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"Bündnerwald" August 2022

Der Zunderschwamm -"Förster" des Buchenwaldes

Der Zunderschwamm gehört mit seiner stattlichen Grösse sicherlich zu den bekanntesten holzbewohnenden Pilzarten. Als «Förster» des Buchenwaldes wie auch als «Feuerzeug» der Steinzeit prägt er Wälder und Menschen in Europa seit Jahrhunderten mit. In diesem Artikel werden der Pilz selbst sowie seine Verbindungen mit den Bäumen, uns Menschen und anderen Lebewesen ausführlich vorgestellt. Autor: Stefan Blaser

Der Zunderschwamm – «Förster» des Buchenwaldes

Der Zunderschwamm gehört mit seiner stattlichen Grösse sicherlich zu den bekanntesten holzbewohnenden Pilzarten. Als «Förster» des Buchenwaldes wie auch als «Feuerzeug» der Steinzeit prägt er Wälder und Menschen in Europa seit Jahrhunderten mit. In diesem Artikel werden der Pilz selbst sowie seine Verbindungen mit den Bäumen, uns Menschen und anderen Lebewesen ausführlich vorgestellt.

 

Autor: Stefan Blaser

 

1. Der Zunderschwamm in der Natur – Herrscher des Buchenwaldes

Lassen Sie uns gedanklich in einem kühlen, feuchten Buchenurwald Mitteleuropas längst vergangener Zeiten lustwandeln. Nebst Buchen jeglichen Alters fallen an vielen lebenden sowie stehenden und liegenden toten Bäumen zahlreiche grosse Konsolen eines grauen, harten Pilzes auf. Gelegentlich krachen grosse, dicke Äste ohne Vorwarnung herunter – sein Werk. Der Zunderschwamm dominiert und bewirtschaftet diesen Wald. Er haust im Inneren alter Bäume und bringt diese schliesslich zum Absterben. In den entstandenen Lichtungen drängen Jungbuchen nach langem Schattendasein dem Licht entgegen. Das allgegenwärtige tote Holz wird von ungestümem Leben vereinnahmt. Myriaden von Pilz-, Käfer-, Ameisen-, Schnecken-, Flechten-, Moos- und Milbenarten besiedeln die toten Stämme und profitieren von der darin über viele Jahrzehnte gespeicherten Sonnenenergie.

Als sich der Mensch immer stärker ausbreitete, Wälder rodete und Bäume zur Holzgewinnung nutzte, wurde der Zunderschwamm seiner Arbeit zunehmend beraubt. Die Buchen wurden im besten Alter geerntet, lange bevor der Zunderschwamm übernehmen konnte. Ebenso waren seine Fruchtkörper zeitweise sehr begehrt und wurden häufig gesammelt und genutzt (siehe Kapitel 3). Die Folgen davon sind auch in der Schweiz sichtbar. Daten von SwissFungi zeigen, dass zum Zunderschwamm lange Zeit nur wenige Funde pro Jahr gemeldet wurden und erst seit etwa 2015 ein deutlicher Anstieg erfolgte

(Abb. 1).

Fundmeldungen anderer Porlinge, wie etwa der Schmetterlingstramete oder des Rotrandigen Baumschwamms, sind im Gegensatz dazu nach der Einrichtung und dem Bekanntwerden des Datenzentrums SwissFungi um die Jahrtausendwende sprunghaft angestiegen (Abb. 1). Der für lange Zeit stark zurückgedrängte Zunderschwamm scheint sein ursprüngliches Revier also allmählich wieder zurückzuerobern. Ob dies mit dem zunehmenden Bewusstsein für den Wert des Totholzes und der naturnahen Waldbewirtschaftung zu tun hat? Auch Naturwaldreservate mit Prozessschutz sowie Alt- und Totholzinseln, in denen Bäume wieder eines natürlichen Todes sterben dürfen, könnte dabei eine entscheidende Rolle zukommen.

 

2. Morphologie und Biologie des Zunderschwammes

Der Zunderschwamm, mit wissenschaftlichem Namen Fomes fomentarius, kommt auf der ganzen Nordhalbkugel der Erde von der Mittelmeerklimazone bis in den hohen Norden vor. Er bildet mehrjährige, äusserst harte Fruchtkörper aus

(Abb. 3).

Diese werden oft bereits hoch oben in lebenden Bäumen an starken Ästen oder am Stamm gebildet, wachsen aber an liegendem Totholz noch lange weiter. Die seitlich breit am Holz ansitzenden bis zu 30 cm grossen, hufförmigen Konsolen sind auf der Oberseite jung, oft rötlichbraun, bald aber grau bis fast weiss gefärbt. In der grauen, glatten und harten Kruste

(Abb. 2)

versteckt sich der rote Farbstoff Fomentariol, welcher mit Laugen herausgelöst werden kann. Im Querschnitt zeigt der Pilz geschichtete Porenlagen und darüber eine gleichmässige, samtige, rehbraune Tramaschicht (Abb. 2).

Am Anwachspunkt lässt sich zudem ein braunweisslich marmoriertes Gewebe ausmachen, welches als Mycelialkern bezeichnet wird (Abb. 2). Dieses auffällig unterschiedliche Gewebe wird in Form einer kleinen Knolle ausgebildet, wenn der Fruchtkörper zu wachsen beginnt. An dieser Knolle bildet sich dann das übrige Fruchtkörpergewebe aus. Auf der graubraunen Unterseite befinden sich winzige Poren mit etwa 0.2 bis 0.3 mm Durchmesser. Auf der gesamten inneren Oberfläche dieser durch die Poren gebildeten Hohlzylinder werden Sporen produziert. Bis zu 887 Millionen davon werden pro Stunde freigesetzt (Buchwald 1938) und fallen dann aus den Poren heraus in den freien Luftraum. Diese nur 0.02 mm langen, spezialisierten Pilzzellen werden vom geringsten Wind erfasst und oft weit getragen. Sofern sie an einer geeigneten Stelle landen, besiedeln sie wieder neue Wirtsbäume. Bevorzugte Wirte des Zunderschwamms sind die Buche in Mitteleuropa sowie die Birke in Nordeuropa. Anderswo können andere Laubbäume als Wirte dominieren.

