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"Bündnerwald" Juni 2022

Bedeutung des Buchdruckers in Graubünden

Der Buchdrucker spielt in Graubünden aufgrund des hohen Fichten-Anteils seit jeher eine grosse Rolle. Die absolute Menge an Käferholz ist in den meisten Jahren vergleichsweise niedrig, es gibt jedoch viele direkte und indirekte Folgen, welche auch die Holznutzung im Allgemeinen beeinflussen. Autor: Dr. Marco Vanoni

Der Wald im Gebirgskanton Graubünden besteht mehrheitlich aus Nadelholz, davon macht die Fichte eine überwiegende Menge aus. Fast zwei Drittel des gesamten Holzvorrats besteht aus Fichtenholz. An vielen Standorten im Kanton ist die Fichte somit nicht unerwartet die dominante Baumart im Bestand. Insbesondere in der subalpinen Stufe ist sie oft auch fast die einzige Baumart, die dort bestandesbildend natürlicherweise vorkommt. Wenn der «Borkenkäfer» thematisiert wird, ist damit so gut wie immer der Buchdrucker (Ips typographus) gemeint, welcher fast ausschliesslich die Fichte befällt. Von Vorkommen dieses Buchdruckers ist also auf einem Grossteil der Waldfläche auszugehen. Aufgrund seiner Fähigkeit zu grossen und raschen Massenvermehrungen nimmt er eine bedeutende Rolle bei der Bewirtschaftung der Wälder in Graubünden ein.

Abb.1: Zwangsnutzungen in Graubünden aufgeteilt nach Hauptursache. (Diagramm: AWN)

Abb. 2: Käferholz-Mengen in Graubünden aufgeteilt nach Waldregionen. (Diagramm: AWN, Borkenkäferumfrage WSL)

Durch eine laufende Überwachung der gesamten Waldfläche auf Schäden oder mögliches Brutmaterial versuchen die Forstbetriebe, solchen Massenvermehrungen vorzubeugen und damit unkontrollierte Bestandeszusammenbrüche weitestgehend zu vermeiden. Die anteilmässig häufigsten Ursachen für geschädigte oder geschwächte Fichten mit potenziellen Folgeschäden durch den Buchdrucker sind Stürme, Nassschnee-Fälle, anhaltende Trockenheitsperioden sowie weitere Naturereignisse.

Die Gesamtmenge der Zwangsnutzungen

Wird die gesamte Menge der in Graubünden anfallenden Zwangsnutzungen betrachtet, sticht das Jahr 1990 ins Auge, in welchem Orkan Vivian in weiten Teilen von Nordbünden beträchtliche Schäden angerichtet hat (Abb. 1). Weitere markante Jahre mit hohen Schaden-Mengen sind die Jahre 1999 («Lawinenwinter»), 2009 (ergiebige Nassschneefälle) sowie ein erneuter deutlicher Anstieg an Zwangsnutzungen aufgrund der Stürme Burglind und Vaia in den Jahren 2018 und 2019. Gemessen an der Gesamtmenge der Zwangsnutzungen der vergangenen 35 Jahre von rund 3 650 000 m³ beträgt der Anteil an «reinem» Käferholz (767 000 m³) rund 21 %.

Der jährliche Anteil von Käferholz an der Gesamtmenge ist aber starken Schwankungen unterworfen und kann beispielsweise innerhalb von nur gerade drei Jahren (2015 und 2017) deutlich auseinanderliegen (7 % und 78 %). Würde man die Zwangsnutzungen hinzurechnen, welche in erster Linie aufgrund Käferprävention getätigt werden, würde der Anteil deutlich ansteigen und dürfte in manchen Jahren die Gesamtmenge der Zwangsnutzungen ausmachen. Denn ein Grossteil der als Zwangsnutzungen geräumten Holzmenge nach Naturereignissen wird hauptsächlich aus dem Bestand genutzt (oder vor Ort entrindet), um eine Massenvermehrung des Borkenkäfers mit weiterem Folgebefall zu vermeiden oder mindestens zu reduzieren.

