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Strategie zur Götterbaumkontrolle im Moesano

Bilanz der Zwischenresultate nach der Bekämpfung 2009–2024 Luca Plozza / Lorenzo Schmid

1. Einleitung
Der Götterbaum (Ailanthus altissma) ist eine sommergrüne zweihäusige Baumart, welche in Europa aus Ostasien (China) eingeschleppt wurde. Er kann bis zu 30 m hoch werden und gehört zu den schnellwachsenden Baumarten. Die Ausbreitung kann sowohl generativ erfolgen durch die geflügelten Samen (Samara), welche auch längere Distanzen fliegen können, als auch vegetativ durch Stockausschlag, Wurzelbrut und aus kleinen Holzstücken mit Rinde [1]. Die Ausschläge wachsen in der Regel viel schneller als die Sämlinge. Diese Baumart bildet ein sehr starkes und effizientes Wurzelnetz, dank welchem sie sich an Standorten mit relativ schlechten Bodenbedingungen (z. B. extrem trockene Standorte) ansiedeln und überleben kann, wobei häufig monotone Reingruppen bis -bestände (0,5 ha) entstehen. Wenn der Stamm des Götterbaums gefällt oder beschädigt wird, bildet der Baum zahlreiche Austriebe (Wurzelbrut und Stockausschlag). Zudem ist das jährliche Wachstum dieses Neophyten beträchtlich, zuerst in der Höhe (1 bis 2 m pro Jahr) und dann auch in der Dicke (Jahrringbreite durchschnittlich 2 bis 4 mm), und kann durch die Freisetzung allelopathischer Stoffe das Wachstum anderer Baumarten hemmen. Dadurch können die einheimischen Baumarten vom Götterbaum rasch überwachsen werden.

Zudem, gemäss der jahrelangen Erfahrung des lokalen Forstdienstes in Bezug auf die natürliche Waldverjüngung vor Ort, kann man aussagen, dass der Götterbaum – angesichts des Verbissdrucks auf den vom Wild bevorzugten einheimischen Baumarten – stark profitiert, erfolgreicher wachsen und sich etablieren kann.
Die obgenannten Eigenschaften machen den Götterbaum zu einer invasiven Art mit einer markanten Ausbreitung in diversen Weltregionen. In Europa ist er schon seit längerer Zeit eingebürgert, und in der Schweiz hat er sich besonders auf der Alpensüdseite stark ausgebreitet.
Der Götterbaum kann ökonomische Schäden verursachen, beispielsweise im Wald und in der Landwirtschaft, wo erhöhte Unterhaltungs- bzw. Pflegekosten entstehen. Häufig kann sich der Götterbaum in Biotopen und Naturschutzgebieten (z. B. Auengebiete, Trockenwiesen) ansiedeln, wo das Überleben von seltenen Arten, die Biodiversität und das Gleichgewicht des Ökosystems in Frage gestellt werden kann [2].
Endlich, mit der Revision der Freisetzungsverordnung (FrSV) per 1. September 2024, ist auch für den Götterbaum das direkte Verwenden in der Umwelt verboten worden, wie es für andere problematische invasive Neophyten (z. B. japanischer Staudenknö­terich, amerikanische Goldruten) schon mit der früheren Version 2008 der Verordnung der Fall war. Vor diesem Zeitpunkt durfte der Götterbaum in der Schweiz noch verkauft und angepflanzt werden.

2. Götterbaumstrategie auf nationaler Ebene
Als Empfehlungen für die Umsetzung von massgerechten Strategien im Rahmen der Götterbaumbekämpfung hat das Bundesamt für Umwelt (BAFU) die Richtlinien zum Umgang mit dem Götterbaum im 2020 erarbeitet [3]. In diesen wird betont, dass jeder gebietsfremde Organismus mit invasivem Potenzial dieselben, in Abb. 1 dargestellten Phasen der Ausbreitung durchlaufen kann, welche bei der Erarbeitung einer umfassenden Bekämpfungsstrategie berücksichtigt werden sollen. Die unterschiedlichen Massnahmen sollen sich auf diese Erkenntnisse und auf lokale Rahmenbedingungen stützen. Gemäss diesen Richtlinien sind «die Übergänge zwischen den Phasen nicht im Voraus definierbar, sondern müssen im Rahmen von landesweiten oder regionalen bis lokalen Güterabwägungen festgelegt werden» [3]. Allgemeines Ziel der Abwehrmassnahmen ist, die exponentielle Verbreitung (Phasen IV und V) vorzubeugen oder möglichst weit in die Zukunft zu verschieben.


