Jörg Clavadetscher ist Betriebsleiter des Forstamts Val Müstair und arbeitet seit 39 Jahre im Wald. Seine Motivation in dieser Branche tätig zu sein ist, als Puzzleteil eines kompetenten Teams aus Forstleuten der Gemeinde, des Kantons und der Forschung in und mit der Natur die Herausforderungen der Zukunft anzugehen. Unser oberstes Ziel sollte es sein, unseren Kindern einen Wald zu hinterlassen, der auch ihnen und ihren Kindern jene Leistungen erbringen mag, die wir von ihm erwarten.
Simon Cathomen arbeitet seit seiner Lehrzeit in der Forstbranche und ist als Betriebsleiter des Technischen Betriebs der Gemeinde Disentis/Mustér tätig. Seine Motivation für diesen Beruf ist die Herausforderung, welche die Natur, der Wald, uns immer wieder aufs Neue stellt. Das Unplanbare macht unseren Alltag interessant. Wir können vieles bewirken, bei einigen Arbeiten sehen wir sofort unser Wirken, bei anderen können wir es nur erahnen. Wir Förster sind die Vertreter des Waldes.
1. Ihr bildet beide Lehrlinge aus und habt aktuell je einen Lernenden. War es schwierig, die Lehrstelle zu besetzen? Falls ja, woran liegt die Schwierigkeit?
Man ist sich einig, dass sich auf eine Ausschreibung einer Lehrstelle hin oft niemand meldet. Erfreulicherweise kann die Lehrstelle, dank «Mund zu Mund Propaganda», dann doch noch besetzt werden. Interessant ist, dass sich jener Lernende, der selbst direkt den Betrieb nach einer freien Lehrstelle anfragt, auch oft sehr motiviert an die Lehre geht und diese erfolgreich abschliesst. Vermehrt sind dies Lernende, welche bereits eine erste Lehre absolviert haben. Jörg Clavadetscher hat zurzeit einen Lernenden im ersten Lehrjahr. Sogar der erste «Grenzgänger» aus dem nahen Südtirol …
Simon Cathomen hat einen Lernenden im 3. Lehrjahr. Dieser hat bereits zwei Lehrabschlüsse in der Hosentasche. Normalerweise hätte er zwei Lehrstellen zu besetzen. Doch in den letzten drei Jahren war es eher schwierig, überhaupt einen Lernenden für die Forstwartlehre begeistern zu können. Es ist wichtig, dass jemand, der bereits eine abgeschlossene Lehre mitbringt auch dementsprechend entlöhnt wird. Der Lohn sollte kein Hindernis sein, keine zweite Lehre zu machen. Ab einem gewissen Alter möchte man ja auch auf eigenen Beinen stehen und dies ist nur möglich bei einer angemessenen Entlöhnung. Heutzutage kann man sich fast nicht mehr erlauben, angehenden Lernenden, die sich für eine Lehrstelle bewerben abzusagen. Doch klar ist auch, er oder sie sollte auch bereit sein die Forstwartlehre abzuschliessen und eine gewisse Motivation dafür aufbringen wollen.
Leider ist es heute so, dass der Druck von der Gesellschaft und der Schule, ein Studium zu absolvieren, sehr hoch ist. Bereits in der 5. und 6. Klasse [SC1] wird in den Schulen Werbung für ein Studium gemacht. Zudem hört man oft die Eltern sagen, der Beruf Forstwart/in sei ein gefährlicher Beruf. Dies hält sicherlich auch viele junge Leute davon ab, sich für diesen Beruf zu entscheiden. In beiden Regionen hat natürlich auch die tiefe Geburtenrate einen grossen Einfluss auf die Besetzung der Lehrstellen im Tal.
Simon Cathomen. (Bild: zVg)
2. Müsste an der Attraktivität der Forstwartausbildung etwas geändert werden, damit es einfacher wird, Lehrstellen zu besetzen? Wenn ja, wo seht ihr Potenzial? Habt ihr im Betrieb Änderungen bezüglich Ausbildung vorgenommen?
Beide, Jörg und Simon sind sich einig, dass die Forstwartausbildung ein breites Spektrum an verschiedenen Tätigkeiten eines Forstwarts oder einer Forstwartin abdeckt. Dies soll auch weiterhin so bleiben. Hingegen dürfte das Weiterbildungsangebot durchaus erweitert und besser bekannt gemacht werden. Wie zum Beispiel die Grundkurse für die Bedienung von Baumaschinen. Jedoch darf es auf keinen Fall Einkürzungen bei den ÜK-Tagen geben. Zudem könnte man auch bereits in der Lehre einen Lohnanreiz für gute Arbeiten schaffen. Denn weshalb soll eine gute Arbeit, welche dem Betrieb zu Gute kommt, nicht auch dementsprechend entlöhnt werden?