Die Käferholz-Mengen im Rückblick

Die Menge an angefallenem Käferholz in Graubünden wird seit den 1980er-Jahren bei den Revierförstern jährlich durch die WSL individuell erhoben und kann von Jahr zu Jahr sehr stark variieren (Abb. 2). Die Gesamtmenge an Fichten-Käferholz in Graubünden beträgt in den letzten 35 Jahren total 767 000 m³, was im jährlichen Mittel etwa 22 000 m³ entspricht.

Nach Borkenkäferbefall abgestorbene Fichten, Val Sumvitg, aufgenommen am 17. Mai 2020. (Bild: AWN

Deutlich an der Spitze liegt dabei das Jahr 1993, in welchem der Grossteil des Käferholzes in der Waldregion Surselva angefallen ist. Dies ist eindeutig eine zeitlich verzögerte Folge des Orkans Vivian von 1990. Im betreffenden Jahr und den Folgejahren wurde zwar ein grosser Wert auf eine rasche Räumung gelegt, es konnte aber bei Weitem nicht alles potenzielle Brutmaterial rechtzeitig entfernt werden. Bis ins Jahr 2018 lag die AWN-Region Surselva, welche einen überdurchschnittlich hohen Fichten-Anteil aufweist, meistens bei der Käferholzmenge an der Spitze. Auch die Region Mittelbünden-Moesano lag zwischenzeitlich vorne. Erst die Folgen von Sturm Burglind haben dafür gesorgt, dass sich die davon am stärksten betroffene AWN-Region Herrschaft/Prättigau/Davos an die Spitze geschoben hat. In den letzten sechs Jahren lag nun der Wert immer leicht über dem langjährigen Mittel zwischen 20 000 und 40 000 m³. Ein eindeutiger Trend einer Zu- oder Abnahme der Käferholzmenge ist aber über die letzten 35 Jahre nicht festzustellen. Immer wieder treten einzelne Jahre etwas stärker hervor, wobei eine Abnahme der Käferholzmenge oft in der gleichen Geschwindigkeit erfolgt wie die Zunahme.

Bedeutung für den Forstbetrieb

In Graubünden haben die Waldeigentümer nach gesetzlicher Verpflichtung bei den Kosten der Waldschäden sowie in der Schutzwaldpflege die Restkosten von mindestens 20 % selber zu tragen. Nach grösseren Ereignissen wie etwa nach Sturm Vaia 2018 können diese Kosten schnell einmal mehrere 100 000 Franken. betragen. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Faktor für viele kleinere, aber auch grössere Waldeigentümer. Für die Verhütung und Behebung von Waldschäden wurden von 2001 bis 2020 Beiträge im langjährigen Durchschnitt von jährlich 5,4 Millionen Franken entrichtet. Die Beiträge für die Schutzwaldpflege in Graubünden betragen im gleichen Zeitraum rund 11,5 Millionen Franken. Von der Gesamtsumme an Beiträgen entfallen also knapp 30 % auf Waldschäden. Seit der NFA-Periode 2012–2015 gilt im Schutzwald ein Beitragssatz von 80 %, vorher lag er projektgebunden teilweise niedriger. Bei den Waldschäden liegt der Beitragssatz ebenfalls bei 80 %, war jedoch ebenfalls zeitweise tiefer oder auch höher.

Was bedeutet es aber für einen Betrieb sonst noch, wenn er ständig Käfernestern nachgehen muss? Es gibt Jahre, in denen einzelne Reviere praktisch alle Ressourcen in die Behebung oder Verhinderung von Schäden einsetzen müssen. Geplante Eingriffe müssen zurückgestellt werden, und die Verzögerung kann sich über mehrere Jahre sogar weiter aufbauen oder verstärken. Auch wenn der vereinbarte Hiebsatz durch Schäden bereits teilweise oder vollständig erreicht wird, müssen geplante Eingriffe aus Gründen der Nachhaltigkeit zurückgestellt werden. Damit wird der waldbauliche Spielraum eingeschränkt, und in der Betriebsplanung festgelegte Prioritäten können nicht mehr überall eingehalten werden.

