Jungwaldpflege in der Grundausbildung
Waldpflege als Handlungskompetenz
Während der Lehrzeit müssen angehende Forstwartinnen und Forstwarte verschiedene überbetriebliche Kurse (ÜK’s) besuchen. Über die gesamte Lehrzeit sind dies 52 ÜK-Tage. An sieben dieser ÜK-Tage befassen sich die Lernenden intensiv mit dem «Verjüngen und Pflegen von Wald und Sonderwaldstandorten» oder auch ÜK-D genannt. Die genannte Handlungskompetenz ist sehr vielseitig und beinhaltet verschiedene Leistungsziele. Vom Erkennen spezieller Lebensräume und Kleinstrukturen über das Pflegen von Jungbeständen gemäss Arbeitsauftrag bis hin zum Bestimmen und Unterscheiden der 40 wichtigsten regional vorkommenden Baumarten ist alles dabei.
Waldpflege an den drei Lernorten
Die zu pflegenden Wälder in Graubünden sind enorm unterschiedlich, was mit kaum einem anderen Kanton der Schweiz zu vergleichen ist. So finden wir einerseits im Churer Rheintal verschiedene Laubmischwälder mit einer sehr hohen Artenvielfalt und andererseits im Engadin Lärchen-Arvenwälder mit nur zwei bis drei verschiedenen Baumarten. Nun ist es die Kunst der drei Lernorte (Gewerbeschulen, Ausbildungsbetrieb, ÜK-Organisation), den verschiedenen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Gewerbeschulen vermitteln die theoretischen Kenntnisse der modernen Jungwaldpflege. Alle Pflegemethoden werden den Lernenden vermittelt, sodass diese mit einem guten Vorwissen in den Jungwaldpflegekurs einrücken können. Im eigenen Lehrbetrieb bemüht sich der Berufsbildner den Lernenden die regional üblichen Pflegemethoden, welche zu den vorhandenen Beständen passen, beizubringen. Die Lehrbetriebe leisten einen enormen Aufwand, um den Lernenden möglichst viele Einblicke in die verschiedenen Methoden der Jungwaldpflege zu geben. Ist dies im eigenen Betrieb nicht möglich, wird häufig mit einem Nachbar- oder sogar Austauschbetrieb im Unterland zusammengearbeitet. Dass die Jungwaldpflege meist nicht zum Steckenpferd eines 16-jährigen Lernenden gehört, ist sicherlich kein Geheimnis. In diesem Alter ist es normal, dass man am liebsten möglichst grosse Fichten, Lärchen oder Buchen fällen möchte, welche mit lautem Krachen zu Boden fallen. Doch nur wer den Wald pflegt, wird in Zukunft weiterhin mit viel Freude schöne grosse Bäume ernten können.
Chance ÜK-D
Anfang des zweiten Semesters der Lehre werden die Lernenden zum Jungwaldpflegekurs aufgeboten. Aufbauend auf dem theoretischen Wissen aus der Gewerbeschule und den praktischen Erfahrungen des Lehrbetriebs, ist es nun die Aufgabe der Instruktoren, den Lernenden die Waldpflege näherzubringen. Die Lernenden kommen mit sehr unterschiedlichem Wissen und Können in die Kurse. Der/die eine Lernende konnte im Lehrbetrieb bereits einige Wochen Waldpflegeerfahrung sammeln und kann alle Baum- und Straucharten voneinander unterscheiden. Der/die andere Lernende war im Lehrbetrieb mit der Holzernte beschäftigt, verfügt über eine sensationelle Sägeführung, kennt aber leider nur drei Baumarten und hat noch nie etwas von einem Pflegeauftrag gehört. Was hier sehr übertrieben klingt, entspricht zum Teil der Realität.
Ausführung der Arbeit unter Aufsicht des Instruktors. (Bild: Flurin Guidon)
Die Ziele des Jungwaldpflegekurses sind klar definiert. Nach einer Kurswoche kennen die Lernenden die Massnahmen zur Qualitäts- und Stabilitätsförderung, sie haben Baum- und Strauchartenkenntnis verbessert und wissen, wie man die unterschiedlichen Baumarten behandeln muss. Mittlerweile kennen wir in der Grundausbildung sechs verschiedene Pflegemethoden:
– Positive Auslese
– Negative Auslese
– Biologische Rationalisierung
– Z-Baum-Methode
– Rottenpflege
– Kammerung
Da es wahrscheinlich allen klar ist, dass man innert einer Woche nicht alle sechs Pflegemethoden vermitteln kann, beschränkt man sich im Kurs auf die wesentlichste Methode der positiven Auslese und der Z-Baum-Methode (Z steht für Baum mit hohem Potenzial für die Zukunft). Beherrschen die Lernenden diese beiden Methoden, können sie sich im Bereich der Jungwaldpflege einfach und gut weiterentwickeln. In den meisten Kursen hat man die Möglichkeit, mit den Lernenden noch eine weitere Methode wie zum Beispiel eine Kammerung oder eine Rottenpflege auszuführen. Diejenigen Pflegemethoden, welche nicht praktisch geübt werden können, werden theoretisch vermittelt.
Der Z-Baum ist markiert und freigestellt. (Bild: Flurin Guidon)
Arbeiten am Kursort
Für den Lernerfolg in einem Pflegekurs sind passende Objekte sehr wichtig. Während eines Kurses wird eine Fläche zwischen acht und zehn Hektaren Jungwaldpflege bearbeitet. Dies ist stark von der Pflegemethode und der Eingriffsstärke abhängig. Jegliche Flächen werden vor dem Kurs mit dem zuständigen Förster besichtigt, und die Massnahmen sowie der Pflegeauftrag werden definiert. Die ausgeführte Arbeit muss den Vorstellungen und Vorgaben des Försters entsprechen. Natürlich können die Objekte, an denen die Lernenden in die Jungwaldpflege eingeführt werden, sehr unterschiedlich sein. Leider ist es logistisch nicht möglich, jeder und jedem Lernenden individuell die optimalen Flächen zur Verfügung zu stellen. Trotzdem können die Kursziele jeweils gut erfüllt werden. Wenn man am Ende einer Kurswoche die Lernenden verabschiedet, für sich den Kurs gedanklich rekapituliert, die Fortschritte der Lernenden sieht und miterleben durfte, erfüllt einen dies mit viel Freude.
Flurin Guidon ist beim AWN GR als «Förster Schulung» für die schulische Ausbildung der Forstwart-Lernenden zuständig.
Er leitet diverse Kurse, unter anderem beim ÜK-D.
Zudem amtet er als Chefexperte bei den Lehrabschlussprüfungen der Forstwartinnen und Forstwarte in Graubünden und im Fürstentum Liechtenstein.