Rodung. Solche nichtforstlichen Kleinbauten und -anlagen dürfen das vorhandene Bestandesgefüge nicht wesentlich beeinträchtigen. Bei Wanderwegen und Bikepisten ist darauf zu achten, dass diese in den Bestand und die Topografie eingebunden werden.
Gemäss Art. 17 Kantonale Waldverordnung (KWaV, BR 920.110) gelten als nichtforstliche Kleinbauten und -anlagen insbesondere:
- Anbauten
- Masten
- Sport- und Lehrpfade
- Erdverlegte Leitungen
- Passhütten
- Bienenhäuser
- Wildbachsperren
- Geschiebesammler
Gemäss langjähriger kantonaler Rechtspraxis gelten für nichtforstliche Kleinbauten und -anlagen folgende Maximalgrössen:
- Fuss- und Wanderwege, Bikepisten: Planumbreite max. 2 m
- Leitungen: Bauflächenbreite max. 4 m
- Kleinbauten: max. 25 m² Grundfläche
- Geschiebesammler: max. 5000 m² Grundfläche
Die Ausnahmebewilligung kann direkt im ordent­lichen Baubewilligungsverfahren gewährt werden.


Holzlager, eine forstliche Baute. (Bild: AWN, Silke Altena)

Nichtforstliche Bauten, welche eine gewisse Mindestgrösse überschreiten
Bauprojekte im Wald, welche nichtforstlichen Zwecken dienen und aufgrund ihres Ausmasses oder ihrer Auswirkungen auf den Wald nicht als nichtforstliche Kleinbauten oder -anlagen beurteilt werden können, erfordern eine Rodungsbewilligung.
Sollen nichtforstliche Vorhaben im Waldareal realisiert werden, müssen diese standortgebunden sein. Es ist also nachzuweisen, dass das Vorhaben auf den geplanten Standort im Wald angewiesen ist und an keinem anderen Standort ausserhalb des Waldes ­realisiert werden kann.
Weiterhin müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Rodungsbewilligung erteilt werden kann:
- Es bestehen wichtige Gründe, die das Interesse an der Walderhaltung überwiegen.
- Die Baute oder Anlage erfüllt die Voraussetzungen der Raumplanung sachlich.
- Die Baute oder Anlage führt zu keiner erheblichen Gefährdung der Umwelt.
- Dem Natur- und Landschaftsschutz wird Rechnung getragen.
Das Rodungsverfahren ist an das Baubewilligungsverfahren gebunden und wird mit diesem koordiniert.


Bienenhaus, eine nichtforstliche Kleinbaute. (Bild: AWN, Jürg Hassler)

Bauen am Wald
Ein ausreichender Waldabstand liegt im Interesse aller. Abstandsvorschriften sollen eine zweckmässige Bewirtschaftung und Erschliessung des Waldes ermöglichen, den Wald vor Feuer schützen, sowie dem hohen ökologischen Wert des Waldrandes Rechnung tragen. Nicht zuletzt dienen sie auch dem Schutz von Bauten und Anlagen vor umstürzenden Bäumen, Schatten, Feuchtigkeit, Vermoosung sowie Nadel- und Laubfall. Ein ausreichender Waldabstand schützt somit den Wald und die an ihn angrenzenden Gebäude.
Gestützt auf das Bundesgesetz über den Wald (Art. 17, WaG) legen die Kantone angemessene Mindestabstände für Bauten und Anlagen gegenüber dem Waldrand fest. Dabei variieren die gesetzlichen Minimalabstände zwischen den Kantonen erheblich. Im Kanton Schwyz beispielsweise beträgt der Mindestabstand 15 Meter, im Kanton Aargau 18 Meter und im Kanton Bern 30 Meter. Demgegenüber ist der Mindestabstand im Kanton Graubünden mit 10 Meter gegenüber Hochwald und 5 Meter gegenüber Niederwald vergleichsweise gering.
Gemessen wird der Waldabstand ab der Waldgrenze. Diese wiederum befindet sich per Definition 2 Meter ab der Mitte des äussersten Stammes eines geschlossenen Waldbestandes.


Für nichtforstliche Bauten wie dieses Trinkwasserreservoir in Lohn ist eine Rodungsbewilligung erforderlich. (Bild: AWN, Cristina Fisler)

Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestwaldabstand
Keine Regel ohne Ausnahmen. In begründeten Ausnahmefällen können Waldabstandsunterschreitungen bewilligt werden. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Einhaltung des gesetzlichen Mindestwaldabstandes dazu führen würde, dass eine Bauparzelle praktisch unbebaubar würde. Oder wenn dadurch Baulücken in bestehenden, den 10-metrigen Mindestwaldabstand unterschreitenden Häuserzeilen geschlossen werden können. Voraussetzung für entsprechende Ausnahmen ist jedoch, dass vorgängig entsprechende Baulinien in der kommunalen Nutzungsplanung, das heisst im Zonenplan oder im Generellen Gestaltungsplan, festgelegt wurden. Ausnahmen sind zudem für bestimmte Arten von Bauten und Anlagen, wie beispielsweise für unterirdische Bauten und Anlagen, für Kleinbauten, Hochspannungsmasten und dergleichen, möglich. Grundvoraussetzung für eine Bewilligung zur Unterschreitung des gesetzlichen Mindestwaldabstandes ist eine gewisse Notwendigkeit zur Errichtung der Baute resp. Anlage im Abstandsbereich. Diese sogenannte Standortgebundenheit ist entsprechend nachzuweisen.

 


Waldabstand. (Grafik:  AWN)

Bestehende Bauten im Waldabstandsbereich
Um Gebäudeerweiterungen oder den Wiederaufbau nach Abbruch oder Zerstörung im Waldabstandsbereich nicht zu verunmöglichen, können bestehende Bauten und Anlagen im Waldabstandsbereich erhöht, erweitert, mit Anbauten versehen und nach Zerstörung oder Abbruch an Ort und Stelle wiederaufgebaut werden, sofern der Waldabstand dadurch nicht verringert wird und dies nach Massgabe des Bau- und Planungsrechts zulässig ist.
Unabhängig von der Waldabstandsproblematik gilt für bestehende Gebäude im Waldareal und am Waldrand ein 2-Meter-Streifen um das Gebäude als Nichtwald.


Bestehende Bauten innerhalb des Waldabstandes haben Bestandesschutz. (Bild: AWN)

Zuständigkeiten und Verfahren
Zuständige Behörde für die Erteilung von Ausnahmebewilligungen betreffend den Mindestwaldabstand ist die Leitbehörde des entsprechenden Baubewilligungsverfahrens. Diese entscheidet, nach Anhörung des Amtes für Wald und Naturgefahren, ob das Bauvorhaben einer Ausnahmebewilligung nach Art. 30 Abs. 3 KWaG zugänglich ist. Innerhalb der Bauzone erfolgt dies im Rahmen der kommunalen Baubewilligung durch die zuständige Gemeinde, ausserhalb der Bauzone im BAB-Verfahren durch das kantonale Amt für Raumentwicklung.
Die Aufsicht über die Einhaltung des kantonalen Mindestwaldabstandes bzw. von festgelegten Waldabstandslinien und erteilten Ausnahmebewilligungen obliegt der Gemeinde als zuständiger Baubehörde.

Silke Altena leitet seit 2021 den Bereich Walderhaltung des Amtes für Wald und Naturgefahren Graubünden. Sie ist zuständig für Fragen im Zusammenhang mit Waldrecht und Waldaufsicht. 

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