Die mittlere genutzte Holzmenge in Graubünden liegt in den letzten rund 15 Jahren zwischen 300 000 und 400 000 m³. In den Jahren davor lag die Nutzungsmenge teilweise deutlich darunter, auch etwa nach den schweizweit betrachtet immensen Schäden nach Orkan Lothar 1999. Von dieser gesamten Nutzungsmenge stammen im Mittel etwas mehr als zwei Drittel aus geplanten waldbaulichen Eingriffen, ein beträchtlicher Anteil fällt langfristig betrachtet also «ungeplant» an. Relativiert wird dieser Anteil in bestimmten Jahren, in denen er auch deutlich unter 10 % fällt oder lokal auch einmal komplett ausbleibt. Nach Stürmen oder Käferschäden kann ein Preiszusammenbruch zusätzlich dafür sorgen, dass auch die geplanten Nutzungen reduziert werden, etwa um nicht zusätzlich einen weiteren Preiszerfall anzuheizen oder genutztes Holz gar nicht mehr absetzen zu können.

Ausblick

Während in den letzten Jahren die Käferholzmenge auf hohem Niveau schwankte, ist die weitere Entwicklung nicht ganz klar. Aufgrund der wärmeren Temperaturen und vermehrt zu erwartenden Trockenperioden ist aber eindeutig mit einem grös­seren Anfall an nicht geplanten Nutzungen zu rechnen. Die heute im Kanton Graubünden verfolgte Strategie, welche den Entscheid über eine Räumung oder Nicht-Räumung von verschiedenen Faktoren abhängig macht, wird im Zusammenhang mit dem Klimawandel deshalb in den nächsten Jahren überprüft und gegebenenfalls angepasst werden müssen.

Dr. Marco Vanoni leitet den Bereich Schutzwald & Waldökologie an der Zentrale des Amts für Wald und Naturgefahren in Chur.

Natürliche Feinde von Borkenkäfern

Gegen 300 verschiedene Arten, vor allem räuberische Käfer und parasitische Wespen, sind als natürliche Feinde des Buchdruckers bekannt. Die meisten leben – wie ihre Beute – unauffällig unter der Baumrinde und ernähren sich dort von Borkenkäferbrut. Sie spielen bei der Regulation von Borkenkäfern eine wichtige Rolle. Autorin: Dr. Beat Wermelinger

Räuberische Insekten und Milben

Räuberische Insekten werden durch Duftstoffe, die von Bäumen und Borkenkäfern produziert werden, an frisch von Borkenkäfern befallene Bäume gelockt. Die Räuber gelangen deshalb etwa gleichzeitig wie die Borkenkäfer dorthin, und somit stehen den räuberischen Larven schon von Anfang an Eier und junge Larven von Borkenkäfern als Nahrung zur Verfügung.

Die wichtigsten Räuber in den Borkenkäfer-Brutbildern finden sich bei den Käfern und Fliegen sowie den Milben. Die auffälligste der fast 70 räuberischen Käferarten ist zweifellos der charakteristisch gefärbte Ameisenbuntkäfer (Thanasimus formicarius; Abb. 1). Er ernährt sich sowohl als adulter Käfer als auch als Larve von verschiedenen Borkenkäferarten, vorwiegend auf Nadelbäumen. Der erwachsene Käfer überwältigt adulte Borkenkäfer auf der Rindenoberfläche, wo er auch seine Eier ablegt. Die geschlüpften Larven dringen in die Borkenkäfergänge ein und fressen dort je nach ihrer Grösse Eier, Larven oder Puppen der Beutetiere. Eine Ameisenbuntkäferlarve verzehrt während ihrer Entwicklung etwa 50 Beutetiere, ein adulter Käfer bis zu fünf Borkenkäfer pro Tag. Die Käfer können über ein halbes Jahr alt werden.

Der kleine (4–6 mm), sehr lang gestreckte Jagdkäfer Nemozoma elongatum ist als Gegenspieler von 16 Borkenkäferarten in Nadel- und Laubbäumen bekannt und gelegentlich auch in Borkenkäfer-Pheromonfallen zu finden. Besonders wichtig ist er als Antagonist des Kleinen Buchenborkenkäfers (Taphrorychus bicolor) sowie des Kupferstechers (Pityogenes chalcographus).