3. Heute leben wir im digitalen Zeitalter – spürt man eine Veränderung bei den angehenden Forstwart/innen (Generation Z) in Bezug auf die Motivation, den Arbeitseinsatz und der Lernbereitschaft?
Heutzutage ist die Freizeit sehr wichtig, so ist es nicht verwunderlich, dass sich die heutige Generation nur bis zu einem gewissen Grad mit dem Betrieb identifiziert. Vieles wird als selbstverständlich betrachtet. Oft überlassen die Jungen das Organisieren anderen. Mit diesen Ansichten blicken Jörg und Simon mit nachdenklichem Gesicht in die Zukunft. Um diesem Problem etwas entgegenzuwirken, lässt Simon die eigenen Leute, Fotos ihrer Arbeit machen, um diese dann als Beiträge in den sozialen Medien zu posten. So werden sie auf die Arbeiten, welche sie selbst ausgeführt haben, sensibilisiert und sind sich eher bewusst, was für einen grossen Nutzen (Schutzwirkung, Jungwaldpflege etc.) sie mit dieser Arbeit geleistet haben. Auch entsteht so ein Zusatznutzen, denn auch die Bevölkerung wird auf die Waldleistungen aufmerksam und sensibilisiert.
Früher gab es sogenannte Sommerjobs, wo sich die Jungen melden konnten und dabei auch einen «Bazen» verdienten. Dies hatte den Vorteil, dass sich die Jungen bereits ein Bild von gewissen Berufen machen konnten. So war die spätere Berufswahl wohl auch etwas leichter. Leider ist heutzutage die Nachfrage nach Sommerjobs zu klein, sodass dies nicht mehr angeboten wird. Auch ist es wegen den Sicherheitsvorgaben kaum mehr möglich, Kindern einen Sommerjob zu ermöglichen.
4. Wenn ihr auf eure Ausbildungsjahre zurückblickt. Hat sich seither viel verändert? Welches sind die grössten Veränderungen?
Mit ein bisschen Wehmut blickt Jörg auf seine Ausbildungsjahre zurück. Das heutige Abschlussgeschenk – die Axt der Forstwart/innen bei erfolgreich bestandener Lehre, war einst sein Werkzeug für das Entrinden von Bäumen. Dies habe er Anfang Lehrzeit etliche Stunden gemacht und der Vorteil bestand darin, dass er so seine Muskeln für die schwere körperliche Arbeit aufbauen konnte. Die Entwicklung bei der Mechanisierung bzw. Holzerei ging rasant voran und so braucht man dieses Werkzeug nicht mehr. Doch nicht nur in der Mechanisierung gab es grosse Fortschritte, auch betreffend Digitalisierung hat sich sehr viel verändert.
Simon ergänzt, durch die Mechanisierung wuchs leider auch der Leistungsdruck. Dies zum Leidtragen des schwächsten Gliedes in der Kette – dem Menschen.
Beide stellen mit Schrecken fest, dass vieles, was sie einst in ihrer Lehrzeit oder später an der Försterschule gelernt haben, in ihrem heutigen Alltag fast nicht mehr benötigt wird. Sprich, die Digitalisierung ist auch im Forst stark zu spüren.
5. In den letzten Jahren hat sich in der Forstbranche so einiges getan. Viele Betriebe wurden durch die Fusionen der Gemeinden grösser und somit auch maschinell besser ausgerüstet. Wie wirkt sich dies auf die klassischen Arbeiten (Holzerei) als Forstwart/in aus?
Klare Vorteile dank der Fusion sieht Jörg vor allem in der Schlagplanung. Es kann in grösseren Einheiten geplant werden und es können grössere Gruppen gebildet werden, da man mehr Leute zur Verfügung hat und so kann man auch flexibler handeln. So sind die Arbeiten besser aufgeteilt und jede/r Forstwart/in kann seine eigenen Fähigkeiten besser einsetzen.
Schlussendlich entscheidet aber die Politik in der Gemeinde. So auch, welcher Unternehmer den Zuschlag für den Holzschlag erhält. Da hat der Förster nur beschränkten Einfluss und muss manchmal einen anderen Entscheid akzeptieren. Es ist jedoch phasenabhängig, wie die Sympathien für den Wald liegen …
Simon ergänzt, dass er gewisse Vorteile bei der Aufrüstung des Maschinenparks sieht. Erstens wirkt sich dies positiv auf die Attraktivität des Arbeitsplatzes aus und zweitens ist man sehr flexibel mit der Arbeitseinteilung. Im Winterhalbjahr führt man die Arbeiten für den technischen Betrieb aus, also Schneeräumung und Winterdienst und im Sommer führen die Forstwarte vorwiegend kommunale Unterhaltsarbeiten durch. Die Forstarbeiten werden hauptsächlich im Frühling und Herbst ausgeführt. Dies führt auch zu einer ganzjährigen Auslastung der einzelnen Arbeitnehmer und bietet eine schöne Abwechslung in die Tätigkeiten eines Forstwarts oder einer Forstwartin.