Über Verletzungen (z. B. gebrochene oder abgesägte Starkäste) dringen Sporen in das Kernholz lebender Wirtsbäume ein und beginnen dort ihr Wachstum. Das Kernholz enthält keine lebenden Zellen und kann damit ohne aktive Gegenwehr des Baumes nach und nach vom Pilz besiedelt und zersetzt werden. Als sogenannter Simultanfäuleerreger kann der Zunderschwamm beide Hauptbestandteile des Holzes, namentlich die Zellulose und das Lignin, gleichzeitig abbauen. Das Holz verfärbt sich dadurch weiss und verliert seine Zähigkeit. Es wird spröde und lässt sich bei fortgeschrittener Zersetzung sehr leicht brechen. Hat sich der Pilz erst mal am Kernholz gestärkt, versucht er auch lokal in das lebende, saftführende Splintholz vorzudringen. Dort allerdings muss er mit aktiver Gegenwehr rechnen und es kommt buchstäblich zum Kampf. Ist der Wirtsbaum gesund und kräftig, kann er den Angreifer lange in Schach halten und zudem durch äusseres Dickenwachstum die inneren Schäden kompensieren. Letztendlich aber wird der Kampf zugunsten des Pilzes entschieden und es kommt zum Absterben oder, durch die stark ­reduzierte Holzzähigkeit, zum Bruch des Baumes. Fällt der Baum, ist der Zunderschwamm-Fruchtkörper bestens darauf vorbereitet. Rasch erkennt er seine neue Lage am Baum und verändert sein Wachstum so, dass die Poren wieder nach unten orientiert sind (Abb. 3). Dieses Verhalten, in der Fachsprache Gravitropismus genannt, ist in der Natur sehr weit verbreitet. Unbekannt ist ­allerdings, wo genau der Zunderschwamm die dafür notwendigen Sensoren hat und wie diese funktionieren.

 

3. Mensch und Zunderschwamm

Das berühmteste Beispiel für eine sehr weit in die Menschheitsgeschichte zurückreichende Nutzung des Zunderschwammes liefert wohl die etwa 5000 Jahre alte Gletschermumie «Ötzi». Der Steinzeitmann trug zu Lebzeiten Stücke des Birkenporlings und Zunderschwamms mit sich. Weitere archäologische Fundstätten aus der Steinzeit bestätigen, dass Zunderschwämme bereits seit über 11 000 Jahren genutzt werden (Peinter et al. 1998). Der Name des Pilzes verrät sogleich den wichtigsten Verwendungszweck aus dieser Zeit. Klopft man die oben erwähnte Trama weich, erhält man einen lockerfilzigen Zunder, welcher durch kleinste Funken, erzeugt etwa mit einem Feuerstein, leicht zum Glimmen gebracht werden kann. Zudem lässt sich in ausgehöhlten Fruchtkörpern die Glut längere Zeit erhalten und damit weit transportieren. Wahrscheinlich wurde der Pilz zudem schon sehr früh für medizinische und spirituelle Zwecke genutzt.

Betrachten wir die jüngere Menschheitsgeschichte, wurden für drei Anwendungen besonders viele Fruchtkörper geerntet. Diese haben daher auch dazu beigetragen, den Zunderschwamm zeitweise stark zu dezimieren. Das weichgeklopfte Gewebe wurde als saugfähige Tamponade in der Zahnmedizin und Gynäkologie eingesetzt und dünne Scheiben der Fruchtkörper wurden als Wundauflagen verwendet. Bei diesen beiden Anwendungen profitierte man von den durch den Pilz gebildeten antibiotischen und blutstillenden Substanzen. Ausserdem wurde die Trama zu einem lederartigen, robusten Material verarbeitet, aus welchem sich Hüte, Handschuhe, Brieftaschen und Ähnliches herstellen liessen. Dieses recht aufwendige Handwerk wird, etwa in Rumänien, bis zur heutigen Zeit in kleinem Umfang betrieben. Die Erzeugnisse dienen in erster Linie als Souvenirs für Touristen. Zwar sind natürliche Lederersatzmaterialien sehr gefragt, allerdings erreicht die mögliche Erntemenge beim Zunderschwamm keinesfalls grossindustrielle Massstäbe. Hingegen wird daran geforscht, mit Hilfe des Zunderschwammes nachhaltige, biologisch abbaubare Verbundstoffe aus Sägespänen, Hanf- oder Rapsstroh herzustellen (Pohl et al. 2022).

In unterschiedlichen Kulturkreisen wurde der Pilz für weitere, recht unterschiedliche medizinische Zwecke benutzt, so zum Beispiel bei Blasenleiden, Lungenerkrankungen und verschiedenen Krebserkrankungen. Als Vitalpilze bezeichnet, werden der Zunderschwamm und verschiedene andere Pilzarten seit einiger Zeit mit diversen Heilversprechen intensiv vermarktet. So soll der Zunderschwamm etwa das Immunsystem stärken. Die vielversprechenden Anwendungen rücken diese Pilze verstärkt in den Fokus der Wissenschaft. Beim Zunderschwamm konnte etwa gezeigt werden, dass ein Pilzextrakt Brustkrebszellen zum Absterben bringen kann oder gegen Entzündungen wirksam ist (Gáper et al. 2016). Der oben angesprochene Farbstoff Fomentariol in der Kruste wird wegen seiner antidiabetischen Eigenschaften genauer untersucht (Djajic´ et al. 2018). Leider gibt es generell erst wenige wissenschaftliche Studien, und insbesondere kaum klinische Studien beim Menschen. Es bedarf noch grosser Anstrengungen sowie des Interesses bedeutender Pharmaunternehmen, um das medizinische Potenzial dieser Arten vollumfänglich untersuchen zu können (Gründemann et al. 2020).

 

4. Biologische Interaktionen

Der Zunderschwamm bereitet das Holz mit seiner zersetzenden Aktivität für viele Insekten, aber auch für andere Pilze vor. So wächst der kleine Porling mit dem wissenschaftlichen Namen Antrodiella pallescens

(Abb. 4)

ausschliesslich auf Holz, welches vom Zunderschwamm abgebaut wird. Ob es sich hierbei allenfalls auch um eine parasitische Beziehung handelt, ist noch unerforscht. Trichoderma fomiticola ist eine Pilzart, die, wie der Name andeutet, ausschliesslich auf den Poren alter Fruchtkörper des Zunderschwammes zu finden ist.