Abb. 1: Adulte Ameisenbuntkäfer erbeuten Borkenkäfer auf der Rindenoberfläche, während ihre rosaroten Larven die Borkenkäferbrut unter der Rinde fressen. (Bilder: Beat Wermelinger)

Der Räuber frisst in den Käfergängen die eingebohrten Borkenkäfer, während seine Larven ins Brutsystem eindringen und dort während ihrer Entwicklung 30–50 Larven, Puppen oder Jungkäfer fressen. Daneben gibt es zahlreiche weitere Käferarten, die sich von Borkenkäfern ernähren. Sehr häufig sind die Rindenglanzkäfer der Gattung Rhizophagus, rund 4 mm grosse, unscheinbar braun gefärbte Käfer. Sie ernähren sich von Eiern oder Larven von Borkenkäfern und anderen Insekten unter der Rinde. Auch einige Kurzflüglerarten wie Nudobius lentus sind häufige Borkenkäferräuber.

Unter den Fliegen gibt es über 30 Arten, deren Larven sich räuberisch von Borkenkäferbrut ernähren. In erster Linie sind es Langbeinfliegen der Gattung Medetera. Sie gehören zu den ersten Antagonisten, die bei einem frisch befallenen Käferbaum eintreffen. Die unscheinbaren Fliegen paaren sich auf der Rindenoberfläche und jedes Weibchen legt anschliessend bis zu 120 Eier in Rindenritzen und unter Rindenschuppen in der Nähe der Einbohrlöcher der Borkenkäfer, vorzugsweise an stehenden Bäumen. Die Larven verzehren während ihrer Entwicklung je nach Grösse der Beuteart 5 bis 20 Larven (Abb. 2). Die ökologische Bedeutung der Langbeinfliegen wird sehr hoch eingestuft. Sie sind sowohl in Laub- als auch Nadelwäldern oftmals die häufigsten Gegenspieler und können bis zu 90 % der Borkenkäferlarven abtöten.

Abb. 2: Räuberische Fliegenlarve (links) und Borkenkäferlarve in einem Brutbild des Buchdruckers.

Weniger auffällig sind die zu den Spinnentieren gehörenden Raubmilben. Die Mehrzahl der in den Käferbrutbildern lebenden Milben ernährt sich allerdings von Pilzen oder Nematoden. Einige wenige Arten leben aber räuberisch von Borkenkäfern und saugen deren Eier, Larven und Puppen aus. Die Bedeutung von Milben bei der Regulation von Borkenkäfern wird wohl stark unterschätzt. Bei Borkenkäfereiern wurden schon Absterberaten von bis zu 90 % beobachtet.

Parasitische Wespen

Über 150 Schlupfwespenarten (auch Parasitoide genannt) sind als Borkenkäferfeinde bekannt. Die meisten leben ektoparasitisch (nicht im, sondern am Wirt) an Larven oder Puppen von Borkenkäfern und töten während ihrer Entwicklung den Wirt ab. Die Mehrzahl dieser kleinen Wespen stechen für die Parasitierung ihren Ablagestachel durch die Rinde, sie bevorzugen deshalb die dünnere Rinde im oberen Stammbereich. Einige wenige Arten schlüpfen aber auch durch die Einbohr­löcher der Borkenkäfer und parasitieren die Lar­ven von den Muttergängen aus. Die parasitischen Wespenlarven fressen den Körperinhalt ihrer Wirte auf und lassen nur Haut und Kopfkapsel zurück. Ganz wenige Schlupfwespen parasitieren die ausgewachsenen Borkenkäfer auf der Rindenoberfläche, indem sie durch den Käferpanzer hindurch ein Ei ins Innere ablegen. Die Wespenlarve höhlt anschliessend den ganzen Körper aus und verlässt ihn durch ein selbst genagtes Loch am Körperende des Käfers.

Parasitische Wespen reagieren bei ihrer Suche nach geeigneten Wirten auf flüchtige Substanzen, die in den Borkenkäfergängen von Pilzen und Mikroorganismen produziert werden. Auf diese Weise treffen die Parasitoiden erst dann am Käferbaum ein, wenn ihre Wirte im richtigen Stadium, also vor allem als ältere Larven oder Puppen vorhanden sind. Mit ihrem Legestachel lokalisieren sie anhand von kleinsten Unterschieden in der Duftstoffkonzentration die darunterliegenden Larven und belegen sie mit einem Ei.