Abb. 1: Grundsätzliche Befallsdynamik eines invasiven ­gebietsfremden Organismus [3] (Grafik auf Seite 31 grösser dargestellt).

3. Bekämpfungsstrategie im Moesano
3.1 Anfangssituation
Der Sommer 2003 war durch sehr mangelhafte Niederschläge bzw. eine verlängerte Dürreperiode gekennzeichnet. Danach und in den Folgejahren hat der Forstdienst Moesano eine regelmässige Verbreitung des Götterbaums sowohl im Auengebiet in San Vittore als auch im Schutzwald im unteren Tal festgestellt. Deshalb hat das Amt für Wald und Naturgefahren (AWN) sofort veranlasst, die Situation zu beobachten, die Folgen einer weiteren Verbreitung zu untersuchen und eine Bekämpfungsstrategie zu erarbeiten [4].

                             
Abb. 2: Oben: Götterbaum-Jungwuchs in einem stark geschädigten Kastanien-Niederwald (hohe Kastanienmortalität wegen verlängerter Dürreperiode 2003). Unten: Bestand an einem felsigen Standort.

Der Ursprung der Götterbaum-Bestände im Moesano kann auf die Pflanzung einzelner Exemplare im unteren Tal (Leggia, San Vittore) als Schattenquelle, Zierpflanze bzw. als Ersatz von Maulbeerbäumen für die Seidenproduktion Anfang des 20. Jahrhunderts zurückgeführt werden. Nach dem Schlag einzelner Exemplare in 2009–2010 konnten die älteren Pflanzen datiert werden: 50er-Jahre (San Vittore) und 60er-Jahre (Leggia). Dies bestätigt eine jahrzehntelange Latenz der Art und deren plötzlichen Verbreitung erst seit 2003. Bereits kurze Zeit später konnte eine massive Verbreitung des Götterbaums nicht nur auf offenen Flächen (Landwirtschaft, Ruderalstandorte), sondern auch im Wald, am Waldrand und nach Holzschlägen (gestörte Flächen) festgestellt werden. Auf der rechten Bergflanke oberhalb San Vittore, ähnlich wie in anderen Gebieten der Alpensüdseite vor allem an trockeneren Standorten, hat die Trockenheit des Sommers 2003 eine systematische Erhöhung der Mortalität der Kastanienbäume verursacht, welche die Hauptbaumart auf der kollinen Stufe ist. Diese Voraussetzungen, zusammen mit der Toleranz des Götterbaums gegenüber extremen Bedingungen, haben die Besiedlung des Neophyten auf der Bergflanke begünstigt [5].

 
Abb. 3: Bekämpfungsstrategie im Moesano. Regionen in unterschiedlichen Befallsphasen im 2010: San Vittore (5 = exponentielles Wachstum bereits stattgefunden, stabile Population), Leggia (4 = exponentielles Wachstum), übrige Gemeinden von Roveredo bis Lostallo (3 = Auftreten einzelner Herde).

       
Abb. 4: Entwicklung der Götterbaumbestände 2010 (links) bis 2016 (Mitte), 2024 (rechts).                       