Für viele Insekten ist auch der Zunderschwamm-­Fruchtkörper Brutstätte und Nahrungsquelle in einem. So konnten in einer norwegischen Studie 35 verschiedene Käferarten in Fruchtkörpern des Zunderschwammes gefunden werden (Rukke 2002). Zu den am häufigsten nachgewiesenen Arten gehörte der Kerbhalsige Zunderschwamm-Schwarzkäfer (Bolitophagus reticulatus)

(Abb. 5).

In einer Dreijahresstudie in Kanada wurden 152 Arthropodenarten (Spinnentiere, Krebstiere, Tausendfüssler und Insekten) auf oder in Zunderschwamm-Fruchtkörpern gefunden (Matthewman and Pielou 1971). Darunter sind etliche Arten, die sich von den Fruchtkörpern ernähren oder darin Schutz finden, sowie zahlreiche Parasiten und Fressfeinde dieser Arten. Dies veranschaulicht eindrücklich die Vielfalt und Komplexität der Natur und zeigt die zahlreichen Verflechtungen auf, die viele Organismen auf Gedeih und Verderb miteinander verbinden. Naturnahe, totholzreiche Wälder erhalten nicht nur diese Netzwerke des Lebens, sondern sichern uns auch das biologische Material, aus welchem vielleicht in Zukunft wichtige Medikamente oder Materialien gewonnen werden können.

 

 

Stefan Blaser arbeitet in der Forschungsgruppe Biodiversität bei der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).

 

Literatur

Buchwald N. F. 1938: On the size of the spore production of the tinder fungus, Polyporus fomentarius (L.) Fr. Friesia 2 (1): 42 – 69.

Djajic´ N., Golubovic´ J., Ravnikar M., Žigon D, Štrukelj B., Otaševic´ B. 2018. Isolation and Determination of Fomentariol: Novel Potential Antidiabetic Drug from Fungal Material. Journal of Analytical Methods in Chemistry, 2018:1 – 9.

Gáper J., Gaperova S., Pristas P., Náplavová K. 2016. Medicinal Value and Taxonomy of the Tinder Polypore, Fomes fomentarius (Agaricomycetes): A Review. International Journal of Medicinal Mushrooms 18(10):851 – 859.

Gründemann C.; Reinhardt J.K.; Lindequist U. 2020. European Medicinal Mushrooms: Do They Have Potential for Modern Medicine? – An Update. Phytomedicine 66: 153131

Matthewman W.G., Pielou D.P. 1971. Arthropods inhabiting the sporophores of Fomes fomentarius (Polyporaceae) in Gatineau Park, Québec. The Canadian Entomologist 103 (6): 775 – 847.

Peintner U., Pöder R., Pümpel T. (1998) The Iceman’s fungi. Mycol Res 102:1153 – 1162

Pohl C., Schmidt B., Nunez Guitar T., Klemm S., Gusovius H.J., Platzk S., Kruggel-Emden H., Klunker A., Völlmecke C., Fleck C., Meyer V. 2022. Establishment of the basidiomycete Fomes fomentarius for the production of composite materials. Fungal Biol Biotechnol 9: 4.

Rukke B.A. 2002. Fungivorous beetles in basidiocarps of Fomes fomentarius respond differently to microhabitat variables. Eur. J. Entomol. 99: 43 – 52.

Porlinge an Lärchen, Edelsteine und Sorgenkinder im Bündner Wald

Nach Angaben von Swissfungi sind 156 Porlingsarten aus dem Kantonsgebiet von Graubünden nach-gewiesen. Die Rote Liste der gefährdeten Grosspilze stuft davon 16 Arten als gefährdet, 11 Arten als verletzlich ein. Der Lärchen-Baumschwamm ist zudem eine national geschützte Art gemäss NHV-Anhang. Während der Lärchen-Baumschwamm als Heilpilz eine wichtige Rolle spielte, ist der Berg-Schwefelporling wohl eher ein Schädling, über weitere typische Lärchenporlinge ist noch wenig bekannt. Autor: Beatrice Senn-Irlet

Porlinge an Lärchen, Edelsteine und Sorgenkinder im Bündner Wald

 

Nach Angaben von Swissfungi sind 156 Porlingsarten aus dem Kantonsgebiet von Graubünden nach-gewiesen. Die Rote Liste der gefährdeten Grosspilze stuft davon 16 Arten als gefährdet, 11 Arten als
verletzlich ein. Der Lärchen-Baumschwamm ist zudem eine national geschützte Art gemäss NHV-Anhang. Während der Lärchen-Baumschwamm als Heilpilz eine wichtige Rolle spielte, ist der Berg-Schwefelporling wohl eher ein Schädling, über weitere typische
Lärchenporlinge ist noch wenig bekannt.

 

Autor: Beatrice Senn-Irlet

 

Porlinge sind holzbewohnende Pilze mit meist ansehnlichen Fruchtkörpern und einer Porenschicht auf der Unterseite, worin sich die sporenproduzierende Schicht, das Hymenium, befindet. Die meisten Porlinge sind von harter holzartiger oder zumindest korkartiger Konsistenz. Sehr viele Arten sind mehrjährig. Mit wenigen Ausnahmen leben Porlinge von nicht-lebendem Kernholz und können somit die lebenden Gewebe nicht angreifen und dadurch keinen direkten Schaden verursachen. Die meisten Fruchtkörper sind an liegendem Stamm- und Astholz zu finden.

Nur wenige Arten wie der Wurzelschwamm (Heterobasidion annosum), der Rotrandige Baumschwamm (Fomitopsis pinicola) und der Feuerschwamm (Phellinus igniarius) an Laubbäumen vermögen die lebenden Teile eines Baums zu besiedeln und zu schädigen, manchmal bis zum Absterben.

Porlinge verursachen arttypisch Braun- oder Weissfäule. Von den Porlingen mit grossen Fruchtkörpern ist bekannt, dass ein einzelnes Individuum den ganzen Stamm besiedeln kann und daran mehrere Einzelfruchtkörper produzieren kann. Meist lebt das Mycel über viele Jahre im Kernholz, ohne dass Fruchtkörper gebildet werden.

Porlinge spielen im Ökosystem eine wichtige Rolle als Saprophyten, als Abbauer von Totholz. Insbesondere Braunfäulereste am Boden sind sehr stabil und überdauern Jahrhunderte. Sie erhöhen die Wasserspeicherkapazität und ermöglichen damit das Wachstum von Jungpflanzen und von Ektomykorrhiza­pilzen. Die Fruchtkörper sind Nahrung und Brutstätte für eine Vielzahl von Insekten und erweitern damit das Nahrungsangebot in der Nahrungskette.