Abb. 3: Die gut erkenntliche Brackwespe Coeloides bostrichorum kommt vor allem in tieferen Lagen vor. Typisch sind auch ihre Puppenkokons in den Puppenwiegen der abgetöteten Borkenkäfer.

Wichtige Schlupfwespen sind die Brackwespen mit rund 60 Borkenkäfer-Gegenspielern. Eine der häufigsten Arten, die 3–5 mm grosse Coeloides bostrichorum, befällt Borkenkäfer auf verschiedenen Nadelhölzern, bevorzugt in tieferen Lagen. Ihr Ei­ablagestachel ist mit fünf Millimetern einer der längsten aller Borkenkäfer-Parasitoiden. Sie ist leicht an ihrem orange gefärbten Hinterleib und dem orange-schwarzen Kopf zu erkennen, ihre Larven verpuppen sich in typischen Kokons in den Käfer-Puppenwiegen am Ende der Larvengänge (Abb. 3).

Eine andere wichtige Familie von Schlupfwespen sind die Pteromaliden (ohne deutschen Namen). Rund 35 Arten davon parasitieren Borkenkäfer, meist im Larvenstadium. Eine der häufigsten Arten (Roptrocerus xylophagorum) parasitiert die Wirtslarven, indem die Wespe durch die Einbohrlöcher der Borkenkäfer schlüpft und von den Muttergängen aus die Larven parasitiert.

Pilze

Borkenkäfer werden auch häufig von pathogenen Pilzen befallen. Die Pilzsporen keimen auf der Körperhülle des Käfers und das Pilzgeflecht wächst durch den Insektenpanzer ins Innere und breitet sich im ganzen Körper aus. Am Ende dringt es wieder nach aussen und überwuchert den ganzen Körper (Abb. 4). Die Infektionsraten können vor allem gegen Ende einer Massenvermehrung bis zu 90 % betragen.

Spechte

Auch Spechte spielen eine gewisse Rolle als Antagonisten von Borkenkäfern. Sie hacken Larven, Puppen und Jungkäfer aus der Baumrinde heraus. Zudem fallen Rindenplatten mit der darunterliegenden Borkenkäferbrut zu Boden, wo die Borkenkäferbrut entweder vertrocknet, von Vögeln aufgepickt oder von räuberischen Insekten und Kleinsäugern gefressen wird. Die unter der von Spechten durchlöcherten Rinde am Baum verbleibende Brut trocknet zudem schneller aus oder stirbt wegen extremen Temperaturwechseln eher ab. In europäischen Fichtenwäldern ist der Dreizehenspecht ein wichtiger natürlicher Feind (Abb. 5). Er löst befallene Rindenstücke vom Stamm und achtet darauf, dass diese nicht hinunterfallen und die Larven verschütten. Dann pickt er die nun freiliegenden Larven heraus. Magenuntersuchungen haben gezeigt, dass ein Dreizehenspecht pro Wintertag über 3000 Käferlarven vertilgt.

Abb. 4: Oft finden sich in den Brutbildern des Buchdruckers vom Pilz Beauveria bassiana befallene Käfer.

Abb. 5: Der Dreizehenspecht (hier ein Männchen) ernährt sich zu einem grossen Teil von Borkenkäfern.

Ein über längere Zeit anhaltender, grossflächiger Befall kann zu einer Zunahme der Spechtpopulation führen. Entsprechend können Spechte einen erheblichen Einfluss auf die Borkenkäferpopulationen haben, vor allem in hohen Lagen mit nur einer Käfergeneration.

Bedeutung von natürlichen Feinden

Obwohl Spechte die auffälligsten Gegenspieler von Borkenkäfern sind und viele Käfer vertilgen, wird ihnen im Allgemeinen keine entscheidende Rolle bei der Regulation von Borkenkäfer-Massenvermehrungen zugeschrieben. Dazu ist die Vermehrungsrate der Spechte zu gering und kann auch bei üppigem Beuteangebot kaum gesteigert werden. Zudem sind die Brut- und Schlafplätze der Spechte in einem Wald infolge Territorialität begrenzt. Die grösste Bedeutung entfalten Spechte bei tiefer Käferpopulationsdichte, indem sie den Beginn von Borkenkäferausbrüchen verzögern.