Nach einigen Jahren, in denen ausschliesslich qualitative Bewertungen des Phänomens erfolgten, hat das AWN im 2009/2010 die ersten systematischen Feldaufnahmen der Götterbaumbestände durchgeführt, welche mittels eines geografischen Informationssystems (GIS) digital erfasst wurden.
Betrachtet man das Schema der Entwicklung der invasiven Neophyten (Abb. 1), so lässt sich feststellen, dass im Moesano auf regionaler Ebene der Götterbaum die Naturalisierungsphase bereits überstanden hat und sich zurzeit in der exponentiellen Befallsphase befindet (Phase IV). Die Erhebungen haben eine inhomogene Verteilung des Götterbaums im Moesano gezeigt, wo in unterschiedlichen Zonen lokal differenzierte Befallsphasen vorkommen (Abb. 3 und 4).
Im südlichen Gebiet des Moesano (San Vittore, Befallsphase IV-V) ist der Götterbaum sehr weit im Wald und im Waldrandbereich verbreitet, insgesamt auf einer Fläche von mehr als 35 Hektaren. In vielen Fällen handelt es sich um monotone und monospezifische Bestände; es wurden mehr als 1000 Samenbäume (BHD[a]>15 cm) geschätzt, wovon einige aus den 50er-Jahren stammen (BHD ca. 70 bis 80 cm). Die meisten Bestände befinden sich in tieferen Lagen (unterhalb 900 m ü. M), obwohl vereinzelte Pflanzen entlang der Forststrasse auch an höheren Standorten beobachtet wurden (vermutlich wurde die Ausbreitung hier durch Böschungsmähmaschinen und Fahrzeuge gefördert).
Im 2010 wurden in Leggia (Befallsphase III-IV) Tausende von Sämlingen und kleinen Pflanzen erfasst, welche aus der massiven Samenproduktion von ca. 100 Samenbäumen entstanden sind, wovon einige beträchtlich gross sind (die ältesten wurden 1965 datiert). Die Verbreitung umfasste ca. zehn Hek­taren und war hauptsächlich in gestörten und halb­offenen Flächen anzutreffen (wiederhergestellte Kastanienselve, Schlagflächen, Ufer von Fliessgewässern).
Andernorts im tiefen und mittleren Tal (Roveredo, Grono, Castaneda, Verdabbio, Lostallo) wurden hauptsächlich einzelne kleine Bäume und Bestände mit beschränkter Grösse erhoben (Befallsphase III). Somit kann das ganze Tal (abgesehen von San Vittore) als «Gebiet mit einem starken regionalen Götterbaum-Auftreten, aber lokal beschränkt auf einzelne Bestände und Einzelbäume» definiert werden.

3.2 Definition der strategischen Ziele
im 2009 hat das AWN in Zusammenarbeit mit dem Amt für Natur und Umwelt (ANU) für den Bereich Naturschutzgebiete und Biotope ein Pilotprojekt mit dem Ziel «Tilgung des Götterbaums» erarbeitet. Dieses Projekt wurde aber durch den Bund abgelehnt, da Problematiken im Rahmen der Bundesgesetzgebung bestanden.
Das AWN hat deswegen neu eine Strategie «Götterbaum Moesano» erarbeitet, welche den Befallsphasen bzw. den Bekämpfungsansätzen, die im Leitfaden des Bundes beschrieben sind (Abb. 1, [3]), mehr oder weniger entsprechen und auf lokaler Skala wie in der Abb. 3 angewendet werden können. Die abgeleiteten operativen Ziele wurden wie folgend festgelegt:
- Tilgen aller Götterbäume nördlich von San Vittore (erste Priorität).
- Verhindern der vertikalen Ausbreitung auf den Bergflanken (in San Vittore, zweite Priorität).
- Auengebiet von nationaler Bedeutung von Götterbäumen befreien und den Ausbreitungsdruck in deren Umgebung vermindern (dritte Priorität).
Wegen der markanten Ausbreitung im Gebiet von San Vittore wird seit 2011 eine flächendeckende Bekämpfung zur totalen Tilgung sowohl aus ökonomischen Gründen als auch aufgrund technischer Schwierigkeiten als nicht praktikabel eingeordnet. Deshalb wurden auf der bereits befallenen Fläche keine speziellen Massnahmen geplant, sondern ausschliesslich gezielte Eingriffe, um die Verbreitung im Schutzwald auf den höheren Stufen zu verhindern.
Für die übrigen Gemeinden im Moesano, in denen die Verbreitung noch relativ tief war, wurde das mittelfristige Ziel der Tilgung festgelegt.
Im Auengebiet von nationaler Bedeutung in San Vit­tore wurde zwischen 2009 und 2011 eine gezielte Bekämpfung des Götterbaums durch das ANU vorgenommen. Nachher wurde diese aber aufgegeben, da das ganze Areal im Rahmen des Projekts der ökologischen Ausgleichsmassnahmen für die Umfahrung A13 in Roveredo unter die Zuständigkeit des Bundes (ASTRA) gestellt wurde.