Porlinge sind in allen Waldstandorten zu erwarten, allerdings nicht in allen Waldstrukturen. Es sind in der Regel alte, oft irgendwie bereits geschädigte Bäume, an welchen die Fruchtkörper der weniger häufigen Arten erscheinen. Naturwaldreservate sind wichtig, aber auch ausserhalb gibt es kleinstandörtliche Strukturen, die für solche Porlinge vorteilhaft sind: Blitzeinschläge, Windwurf, Steinschlag, Schneebruch, Eisbruch, Hagel führen an Bäumen zu Verletzungen, an welchen sich diese Pilze ansiedeln und ins Kernholz vordringen können.

 

Lärchen-Baumschwamm, Lärchenschwamm, Apothekerschwamm (Laricifomes officinalis)

Der Lärchenporling war über Jahrhunderte der wohl bekannteste Heilpilz der Alpen. Er gehört zu den 1000 Arzneimitteln, die der griechische Arzt Dioskorid bereits im ersten Jahrhundert vor Christus beschreibt. Er soll bei Lungenkrankheiten einschliesslich Tuberkulose und Asthma helfen. Bis vor wenigen Jahrzehnten wurde dieser Porling auch in der Schweiz gesammelt. Er wächst ausschliesslich an Lärchen.

Die Fruchtkörper sind konsolen- bis hufförmig, alt auch lang zylindrisch, 10 bis 15 cm breit, 10 bis 20 cm lang, 5 bis 15 cm vom Substrat abstehend; die Oberseite bei jungen Fruchtkörpern ist creme-weiss und ohne Kruste, alt grau bis grau-schwarz, stark rissig, angedeutet wellig gezont, der Rand stumpf, wulstig, creme-weisslich bis bräunlich, ­Unterseite mit creme-farbiger bis gelblich-orange-­brauner Porenschicht. Die Poren sind rundlich-­eckig, 2 bis 4 pro mm, mit einer Röhrenlänge von 5 bis 10 mm. Das Fleisch ist brüchig, weich, kreidig, weiss. Der Geruch ist mehlartig und der Geschmack stark bitter.

Der Lärchenporling kann sehr alt werden. Aus Nordamerika sind Fruchtkörper bekannt, die mindestens 50-jährig sind und bis 7 Kilogramm schwer wiegen.

Der Lärchenschwamm erzeugt Braunfäule. Seine Fruchtkörper erscheinen vor allem an abgestorbenen Teilen von stehenden Lärchenstämmen, in Stammwunden, oft in einigen Metern Höhe gelegentlich auch an toten, liegenden Stämmen und Stümpfen. Astbrüche und Blitzschläge mögen Ursachen der Wunden sein und ermöglichen die Besiedlung durch den Pilz. Mit dem Lärchenschwamm infizierte Bäume können noch Jahrzehnte leben. Alle bekannten Fundorte in der Schweiz liegen im Bereich des subalpinen Arven-Lärchenwaldes, meist in der Nähe der Waldgrenze. Ausserhalb des natürlichen Lärchenareals ist er kaum zu finden.

In Graubünden ist der Lärchenporling insbesondere im Engadin zu finden. Standorte im Fextal oder in der Nähe der Bahnstation Punt Muragl/Staz wurden von ausländischen Touristen gemeldet.

Der Lärchenporling geniesst in der Schweiz den Status einer geschützten Art gemäss NHV-­Anhang.

In der Roten Liste der gefährdeten Grosspilze der Schweiz ist die Art als «verletzlich» klassiert, aufgrund des engen Verbreitungsgebiets und der insgesamt kleinen Population. Wegen des sehr langsamen Wachstums und der sehr langsamen Ausbreitung ist die Population durch Sammeln und Zerstören der Fruchtkörper sowie durch Fällen der Wirtsbäume (neben forstwirtschaftlichen Eingriffen, Rodungen für Infrastrukturbauten) gefährdet. Aufgrund der weltweiten Seltenheit steht die Art gar auf der Roten Liste der weltweit gefährdeten Arten (IUCN 2019) in der Kategorie «gefährdet». Die Schweiz hat somit eine Verantwortung für die Erhaltung einer dauerhaften Population.

 

Berg-Schwefelporling (Laetiporus montanus)

Die Fruchtkörper sind einjährig, muschelförmig, sitzend oder kurz gestielt, bis 30 cm breit, 3 bis 20 cm vom Substrat abstehend und die einzelnen Lappen 1 bis 3 cm dick. Die Oberseite ist leuchtend orange, im Alter ausbleichend zu blass braun. Die Unterseite mit eckigen Poren, 1 bis 4 pro mm, leuchtend schwefelgelb, im Alter hellbraun. Frische Fruchtkörper sind saftig und weich, ältere trocken spröde und kreideartig. Geschmack jung mild, dann mit zunehmendem Alter bitter.

Der Schwefelporling mit den grossen, gelben oder orangegelben, weichfleischigen Fruchtkörpern ist eine leicht und sicher erkennbare Art, die in der Schweiz insbesondere aus Obstgärten und von Weiden entlang von Gewässern bekannt ist. Der Schwefelporling an Laubbäumen (Laetiporus sulphureus) kann beträchtlichen ökonomischen Schaden erzeugen, da er die befallenen Bäume innert wenigen Jahren zum Absterben bringt, indem er eine aggressive Braunfäule erzeugt.

Im Gebirgswald, in Höhen über 1000 Metern, tritt ein Schwefelporling ebenfalls gelegentlich auf, dies über­wiegend an Lärchen, selten an Arve oder ­Fichte.

Schon seit einiger Zeit wurde vermutet, dass die Schwefelporlinge an Nadelbäumen der zentraleuropäischen Gebirgswälder eine eigene Art sein könnten, da sich in den Sporengrössen kleine Unterschiede zeigen. In Kulturversuchen zeigten sich die Mycelien von Laubholzisolaten inkompatibel mit solchen von Nadelholzisolaten. Molekulargenetische Untersuchungen haben dies nun bestätigt. Somit kennen wir nun zwei Schwefelporlinge in der Schweiz: der Gemeine Schwefelporling (Laetiporus sulphureus) mit den leuchtendgelben, zitronengelben Fruchtkörpern an Laubbäumen, öfters in Obstgärten anzutreffen, zudem ein Kardinalschädling in städtischen Gebieten und imstande, das dauerhafte Holz von Eibe und Kastanie abzubauen. Und als selbständige Art der Berg-Schwefelporling an Nadelholz, insbesondere Lärchen. Während das Wirken des Gemeinen Schwefelporlings gut untersucht ist, lassen sich keine Untersuchungen zur spezifischen Lebensweise des Berg-Schwefelkopfes finden. Eigene Beobachtungen zum Verhalten des Berg-Schwefelporlings sind somit willkommen.