Die Wirkung räuberischer Insekten und Milben ist bedeutend und wird höher als diejenige von Parasitoiden eingeschätzt. Räuber können sich auch von alternativer Beute ernähren, weshalb immer eine gewisse Grunddichte von räuberischen Insekten vorhanden ist, die im Falle einer Borkenkäfer-Massenvermehrung schnell reagieren können. Die Wirkung von Parasitoiden kann aber lokal ebenfalls extrem hoch sein.

Die Gesamtwirkung aller antagonistischen Organismen hängt von zahlreichen Faktoren ab: Witterung, Zeitpunkt innerhalb einer Massenvermehrung, Wechselwirkungen innerhalb von Antagonisten (Spechte und räuberische Insekten fressen auch andere räuberische oder parasitische Arten), Jahreszeit, lokale Besonderheiten und nicht zuletzt die Bekämpfungsmassnahmen des Menschen. Der wichtigste Effekt natürlicher Feinde ist, dass sie in «normalen» Phasen verhindern, dass die Borkenkäferpopulationen eine Grösse erreichen können, die es ihnen erlaubt, auch vitale Bäume zu befallen. Erst ein Sturm oder eine grossflächige Schwächung von Bäumen führen dazu, dass sich die Borkenkäfer so stark vermehren können, dass genügend Käfer dem Tod durch natürliche Feinde entgehen, um vitale Fichten besiedeln zu können.

Dieser Artikel ist eine Kurzfassung des WSL-Merkblatts für die Praxis Nr. 67, das unter www.wsl.ch/merkblatt heruntergeladen oder bestellt werden kann. Im Merkblatt sind auch die wichtigsten Antagonisten als Larven und Adulttiere abgebildet.

Dr. Beat Wermelinger forscht und lehrt an der WSL und ETH zu verschiedensten Aspekten von Waldinsekten.

Der Borkenkäferspürhund – wertvolle Hilfe im Wald

BoDogs ist eine in Österreich und Deutschland aktive Arbeitsgemeinschaft aus Förstern, Biologen und Hundetrainern. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Hunde zur Suche nach Borkenkäfern auszubilden beziehungsweise die fachlichen Grund­lagen für deren Einsatz zu schaffen. Autor: Dr. Leopold Slotta-Bachmayr

Bei den Borkenkäfern gibt es viele verschiedene Arten, die sich auf eine bestimmte Baumart spezialisiert haben. Im Fall der Fichte sind es zwei Borkenkäfer, die uns interessieren. Der etwas grössere Buchdrucker, der die grobborkigen Bereiche des Fichten­stamms befällt, und der kleinere Kupferstecher, der in erster Linie in dickeren Ästen oder im Wipfelbereich zu finden ist. Ist eine Fichte geschwächt, dann kann sich ein Borkenkäfermännchen durch die Rinde bohren und dort eine sogenannte Rammelkammer anlegen. Mit Hilfe von Duftstoffen, sogenannten Pheromonen lockt das Männchen sowohl andere Männer an, die ihm beim Überwältigen der Fichte helfen, als auch Weibchen, mit denen sich das Männchen in der Rammelkammer paart. Wenn für weitere Käfer kein Platz mehr auf der Fichte vorhanden ist, dann senden sie ein anderes Pheromon aus, das Neuankömmlingen mitteilt, sie möchten sich doch auf einer Nachbarfichte ansiedeln. Die beteiligten Pheromone sind artspezifisch, damit die Männchen nicht die falschen Weibchen anlocken oder Borkenkäfer zur Fichte kommen, die mit dieser Baumart nicht zurechtkommen.

Besonders die Kommunikation mit Duftstoffen der Borkenkäferarten Buchdrucker und Kupferstecher ist sehr gut untersucht. Man kann diese Duftstoffe künstlich herstellen, und sie werden beim Monitoring dieser Arten verwendet, indem man die Käferfallen mit den Pheromonen bestückt. Aber gerade diese Duftstoffe ermöglichen auch den Einsatz der Hunde.