Abb. 5: Entwicklung der Anzahl der Götterbaumindividuen im Moesano (ohne San Vittore).

3.3 Umgesetzte Massnahmen
3.3.1 Bekämpfung 2009–2010
Im 2009 wurden in San Vittore und Leggia alle wesentlichen Samenquellen (Samenbäume) innerhalb und ausserhalb des Waldes in Zusammenarbeit mit dem ANU entfernt.
In San Vittore umfasste die Bekämpfung im 2010 das Ringeln aller Samenbäume unterhalb 500 m ü. M. (Brusthöhendurchmesser > 10 cm) und Fällen aller Samenbäume oberhalb 500 m ü. M., um die weitere Verbreitung zu verhindern. Im Auengebiet von nationaler Bedeutung (Ai Fornas, Objekt 158) wurden 2009–2010 alle Samenbäume gefällt und im 2011 alle Ausschläge bekämpft.
In den übrigen Gemeinden des Moesano nördlich von San Vittore (Cama, Castaneda, Grono, Leggia, Lostallo, Roveredo, Verdabbio) wurden bereits seit 2009–2010 alle Samenbäume und alle bekannten Bestände systematisch bekämpft. Die Kosten der ersten Eingriffe betrugen ca. 11 000 Franken. 

3.3.2 Bekämpfung und Kontrolle 2011–2024
Das AWN führt seit 2011 im Moesano jährlich eine flächendeckende Kontrolle aller Bestände und die Bekämpfung gemäss der erarbeiteten Strategie durch.
Während der Kontrollen werden jährlich alle bereits befallenen Flächen und alle anfälligen Standorte nördlich von San Vittore nachkontrolliert; insbesondere handelt es sich um gestörte Flächen, Holzschläge, Waldlichtungen, Kastanienselven und Ruderalstandorte. Alle Flächen werden mindestens einmal pro Jahr gründlich untersucht, um jeden einzelnen Götterbaum zu erwischen. Diese punktuellen Eingriffe haben das Ziel, die Entwicklung neuer samenbildender Pflanzen zu verhindern und somit die Verbreitung einzudämmen.
Die Kosten der Kontrollen und Bekämpfung des Götterbaums betrugen von 2011 bis 2024 jährlich 6000 bis 12 000 Franken, wobei in den letzten Jahren eine durchschnittliche Erhöhung der Kosten stattgefunden hat. Man kann die zwei Leistungen nicht trennen, da Kontrolle und Bekämpfung in der Regel gleichzeitig durch Fachleute durchgeführt werden. Beim Gesamtbetrag kann man zwischen «Kontrolle und Bekämpfung nördlich von San Vittore» (ca. 95 % der Kosten) und punktuelle Eingriffe in San Vittore, mit dem Ziel «Verbreitung in der Höhe verhindern» (5 % der Kosten), unterscheiden.


Abb. 6: Entwicklung der Anzahl Götterbaumbestände im Moesano (ohne San Vittore).

4. Resultate
4.1 Resultate der Bekämpfung im Moesano 2009–2024
Dank der konsequenten und systematischen Bekämpfung kann im Jahr 2024 die Situation als gut bezeichnet werden, da die Verbreitung des Götterbaums nördlich von San Vittore erfolgreich eingedämmt werden konnte (Abb. 4). In der Tat konnten die Bestände und insbesondere die Individuen im Laufe der Jahre und im Vergleich zum Anfangszustand stark reduziert werden (mehr als 1600 Pflanzen im 2010, weniger als 150 im 2016, Abb. 5). Obwohl anfänglich, also nach den ersten fünf bis sieben Jahren der Umsetzung der aktiven Bekämpfung, eine starke Abnahme der Individuen im Götterbaumbestand beobachtet wurde, hat man in den folgenden Jahren trotz regelmässiger Bekämpfungsarbeiten eine leichte Zunahme festgestellt (ca. 550 Individuen im 2024). Auch in den letzten Jahren wurden einzelne kleine Götterbäume beobachtet, welche sehr wahrscheinlich aus Samen und Ausschlägen von früher geschlagenen Samenbäumen stammen.