 

Lärchen-Lackporling (Ganoderma valesiacum)

Die Fruchtkörper sind einjährig, in Stiel und Hut gegliedert, der Hut ist halbkreis- bis fächerförmig, bis 15 cm im Durchmesser, mit einer glänzenden, rotbraunen oder orangebraunen Hutoberfläche, welche zum Rand hin gefurcht-runzelig ist, in der intensiven Wachstumsphase mit einem weissen randlichen Wulst, die Porenschicht auf der Unterseite ist weiss und weist 3 bis 6 Poren pro mm auf. Der Stiel ist seitlich und stets nur sehr kurz oder gar fehlend, ebenfalls mit einer glatten und glänzenden, rotbraunen Kruste.

Die Harzschicht kann mit Feuerzeugflamme zum Schmelzen gebracht werden. Im Schnitt ist der Kontext weiss bis blass ocker, korkig, die Röhrenschicht blass braun. Trocken sind die Fruchtkörper auffallend leicht.

Im Gebirgsnadelwald der subalpinen Stufe tritt der Lärchen-Lackporling nur zerstreut auf, aus Graubünden liegen nur wenige Beobachtungen vor. Die Fruchtkörper erscheinen vor allem an Stümpfen und erzeugen Weissfäule. Einzelfunde von der Stammbasis lebender Bäume sind in der Literatur zu finden. Über die Abbaukapazitäten ist noch nichts bekannt, ebenso wenig, ob diese Art auch in lebendes Holz übergehen kann. Und falls Letzteres wirklich möglich sein sollte, so bleibt die Art als Holzschädling ganz sicher unbedeutend.

Der Lärchen-Lackporling – auch Walliser Lackporling genannt – wurde 1894 vom französischen Apotheker und Mykologen Emil Boudier aufgrund eines Fundes auf der Riffelalp ob Zermatt an einem Lärchenstumpf beschrieben, zusammen mit Eduard Fischer, dem damaligen Botanik- und Mykologieprofessor der Universität Bern.

Die Art gehört zu einem Formenkreis von Lackporlingen – Reishi genannt –, die in Asien als traditionelle Medizin weite Verwendung finden. Reishi gilt insbesondere in der traditionellen chinesischen Medizin als «Pilz des ewigen Lebens». Asiatische Lackporlinge werden gezüchtet und zahlreiche biologisch wirksame Inhaltsstoffe wurden bereits gefunden. Eine Studie zu Inhaltsstoffen an Fruchtkörpern diverser Lackporlinge aus dem Karpaten-Becken ergab, dass unter den europäischen Lackporlingen ausgerechnet der Lärchen-Lackporling die stärksten antibakteriellen Eigenschaften zeigt. Ein Geheimtipp also bei der Suche nach Naturheilmitteln?

 

Knochenharter Porling (Osteina obducta, Oligoporus obductus)

Die Fruchtkörper sind einjährig, in Stiel und Hut gegliedert, mehrere miteinander verwachsen oder dachziegelig übereinander wachsend, seitlich kurz gestielt, seltener sitzend, Hut halbkreisförmig bis fächerig, bis 12 × 13 × 2 cm, mit scharfem Rand, Oberseite weiss bis graubraun, ungezont, glatt, Unterseite weiss, mit eckigen Poren, 3 bis 5 pro mm, Röhrenlänge bis 3 mm, frisch zäh, trocken knochenhart und mit dem Alter brüchig. Der Geschmack ist mild.

Der Knochenharte Porling ist in der Schweiz fast ausschliesslich an Lärchen beobachtet worden, und dies insbesondere an Stümpfen. Er ist ein Braunfäuleerreger. Seine Vorkommen erstrecken sich mit wenigen Ausnahmen auf die Gebirgskantone Wallis, Tessin und Graubünden. Die Art ist aus dem Alpenraum, Nordamerika, Russland und Japan bekannt und überall eher selten. Das Vorkommen der auffälligen, relativ grossen Fruchtkörper an Stümpfen deutet darauf hin, dass der Pilz bereits den stehenden Stamm besiedelt hat und sich wohl wie andere Porlinge im Kernholz eingenistet hat. Über die Strategie der Holzzersetzung, über das Holzzersetzungsmuster, die Art der Kolonisation (Sporen oder Wurzelkontakte) und die Lebensdauer ist nichts bekannt. In «Genbank», eine der grössten DNA-Sequenzierdatenbanken, betrieben vom US-amerikanischen National Center for Biotechnology Information, finden sich keine Daten aus Europa, weder von Fruchtkörpern, noch von Umweltbeobachtungen wie Sporenfallen und Wasserproben, sogenannter e-DNA.

 

Literatur

Boudier, E.; Fischer, E. 1894. Rapport sur les espèces des Champignons trouvées pendant l’assemblée à Genève etc. Bulletin de la Société Botanique de France. 41: CCXXXVII–CCXLIX.

Papp, V; Geösel, A; Ero´´s-Honti, Z. 2012. Native Ganoderma species from the Carpathian basin with the perspective of cultivation review. Acta alimentaria 41 (Suppl. 1), 160 – 170.

Rogers, S.O., Holdenrieder, O., Sieber T.N. 1999. Intraspecific comparisons of Laetiporus sulphureus isolates from broadleaf and coniferous trees in Europe. Mycol. Res. 103 (10): 1245 – 1251.

Schwarze, F.W.M-R., Engels, J., Mattheck C. 1999. Holzzersetzende Pilze an Bäumen. Rombach Verlag.

Tomšovský, M., Jankovský, L. 2008. Validation and typification of Laetiporus montanus. Mycotaxon 106, 289 – 295.