Früherkennung dank feinstem Geruchssinn

Die Nase des Hundes ist ein fantastisches Sinnesorgan, dessen Leistung der Nase des Menschen millionenfach überlegen ist. Heute wird der feine Geruchssinn der Hunde nicht nur zur Suche nach Menschen oder Wildtieren, sondern auch zum Aufspüren von Geldscheinen, Datenträgern sowie für die Suche nach Kadavern, Kot von Wildtieren und den Tieren selbst eingesetzt. Letztendlich kann der Hund alles was riecht nicht nur finden, sondern auch sehr genau identifizieren. Für die Suche nach dem Borkenkäfer müssen die Hunde also zu Beginn einer Ausbildung die «Borkenkäfersprache» lernen. Das heisst, sie lernen die Pheromone des Buchdruckers kennen und sollen diese dann suchen. Da dieser Geruch zu Beginn einmal keine Bedeutung für den Hund hat, wird der Geruch der Pheromone mit Futter oder einem Spielzeug verknüpft, das der Hund dann erhält, wenn er diesen Geruch aufgespürt hat. Hat der Hund den Geruch einmal kennengelernt, muss er auch noch eine sogenannte Anzeige lernen, ein Verhalten, mit dem er uns zeigt, dass er etwas gefunden hat. Dazu kann sich der Hund am Baum aufstellen, den Baum anbellen, zwischen Baum und Mensch hin und her pendeln oder sich einfach vor den Baum setzen. Wie der Hund seinen Fund anzeigt, ist im Endeffekt völlig egal. Wichtig ist, dass der Mensch erkennt, dass der Hund etwas gefunden hat. Für diese Arbeit eignen sich besonders sehr arbeitsfreudige Hunderassen, die einen guten Geruchssinn haben. Dabei ist die Arbeitsfreude viel wichtiger als die Nasenleistung, da die Borkenkäfer für Hunde relativ leicht zu finden sind. Dazu kommt, dass der Hund bei der Arbeit im Wald jagdlich nicht übermässig motiviert sein sollte, da eine Ablenkung durch Hase, Reh oder Hirsch den Sucherfolg des Hundes, was den Borkenkäfer betrifft, doch deutlich herabsetzen kann.

Sarek hat gelernt, sich am Baum aufzustellen und so zu zeigen, dass er etwas gefunden hat. (Bild: Bea Maas)

Aber warum braucht man jetzt einen Hund, da man Borkenkäferbefall ohnehin anhand des Bohrmehls, der Harztropfen am Stamm, der Bohrlöcher oder durch die Spechtspuren einwandfrei feststellen kann? Das ist im Prinzip schon richtig, aber einer der wesentlichen Vorteile des Hundes besteht darin, dass er einen Borkenkäferbefall schon feststellen kann, wenn äusserlich noch keine Zeichen vorhanden sind. Mit Hilfe des Hundes ist es also möglich, die Fichten zu finden, in denen der Borkenkäfer überwintert. Dazu sucht man mit dem Hund den Wald im Spätwinter oder im frühen Frühjahr ab. Zu einer Zeit, in der die Lufttemperatur noch unter 16°C liegt und der Borkenkäfer noch nicht aktiv ist. Findet der Hund in diesem Zeitraum einen vom Borkenkäfer befallenen Baum, kann man die Massenvermehrung nicht nur in ihrer Entstehung stark bremsen, es besteht auch kein unmittelbarer Handlungsbedarf, da der Käfer noch nicht aktiv ist. Man hat also ausreichend Zeit, Personal zum Fällen des Baumes sowie zum Abtransport des Stammes zu organisieren. Im Sommer, wenn der Käfer voll aktiv ist, muss man viel schneller reagieren während man im Frühjahr ausreichend Zeit hat und warten kann, bis eine grössere Anzahl von Bäumen zu fällen ist, beziehungsweise ausreichend Holz gelagert wurde, dessen Abtransport dann auch ökonomisch sinnvoll ist.