Die Anzahl der Götterbaumbestände zeigt eine ähnliche Entwicklung wie die Anzahl Individuen (49 im 2010, 21 im 2016, 28 im 2024; Abb. 6). In vielen Beständen wurde der Götterbaum definitiv getilgt. In anderen Fällen ist er auf weiträumiger befallenen Flächen noch vorhanden, obwohl er nur vereinzelt wächst und die Gesamtanzahl Exemplare stark abgenommen hat. In den letzten Jahren wurden auch einzelne Neufunde an noch nicht befallenen Standorten festgestellt (zum Beispiel bei Holzschlägen). In mehreren Fällen wurden einzelne Jungpflanzen festgestellt, die mehr als 2 km entfernt von den potenziellen, im 2009–2010 gefällten Samenbäumen wuchsen. Diese Beobachtungen weisen auf die Möglichkeit einer Verbreitung über längere Distanzen im Vergleich zu den Angaben in der Literatur hin (100 bis 200 m, nur selten bis 500 m [1]).

4.2 Entwicklung der Samenbäume (Stand 2016)
Gemäss der Zwischenevaluierung im Jahr 2016 hat die Anzahl Samenbäume allgemein abgenommen, nicht nur nördlich von San Vittore, wo diese ganz eliminiert worden sind, sondern auch in San Vittore selber (Abb. 7). Hier sind viele Samenbäume einige Jahre nach dem Ringeln abgestorben. Wegen der fehlenden aktiven Bekämpfung in San Vittore in den Folgejahren ist neuerdings der Zuwachs und die Entstehung von ganz vielen Samenbäumen in den bereits bestehenden Beständen und an neuen Standorten hauptsächlich an der unteren Höhenstufe zu beobachten. Nach 2016 wurden die Samenbäume in San Vittore nicht mehr genau erfasst. Aufgrund des Verzichts auf Bekämpfung kann man aber ruhig behaupten, dass sich die Situation verschlimmert hat und an den meisten Standorten heutzutage über 50 Samenbäume vorhanden sind.

4.3 Fallbeispiel Leggia: Gebiet mit zahlreichen Beständen und Samenbäumen
Im Allgemeinen war das Moesano im 2013 nach vier Jahren Bekämpfung noch relativ stark befallen, insbesondere in Leggia (Abb. 8), obwohl in einzelnen Beständen bereits ein Rückgang der Anzahl Exemplare festgestellt wurde. In Leggia war die Situation betreffend des Götterbaums anfänglich mit «stark befallen» zu bezeichnen. Götterbäume traten hauptsächlich in den Kastanienselven auf, welche an Landwirtschaftsflächen grenzen (Ortschaft Tec) und oberhalb des Dorfes (Ria de Val), wo in den ersten Folgejahren nach dem Fällen der Samenbäume (ca. 100 Bäume) zahlreiche Götterbaum-Pflänzchen aufgetaucht sind. Dank der regelmässigen Be­kämpfung hat die Anzahl Individuen im 2016 stark abgenommen (Rückgang des Samenvorrats und der Stockvitalität). Inzwischen wurde Leggia leicht zunehmend von Götterbaum-Jungpflanzen besiedelt. Im Jahr 2024 wurden in dieser Dorffraktion (ehemalige Gemeinde) ca. 180 Pflanzen gezählt, obwohl die Anzahl und die Fläche der Bestände relativ niedrig geblieben sind.
In diesem Gebiet wurden während der vergangenen Bekämpfungsperiode regelmässig einzelne neue Bestände erfasst, und zwar genau dort, wo hauptsächlich dank den forstlichen Eingriffen am Talboden und auf der kollinen Stufe ideale Bedingungen für den Götterbaum entstanden sind. Nebst Holzschlägen und Waldlichtungen wurden alte verwilderte Kastanienselven wiederhergestellt (lichte Wälder); diese konnten anfänglich durch den Götterbaum schnell befallen werden, da der Samenvorrat dank den (gefällten) Samenbäumen in der Umgebung bereits vorhanden war.