Mykorrhizapilze- die geheimen Helfer im Wald

Meist gut versteckt im Boden lebt eine Vielzahl von Helfern an den Wurzeln unserer Waldbäume. Es sind die Mykorrhizapilze. Sie durchdringen den Boden, vernetzen die Bäume, liefern ihnen Nährstoffe und Wasser und erhalten im Austausch dafür Zucker. Es ist eine enge Lebensgemeinschaft, die beiden Partnern, Baum wie Pilz, dient und ohne die beide wohl nicht überlebensfähig wären. Autor: Martina Peter, Artemis Treindl

Mykorrhizapilze - die geheimen Helfer im Wald

 

Meist gut versteckt im Boden lebt eine Vielzahl von Helfern an den Wurzeln unserer Waldbäume. Es sind die Mykorrhizapilze.

Sie durchdringen den Boden, vernetzen die Bäume, liefern ihnen Nährstoffe und Wasser und erhalten im Austausch dafür Zucker.

Es ist eine enge Lebensgemeinschaft, die beiden Partnern, Baum wie Pilz, dient und ohne die beide wohl nicht überlebensfähig wären.

 

Autor: Martina Peter, Artemis Treindl

 

Einleitung

Obwohl meistens gut versteckt, sind Pilze allgegenwärtig und erfüllen unterschiedliche Funktionen in der Natur. Was wir von ihnen sehen, ist oft nur die Spitze des Eisbergs, nämlich der zur Vermehrung gebildete Fruchtkörper dieser Lebewesen. Er ist vergleichbar mit einem reifen Apfel, der nur einen kleinen Teil eines Baums darstellt. Der grösste Teil dieser Organismen lebt als fädiges Geflecht im Boden oder in anderen Substraten wie Holz, Gräsern oder verschimmelten Esswaren. Im Wald spielen Pilze drei fundamentale Rollen: Die saproben Pilze, die sich von totem organischem Material ernähren, zersetzen Holz und Streu und setzen so die Nährstoffe darin wieder frei. Parasitische Pilze leben auf Kosten von lebenden Organismen wie Bäumen. Sie können diese schwächen oder gar abtöten und spielen so eine wichtige Rolle in der Dynamik der Wälder. Die dritte Gruppe der Pilze schliesslich lebt in einer engen Lebensgemeinschaft mit Bäumen und anderen Pflanzen

(Abb. 1).

Dies sind die sogenannten Mykorrhizapilze. In diesem Beitrag gehen wir auf diese faszinierende Symbiose ein, in der 90 Prozent aller Pflanzenarten leben, die es seit Hunderten von Millionen Jahren gibt und die wahrscheinlich die Landnahme der Pflanzen überhaupt erst ermöglicht hat.

 

Was ist eine Mykorrhiza und welche Formen gibt es?

Das Wort Mykorrhiza stammt aus dem Griechischen: «mukês» bedeutet Pilz und «rhiza» Wurzel. Eine Mykorrhiza ist also eine Wurzel, die von einem Pilz besiedelt ist und je nach Pflanzenart unterschiedliche Formen annimmt. Es gibt die Ekto­mykorrhiza, bei welcher der Pilz die Feinwurzelspitzen mit einem dichten Fadengeflecht ummantelt, zwischen die Wurzelrindenzellen eindringt und dort das sogenannte Hartig’sche Netz bildet

(Abb. 2 oben).

Bei der Endomykorrhiza bildet der Pilz keinen Mantel um die Wurzel, dringt jedoch ebenfalls in die Pflanzenzellen ein. Er bildet je nach Pflanze und Pilzkombination unterschiedliche Strukturen aus, die, wie das Hartig’sche Netz, eine grosse Austauschfläche zwischen Pilz und Pflanze schaffen. Um diese pilzlichen Strukturen der Endomykorrhiza sehen zu können, muss man sie anfärben und unter einem Mikroskop betrachten

(Abb. 2 unten).

An der Schnittstelle zwischen Pilz und Wurzel kommt es zu einem Tauschhandel: Der Pilz erhält Zucker, den die Pflanze mithilfe der Photosynthese herstellt. Im Austausch dafür bekommt die Pflanze Wasser und Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphat, die der Pilz mit seinen dünnen Fäden, Hyphen genannt, aus dem Boden aufnimmt. Da die Pilzhyphen wesentlich feiner sind als die Baumwurzeln und sie sich in einem weiteren Umkreis ausbreiten, können sie aus einem grösseren Bodenvolumen auf diese Stoffe zugreifen. Ausserdem können sie mithilfe von Enzymen Nährstoffe aus organischem Material herauslösen. Sie schützen die Bäume auch vor Schadstoffen und scheiden antibiotische Substanzen gegen wurzelpathogene Bodenorganismen aus (Egli und Brunner, 2011). Es ist also eine Win-win-Situation, von der beide Partner profitieren und ohne die beide wohl nicht überlebensfähig wären.

Die vorherrschende Mykorrhizaform in unseren Wäldern ist die Ektomykorrhiza. Zu den Ektomykorrhizapilzen gehören viele der Ständer- und Schlauchpilze, die wir gemeinhin als Waldpilze kennen, wie die Eierschwämme, Röhrlinge, Täublinge oder Trüffel. Betrachtet man jedoch alle Pflanzenarten weltweit, dann dominiert die sogenannte arbuskuläre Mykorrhiza. Dies ist eine Endomykor­rhiza, die von etwa 80 Prozent aller Pflanzenarten zusammen mit einer uralten Pilzgruppe, den Glomeromykoten, gebildet wird. Die Glomeromykoten kennt man kaum, weil sie komplett unter der Erde versteckt bleiben und sich nur als kleine Sporen im Boden zeigen. Fossilien aus dem Ordovizium und dem Devon belegen, dass es diese Pilze seit der Entwicklung der Landpflanzen vor rund 450 Millionen Jahren gibt und sie schon damals eine Endomykorrhiza-ähnliche Struktur in den wurzelähnlichen Organen der ersten Landpflanzen bildeten. Die gleiche Form findet sich auch heute noch in den urtümlichen Leber- und Hornmoosen. Man geht davon aus, dass die Landnahme der Pflanzen nur dank dieser Symbiose möglich war, da die Pilze die Wurzelfunktion der Nährstoff- und Wasseraufnahme übernahmen. Heute leben die meisten Blütenpflanzen, Gräser, Farne, Moose, Bärlappe und alle Getreidearten mit arbuskulären Mykorrhizapilzen in Symbiose. Sie spielen deshalb in der biologischen Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Aber auch viele Bäume und Sträucher, insbesondere in den tropischen und subtropischen Zonen, bilden arbuskuläre Mykorrhizen. Bei uns sind dies zum Beispiel Ahorne, Eschen, Vogelbeeren und andere Obstbäume und, als eine der wenigen Nadelbaumarten, die Eibe. Nur 2 Prozent aller Pflanzenarten, etwa 6000 Arten, bilden die Ektomykorrhiza. In den Wäldern machen diese aber 60 Prozent der Stammzahl aller Bäume weltweit aus. Wenn wir nur die Wälder ausserhalb der Tropen anschauen, dann sind es sogar 80 Prozent aller Bäume (Steidinger et al. 2019). Alle Buchenartigen und Kieferngewächse sowie einzelne Vertreter aus anderen Familien wie Linden, Pappeln oder Weiden gehören dazu, sowie alpine Spaliersträucher, die wir oberhalb der Baumgrenze noch antreffen, wie die Schweizer- und Kraut-Weide oder die Weisse Silberwurz. Im Norden und in den Alpen spielen ausserdem die Mykorrhizapilze der Heidekrautartigen eine wichtige Rolle. Diese Pilze formen Endomykorrhizen zum Beispiel mit Schnee- und Besenheiden. Die Böden in diesen hohen Lagen sind meist nährstoffarm und der Stickstoff ist in dicken organischen Auflagen gebunden. Die Mykorrhizapilze können dennoch an diesen gelangen und so eine ausgeglichene Ernährung ihrer Pflanzenpartner ermöglichen.