Trefferquote von bis zu 90 %

Dann stellt sich allerdings die Frage: Wie gut sind die Hunde wirklich am Ende des Tages? Versuche der Fachhochschule in Weihenstephan haben bereits 2005 gezeigt, dass die Hunde einwandfrei und sicher in der Lage sind, vom Borkenkäfer befallene Bäume zu identifizieren, dazu reichen auch geringste Bohrmehlreste. Schwedische Wissenschaftler konnten ausserdem zeigen, dass die Hunde die verschiedenen Pheromone des Buchdruckers mit über 90%iger Sicherheit von anderen Pheromonen unterscheiden können. Das eröffnet unter anderem die Möglichkeit, Hunde nicht nur auf Borkenkäfer zu trainieren, die für die Fichte relevant sind. Es ist auch möglich, Hunde auf andere Borkenkäferarten zu trainieren, die sie sicher und artspezifisch finden können. Die schwedischen Kollegen konnten weiters zeigen, dass Hunde vom Borkenkäfer befallene Bäume aus einer Distanz von bis zu 150 Meter erkennen und auffinden können. Damit bleibt noch die Frage, wie schnell und wie sicher die Hunde Käferbäume finden können. Erfahrungen aus Suchen in Österreich haben gezeigt, dass in einem einfachen Gelände mit wenig oder keinem Unterwuchs, der Hund eine Fläche von bis zu 10 Hektaren pro Stunde absuchen kann. Sind die Hunde gut ausgebildet, dann finden sie in dieser Fläche bis zu 90 % der befallenen Bäume, wobei es für die Hunde kein Problem ist, den befallenen Baum stammgenau anzuzeigen. Handelt es sich bei dem Befall allerdings um ein Käfernest, wird die Sache ein wenig komplizierter. Im Käfernest steht der Hund in einer riesigen Geruchswolke aus Pheromonen und kann keine bestimmte Geruchsquelle ausmachen. Er muss also lernen, sich zu entscheiden und entweder irgendeinen Baum in dieser Geruchswolke anzuzeigen oder sich an den Rand der Wolke vorzuarbeiten, um dann anzuzeigen. In diesem Fall kommt dann der Mensch zum Einsatz, der die Bäume in diesem Bereich optisch kontrolliert und damit das Ausmass des Käfernests feststellen kann. Theoretisch wäre es auch noch möglich, nach Entfernen der Käferbäume diese Massnahme mit dem Hund zu kontrollieren, um zu sehen, ob wirklich alle befallenen Bäume entfernt wurden. Dazu gibt es allerdings noch keine Erfahrungen. Ein weiterer wesentlicher Vorteil, der in erster Linie bei der Kontrolle von Schutzwäldern zum Tragen kommt, ist die ausgezeichnete Geländegängigkeit des Hundes. In steilen Hanglagen, in denen ein Begehen mit Gefahren verbunden ist, kann der Hund ein wertvoller Helfer sein, der diesen Bereich absucht. Erst wenn er etwas gefunden hat, muss sich der Mensch zum Käferbaum vorarbeiten, wodurch eine mögliche Absturzgefahr minimiert wird.

Man rechne

Am Ende sprechen dann die Kosten für sich. Die Erfahrungen zeigen, dass ein menschlicher Absucher etwa 60 % der befallenen Bäume findet und für einen Hektar Fichtenforst etwa eine Stunde braucht. Dem gegenüber steht ein Borkenkäfersuchhundeteam, das etwa 90 % der befallenen Fichten findet und bis zu 10 Hektaren pro Stunde absuchen kann. Und auch wenn man für das Suchhundeteam einen etwas höheren Stundensatz veranschlagt, belaufen sich die Gesamtkosten am Ende nur auf etwa 75 % eines menschlichen Absuchers.

Auch wenn es am Anfang ein wenig skurril erscheint, Hunde zur Suche nach Borkenkäfern einzusetzen, so macht es am Ende sogar ökonomisch Sinn. Eines muss allerdings klar sein, der Hund ist keine Wunderwaffe im Kampf gegen den Borkenkäfer. Aber er ist ein Puzzleteil, das helfen soll, die vom Borkenkäfer im Wald verursachten Schäden so gering wie möglich zu halten.

Dr. Leopold Slotta-Bachmayr ist Zoologe, Hundeführer und -trainer sowie Autor von Büchern, unter anderem über die Arbeit mit Hunden.

Arbeitsgemeinschaft BoDogs – www.bodogs.org

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