Abb. 7: Auftreten von Götterbaum-Samenbäumen im 2010 (grün) und im 2016 (rot). Die Abwesenheit eines roten Ringes bedeutet, dass die Samenbäume im betroffenen Gebiet verschwunden sind.

5. Diskussion
5.1 Götterbaum-Bekämpfungsstrategie
Aus den Erfahrungen während der Erarbeitung der Götterbaum-Bekämpfungsstrategie, die eventuell auch auf andere Neophyten angewendet werden kann, können folgende Aspekte abgeleitet werden:
- Die Strategie muss sich bewusst auf die Kenntnisse bezüglich der Verbreitung, der potenziellen Entwicklung und der möglichen Folgen des Götterbaums innerhalb eines bestimmten Gebiets abstützen (sowohl im und ausserhalb des Waldes). Die Ziele müssen klar definiert werden und sowohl technisch als auch ökonomisch realisierbar sein;
- Die regelmässige Kontrolle der Verbreitung des Götterbaums ist sehr wichtig, um den Entwicklungstrend zu verstehen, eventuelle neue Bestände frühzeitig zu erwischen und die Ziele und Strategie an neue Situationen entsprechend anzupassen (Flexibilität);
- Die Festlegung der Ziele/der Strategie und der Bekämpfungsbeginn müssen so früh wie möglich geplant werden, insbesondere in relativ wenig stark befallenen Gebieten. Rechtzeitig durchgeführte Eingriffe ermöglichen meistens eine Absenkung der Kosten und eine Optimierung der Resultate (vgl. cap. 4.2);
- Sehr wichtig ist die Wahl der geeigneten und effizienten Bekämpfungsmethode;
- Die Bekämpfung muss systematisch und konsequent durchgeführt werden (jedes Jahr, inklusive Kontrolle der gestörten Flächen innerhalb und aus­serhalb des Waldes).


Abb. 8: Entwicklung der Götterbaumbestände in der Umgebung von Leggia im 2010, 2013, 2016 und 2024.

5.2 Tilgung oder Eindämmung des Götterbaums in Gebieten mit einem starken regionalen Auftreten, aber lokal beschränkt auf einzelne Bestände und Einzelbäume
In Gebieten mit einem starken regionalen Auftreten, aber lokal beschränkt auf einzelne Bestände und Einzelbäume (Befallsphase III-IV, z. B. nördlich von San Vittore), können in Bezug auf die hier aufgeführten Zwischenresultate der Bekämpfung folgende Aspekte aufgelistet werden:
- Der Götterbaum kann sehr effizient und mit beschränkten Jahreskosten eingedämmt werden, falls die Problematik frühzeitig erkannt und eine systematische Bekämpfung mit geeigneten Mitteln angewendet wird;
- Im Fall von einzelnen Exemplaren oder kleinen Beständen kann die komplette Tilgung praktikabel und relativ billig sein;
- Die hier beschriebene Erfahrung hat gezeigt, dass der Götterbaum auch in einem weiträumigeren Gebiet theoretisch eliminiert werden könnte; obwohl im konkreten Fall nördlich von San Vittore wegen der exponentiell wachsenden Populationen mit Tausenden von Samenbäumen im nahegelegenen Gebiet und dem daraus folgenden Ausbreitungsdruck eine grossräumige Tilgung des Götterbaums nicht erreicht wurde.
Zufriedenstellende Resultate setzen die Wahl einer geeigneten Strategie voraus, welche konsequent und durch ausgebildete Fachleute angewendet werden muss (vgl. Kap. 4.1).