 

Ektomykorrhizapilze in unseren Wäldern: ihre Vielfalt und deren Rolle im Ökosystem Wald

Wenn wir in unseren Wäldern Baumwurzeln ausgraben, dann sehen wir bereits von blossem Auge, dass die feinsten Wurzeln verschiedene Farben haben können. Beim Betrachten mit einer Lupe erkennen wir, dass sie von Pilzgeflecht umhüllt sind; manchmal nur als kahler Mantel, manchmal ausgestattet mit Stacheln, Pusteln, wollig-wattigen Fäden oder fädig abziehenden Pilzsträngen

(Abb. 3, 4).

Wir finden kaum nicht-mykorrhizierte Wurzelspitzen mit Wurzelhaaren, denn unter normalen Bedingungen sind alle Feinwurzelspitzen von einer grossen Vielfalt an Ektomykorrhizapilzen (im Weiteren Mykorrhizapilze genannt) besiedelt. Es gibt mindestens 8000 verschiedene Mykorrhizapilzarten, Schätzungen aufgrund von molekularen Daten gehen sogar von bis zu 25 000 Arten weltweit aus. Davon bleiben viele versteckt im Boden, weil sie keine, nur unscheinbare oder unterirdische Fruchtkörper ausbilden. Doch viele werden auch oberirdisch sichtbar, meist im Herbst, wenn sie auffällige Fruchtkörper bilden, die wir bei einigen Arten als Speisepilze schätzen. Etwa bei einem Drittel der rund 6000 sogenannten Grosspilzarten in der Schweiz handelt es sich um Mykorrhizapilze. Fast genauso vielfältig wie die Fruchtkörper unterschiedlicher Pilzarten sind auch die Farben und Formen der Mykorrhizen – man spricht hier von Morphotypen

(Abb. 5).

Ein einzelner Baum kann mit bis zu hundert verschiedenen Mykorrhizapilzarten in Symbiose leben. Obwohl wir Morphotypen unterscheiden können und wenige Pilzarten wie zum Beispiel der Ocker-Täubling oder die Reizker auch aufgrund äusserer Merkmale an der Wurzel identifiziert werden können, brauchen wir genetische Methoden, um die Artenzusammensetzung genau bestimmen zu können. Dies gilt auch, wenn wir die Gemeinschaft der Pilzarten als Hyphen im Boden erheben möchten. Die Vielfalt der Mykor­rhizapilze in einem Waldbestand ist in der Regel hoch, variiert je nach Waldstruktur und Standortbedingungen und nimmt mit der Vielfalt der Baum­arten zu (Peter et al 2013). Meistens finden wir in einem einfachen Bestand zwischen 40 bis 60 Mykorrhizapilzarten an den Wurzeln, wobei die Zusammensetzung sowohl räumlich als auch zeitlich sehr dynamisch ist.

Verschiedene Mykorrhizapilze besetzen unterschiedliche Nischen und variieren in ihrer Fähigkeit, Nährstoffe aus dem Boden zu gewinnen. Zum Beispiel kommen je nach Bodentyp unterschiedliche Mykorrhizapilzarten in den verschiedenen Bodenschichten vor. Dies konnte anhand von Messungen der Enzymaktivitäten an Mykorrhizen nachgewiesen werden: Je nach Pilzart werden unterschiedliche Enzyme ausgeschieden, die bei der Nährstoffmobilisierung aus dem Boden wichtig sind. Einige können beispielsweise besonders gut an Stickstoff, andere eher an Phosphat gelangen. Während sich gewisse Mykorrhizapilze in den Funktionen ergänzen, scheinen andere dieselben Aufgaben zu erfüllen. Da sie aber oft an unterschiedliche Standortbedingungen angepasst sind, ergänzen sie sich räumlich oder zeitlich. Wir können daraus schliessen, dass eine hohe Vielfalt an Mykorrhizapilzen von grosser Bedeutung für die Waldbäume ist, weil die Bodenressourcen so optimal genutzt werden können. Ausserdem erlaubt eine grosse Diversität dieser Pilze es ihnen, auf sich verändernde Umweltbedingungen oder Störungen zu reagieren, indem besser angepasste Arten die wichtigen Funktionen übernehmen. Die Beeinträchtigung dieser Diversität, etwa durch Stickstoff­einträge in den Wald via Luftschadstoffe (Peter et al., 2001; de Witte et al., 2017), ist deshalb kritisch. Gerade im Hinblick auf die Klimaveränderung werden diese Symbiosepartner wahrscheinlich eine zunehmend wichtige Rolle für die Resistenz und Resilienz der Waldbäume gegenüber Stressfaktoren spielen.