Jörg Clavadetscher. (Bild: zVg)
6. Als Betriebsleiter von Gemeindebetrieben habt ihr eine hohe Verantwortung und solltet möglichst alle Arbeiten zeitnah erledigen. Wie geht ihr damit um?
Jörg und Simon schmunzeln, denn beiden ergeht es gleich. Wenn jemand aus der Gemeinde nicht weiss wohin mit einem Anliegen, dann wandert dieses erst mal zum Förster. Mit der Haltung, dieser wird sich dann sicherlich darum kümmern. Jörg hat in seinem Betrieb einen weiteren Förster zur Unterstützung. So können sie sich gegenseitig unterstützen und helfen. Doch wie bereits schon erwähnt, dies ist wiederum auch ein politischer Entscheid, ob eine Gemeinde zwei Förster oder sogar mehrere anstellen möchte.
Simon hatte anfangs eher Mühe auch einmal Nein zu sagen, man ist ja da und will der Bevölkerung helfen, doch ist es unmöglich, alle Anliegen zu bewältigen. Klare Strukturen innerhalb der Gemeinde sind wichtig, damit es nicht zu einer Überlastung führt. Jedoch ändern sich Strukturen immer wieder, hier hat die Politik einen grossen Einfluss wie es in der Zukunft weiter geht. Mal besser, Mal schlechter.
7. Nicht zuletzt hat sich seit Corona ein grosser Wandel getan, bezüglich Arbeitsmotivation (Homeoffice/mehr Freizeit – aber möglichst gleicher Lohn). Spürt ihr diesen auch bei euren Mitarbeitern?
Heutzutage kommt der Wunsch von einem Teilpensum vermehrt auf. Dies muss man als Betriebsleiter akzeptieren, denn sonst sind die guten Leute weg. Die Konkurrenz schläft nicht!
Jörg hat in seinem Betrieb, zwei Mitarbeiter mit einem 80 % Pensum. Dies ist nicht immer einfach, die grosse Herausforderung liegt in der Organisation der Arbeiten. Denn jeweils ein Wochentag fällt ein Arbeiter weg. Hingegen hat er grosses Verständnis für ein reduziertes Pensum, vor allem mit Blick auf die Arbeitsjahre ab einem Alter von 60 Jahren. Dann macht sich der Verschleiss am Körper unmissverständlich bemerkbar und manch einer ist froh, wenn er einen Tag weniger arbeiten muss.
Simon hat auch einen Mitarbeiter mit einem Teilpensum von 90 %. Er hat aber keinen fixen Freitag, sondern mehr Ferientage unter dem Jahr. So hat Simon auch keine Probleme bei der Planung der Arbeiten, vor allem im Winter mit dem Picket-Dienst.
8. Wir möchten nicht den Teufel an die Wand malen und positiv in die Zukunft blicken. Wie seht ihr die Forstbranche in zehn Jahren?
Jörg ist der Ansicht, dass der Wunsch für Teilzeitarbeit vermehrt zunehmen wird. Dies wirkt sich natürlich auch positiv auf die Altersvorsorge bzw. durch den bewussteren Umgang mit der schweren körperlichen Arbeit aus. Der Druck auf den Lebensraum Wald und Berge wird sicherlich zunehmen und stellt uns vor grosse Herausforderungen.
Aus Simons Sicht wird die körperliche Arbeit durch den Menschen nie total von Maschinen ersetzt («Spezial Fall» beim Baum fällen) werden. Zum Glück …
Die verschiedenen Waldleistungen müssen gut verkauft und auch in einen gewissen Wert gesetzt werden. Hingegen wird das Produkt Holz im Gebirgsforstbetrieb an Wert verlieren. Nebst der Schutzleistung werden die Biodiversitätsleistungen im Wald zunehmen. Die grosse Herausforderung wird darin bestehen, alles unter einen Hut zu bekommen. Denn um solche Arbeiten ausführen zu können, braucht es auch gutes Personal!
9. Was möchtet ihr angehenden Forstwart/innen mit auf den Weg geben?
Jörg ist es wichtig, den Beruf als Forstwart/in möglichst unfallfrei ausüben zu können. Die Sicherheitsaspekte sollten immer im Hinterkopf behalten werden. Zudem sollte jeder Forstwart und jede Forstwartin eine gewisse Sensibilität für den Lebensraum Wald mit sich tragen. Vor allem auch bei den Arbeiten, die im Wald ausgeführt werden.
Simon empfindet es als wichtig, dass man nicht schnell aufgibt, sich treu bleibt und daran denkt, woanders ist es auch nicht immer besser. Natürlich darf man seine Erfahrungen in anderen Betrieben sammeln, vielleicht bemerkt man dann, wie gut es am alten Ort war.