5.3  Götterbaum-Bekämpfung in sehr stark befallenen Gebieten
In sehr stark befallenen Gebieten (Befallsphase IV-V, z. B. San Vittore) ist eine vollständige Tilgung sowohl aus technischen als auch aus ökonomischen Gründen nicht praktikabel. Unter diesen Rahmenbedingungen sind Zielsetzungen und die Erarbeitung einer erfolgreichen Strategie besonders schwierig. Die Waldfunktionen, die Naturschutzgebiete, die landwirtschaftliche Nutzung und andere Ansprüche sind massgebend für die Wahl der Strategie. Mögliche Entscheidungen können beispielsweise sein, ganz auf die Götterbaumbekämpfung zu verzichten oder sich auf die Eindämmung des Götterbaums (z. B. neue gestörte Fläche verhindern) zu beschränken.

Im Schutzwald, welcher Siedlungsgebiete oder Verkehrswege gegen Naturgefahren (Steinschlag, Erosion, Rutschungen, Murgänge, Lawinen usw.) schützt, kann das Auftreten des Götterbaums unter Umständen als Risikofaktor bezeichnet werden. Mit dem Klimawandel steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mittel- bis langfristig Reinbestände oder von Götterbäumen dominierte Mischbestände entstehen. In der Tat hat der Götterbaum in der hier betrachteten Region den Temperaturanstieg und das häufigere Auftreten von Dürreperioden besser ertragen als die einheimischen Baumarten (Entwicklung bereits beobachtet im Schutzwald oberhalb San Vittore – vgl. Kap. 2.1). Die Baumartenvielfalt muss aber auch in stark befallenen Waldbeständen so lange wie möglich gewährleistet werden, so dass eine bessere Verteilung des Forstschutz-Risikos langfristig auch unter Einbezug der Klimaerwärmung erhalten werden kann. Andere Lösungsansätze, wie die Bewirtschaftung des Götterbaums in Niederwäldern mit einem Turnus von 20 bis 30 Jahren, wären rein theoretisch machbar, aber ökologisch sehr problematisch. Wenn auf Tilgung verzichtet wird, muss die Forstwirtschaft mit dem Götterbaum arbeiten, wobei aber monospezifische Waldbestände verhindert werden und so gut wie möglich standortgerechte einheimische Baumarten gefördert werden müssen (Baumartenvielfalt). Die Strategie muss das Ziel «Götterbaumdruck vermindern» anstreben. Die Methoden für die Eindämmung des Götterbaums können sowohl technisch (Eliminierung der Samenbäume) als auch forstwirtschaftlich (Regulierung des Mischungsgrads, Waldverjüngungsart) sein.

6. Schlussfolgerungen
Die hier berichtete Erfahrung im Moesano zeigt für das Gebiet nördlich von San Vittore gute Ergebnisse zu relativ beschränktem Jahresaufwand, und das sogar in einem Gebiet mit anfänglich grösserem Auftreten von Götterbaum-Samenbäumen (z. B. Leggia). Da aber in den nahegelegenen Gebieten (Gemeinde San Vittore GR, Kanton Tessin) keine aktive und systematische Bekämpfung stattfindet und folglich ständig neue Samenbäume entstehen, nimmt der Ausbreitungsdruck auf dem behandelten Gebiet zu, hauptsächlich in unmittelbarer Nähe. Deswegen muss die Entwicklung auch in Zukunft kontinuierlich nachkontrolliert werden bzw. die Massnahmen angepasst werden.
Der Parco Val Calanca wird ab 2025 ein Neophytenmanagement-Konzept umsetzen, bei welchem auch der Götterbaum zu den prioritär zu behandelnden Arten zählt. Und dies obwohl bis jetzt innerhalb des Parkperimeters nur sehr sporadisch und vereinzelte Individuen festgestellt worden sind. Die Herausforderung besteht darin, genau wie in den übrigen Gemeinden des Misox (nördlich von San Vittore), die Ausbreitung dieses Neophyten aus den stark befallenen Gebieten möglichst zu verhindern.