 

Wirtsspezifität der Mykorrhizapilze

Viele Mykorrhizapilze sind Generalisten, das heisst, sie können mit verschiedenen Baumarten eine Symbiose eingehen. Es gibt aber auch Spezialisten, die auf bestimmte Baumgattungen oder sogar einzelne Baumarten spezialisiert sind. Beispiele dafür sind der Arvenröhrling und der Lärchenröhrling, beide gehören zu den Schmierröhrlingen. Generell finden wir mehr spezialisierte Mykorrhizapilze bei den Nadelbäumen als bei den Laubbäumen (van der Linde et al. 2018). Einigen Pilzen scheint es zudem möglich zu sein, unter bestimmten Umständen symbiotische Beziehungen mit neuen Pflanzenpartnern einzugehen, auch wenn die üblichen Baumarten nicht vorkommen. Sie können sich so auch in unerwartete Habitate ausbreiten. Ein solcher Fall wurde bei einem Steinpilz im Unterengadin untersucht. Es war bereits bekannt, dass der Steinpilz als Generalist Symbiosen mit unterschiedlichen Laub- und Nadelbaumarten eingehen kann; bei uns ist der häufigste Partner die Fichte. Überraschend war jedoch der wiederholte Fund von Steinpilzfruchtkörpern im Skigebiet Motta Naluns auf einer Höhe von 2440 Metern – weit über der Baumgrenze gelegen. Die mikroskopische und genetische Untersuchung der Mykorrhizastrukturen zeigte schliesslich, dass sich der Steinpilz einen sehr unscheinbaren und bisher unbekannten Mykorrhizapartner geschnappt hatte: die Kraut-Weide (Treindl und Leuchtmann 2019). Damit ist erwiesen, dass der Steinpilz nicht ausschliesslich auf grosse Baumarten angewiesen ist. Es konnte sogar ein neuer Höhenrekord gesetzt werden: der höchste bekannte Steinpilzfundort in den Alpen.

 

Mykorrhizapilze und das Wood-Wide-Web

Jeder Baum ist mit vielen Mykorrhizapilzen verbunden und jeder Mykorrhizapilz kann mit mehreren Bäumen, oft sogar unterschiedlichen Arten, verknüpft sein. Zusammen bilden sie ein grosses Netzwerk im Waldboden, das Wood-Wide-Web. Über dieses Netzwerk können Nähr- und Botenstoffe ausgetauscht werden. Der Stofffluss von Baum zu Pilz und von Pilz zu Baum ist erwiesen, wie viel und welche Stoffe auch von Baum zu Baum via Mykorrhizapilze fliessen, ist Gegenstand der Forschung. Einige Studien an Tomaten und Ackerbohnen haben gezeigt, dass sich Nachbarspflanzen via den Austausch von Botenstoffen über das Mykorrhiza-Netzwerk (in diesen Fällen arbuskuläre Mykorrhizapilze) vor Attacken durch Herbivoren oder Pathogene warnen können. Bei Bäumen konnte der Transfer von Zucker von Baum zu Baum in einigen Untersuchungen festgestellt werden. Es zeigte sich zum Beispiel, dass junge Sämlinge, die im Schatten älterer Bäume standen und deshalb weniger gut Photosynthese betreiben konnten, Zucker von Altbäumen erhielten. Andere, auch eigene Studien konnten diesen Transfer jedoch nicht nachweisen. Wie wichtig dieser Austausch für das Waldökosystem ist, wird deshalb erforscht. Sicher ist, dass Bäume, insbesondere junge Sämlinge, von einem bestehenden Mykor­rhizanetzwerk im Boden profitieren, selbst wenn kein Stofffluss von Baum zu Baum stattfindet. Das Netzwerk gewährleistet eine gute Versorgung von geeigneten Pilzpartnern, die den Sämlingen alle Vorteile der Mykorrhizasymbiose bieten. Ausserdem stabilisiert es den Boden, was an Hanglagen in den Alpen eine wichtige Rolle beim Schutz gegen flachgründige Rutschungen spielen kann.

 

Zusammenfassung

Seit der Landnahme vor Jahrmillionen leben fast alle Landpflanzen in Symbiose mit Mykorrhizapilzen. Rund 2000 Grosspilze gehen in unseren Wäldern diese Symbiose mit Bäumen ein, davon viele geschätzte Speisepilze. Mykorrhizapilze spielen eine zentrale Rolle in der Nährstoff- und Wasserversorgung der Bäume und profitieren vom Zucker, den sie dafür erhalten. Die hohe Vielfalt dieser Pilze gewährleistet eine optimale Nutzung der Bodenressourcen und ist wichtig für die Anpassung der Waldökosysteme an sich verändernde Umweltbedingungen. Der Schutz dieser symbiotischen Pilze, etwa durch die Reduktion von Stickstoffemmissionen, ist insbesondere im Hinblick auf die Klimaveränderung von grosser Bedeutung.

 

Martina Peter ist Leiterin der Gruppe Ökologische Genetik und erforscht an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL verschiedene Aspekte der Mykorrhizasymbiose im Wald.

 

Artemis Treindl arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Gruppe Biodiversität der WSL für das Datenzentrum SwissFungi.

 

Literatur

de Witte L.C., Rosenstock N.P., van der Linde S., Braun S., 2017. Nitrogen deposition changes ectomycorrhizal communities in Swiss beech forests. Science of The Total Environment 605 – 606: 1083 –1096.

Egli S., Brunner I., 2011. Mykorrhiza. Eine faszinierende Lebensgemeinschaft im Wald. Merkblatt für die Praxis 35. 8 S.

Peter M., Buée M., Egli S., 2013. Die Bedeutung der biologischen Vielfalt von Mykorrhizapilzen für die Funktionalität von Waldökosystemen, 176 – 186. In: Kraus, D.; Krumm, F. (Hrsg.) Integrative Ansätze als Chance für die Erhaltung der Artenvielfalt in Wäldern. European Forest Institute. 300 S.

Peter M., Ayer F., Egli S., 2001. Nitrogen addition in a Norway spruce stand altered macromycete sporocarp production and below-ground ectomycorrhizal species composition. New Phytologist 149: 311 –325.

Steidinger B.S., Crowther T.W., Liang J., Van Nuland M.E., Werner G.D.A., Reich P.B. et al., 2019. Climatic controls of decomposition drive the global biogeography of forest-tree symbioses. Nature 569: 404 –408.

Treindl A.D., Leuchtmann A., 2019. A king amongst dwarfs: Boletus edulis forms ectomycorrhiza with dwarf willow in the Swiss Alps. Alpine Botany 129, 185–189.

van der Linde S., Suz L.M., Orme C.D.L., Cox F., Andreae H., Asi E. et al., 2018. Environment and host as large-scale controls of ectomycorrhizal fungi. Nature 558: 243 –248.

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