Götterbaum Ailanthus altissima. (Bild: Andrina Rosselli)

Im Gebiet San Vittore, wo in den letzten Jahrzehnten keine dauernde Bekämpfung stattgefunden hat, ist die Götterbaumverbreitung ständig anwachsend (Anzahl Stöcke und Bestände), vor allem auf den bereits befallenen Flächen sowie zunehmend auch auf neuen Standorten. Obwohl nach den ersten Arbeiten anfänglich viele grosse Samenbäume (BHD 40 bis 80 cm) abgestorben sind, hat der Nachwuchs dank des schnellen Wachstums fortpflanzungsfähiger Götterbäume in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Situation in diesem Gebiet sieht so schlimm aus, dass der Forstdienst hier einen «Wanderweg der Götterbäume» taufte. In diesem Gebiet wird gegenwärtig ein Pilotprojekt mit biologischer Götterbaum-Bekämpfung ausserhalb des Waldes unter Anwendung des natürlichen Pilzgegenspielers Verticillium nonalfalfae (Handelsname Ailantex ®) von einer privaten Firma (durch BAFU genehmigt) durchgeführt. Siehe dazu den Artikel von Dr. Oliver Maschek ab Seite 54 in diesem Heft.
In Anbetracht der tiefen und relativ stabilen Entwicklung der Götterbaumbestände im Gebiet nördlich von San Vittore und des erhöhten Ausbreitungsdrucks durch Samenquellen in der nahegelegenen südwestlichen Zone ist von einem kompletten Verzicht auf Bekämpfung abzuraten. Eine punktuelle Kontrolle der alten Standorte und der neuen gestörten Flächen (z. B. Holzschläge), was zurzeit relativ mit tiefem Aufwand (1–2 Kontrolle(n)/Jahr) durchgeführt werden kann, ist deshalb eine notwendige Voraussetzung, um die vorherigen Bemühungen nicht zunichtezumachen.
Man kann folglich aussagen, dass auch eine sehr invasive Art wie der Götterbaum unter Umständen sehr erfolgreich bekämpft werden kann. Es müssen aber wichtige Voraussetzungen erfüllt sein: Man muss eine an die örtlichen Rahmenbedingungen optimierte Strategie erarbeiten und die Bekämpfung muss professionell, konsequent und längerfristig durchgeführt bzw. gewährleistet werden.
Das AWN wird im 2025 eine kantonale Strategie erarbeiten und ist im Austausch mit dem Kanton Tessin, welcher eine Praxishilfe in Bezug auf den Waldbau veröffentlicht hat [7].

Luca Plozza ist Forstingenieur ETH und Regionalforst­ingenieur der AWN-Region 4 in Roveredo. Lorenzo Schmid ist Umweltwissenschaftler ETH und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Naturpark Parco Val Calanca.

7. Literatur
[1] Kowarik, I., Säumel, I. 2007. Biological flora of Central Europe: Ailanthus altissima (Mill.) Swingle. Perspectives in Plant Ecology, Evolution and Systematics 8. 207–237.
[2] www.infoflora.ch/
[3] BAFU. 2020. Vollzugshilfe Waldschutz Richtlinien zum Umgang mit Schadorganismen des Waldes. 1. Aktualisierung 2020. Erstausgabe 2018. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Vollzug Nr. 1801.
[4] Plozza, L., Schmid, L. 2012. Der Götterbaum im Misox – Problematik im Schutzwald. Bündnerwald 65 (3): 37–40.
[5] Wunder, J. Nobis, M, Conedera, M. 2014. Der Götterbaum – Eine Gefahr für den Schweizer Wald? Wald und Holz 6/14.
[6] Gehring, E., Pezzati, G. B., Conedera, M, Plozza, L. 2024. Uno strumento pianificatorio supplementare per gestire le neofite legnose invasive. Forestaviva n. 95.
[7] Oncelli, A., Rosselli, A. 2025. Foglio per la pratica: Gestione delle neofite invasive per il mantenimento sostenibile delle funzioni del bosco. Versione 2.0. Repubblica e Cantone Ticino – Sezione forestale.

[a] BHD = Brusthöhendurchmesser (1,3 m Höhe)