In den vergangenen Jahren immer häufiger auftretende biotische (Krankheiten oder Schädlinge) oder abiotische (Windwurf, Sommertrockenheit) Störungen verursachen Lücken im Wald, welche geeignete Ansamungsbedingungen für lichtbedürftige Neophytenarten wie den Götterbaum (Ailanthus altissima) oder den Blauglockenbaum (Paulownia tomentosa) bieten. Auch waldbauliche Eingriffe sind Eintrittspforten für invasive Pionierbaumarten. Schattentolerante Neophytenarten wie die chinesische Hanfpalme (Trachycarpus fortunei) oder der Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus) können sich im Unterholz von geschlossenen Beständen verbreiten, sofern die Samenverfügbarkeit und die klimatischen Bedingungen gegeben sind. Diese und andere gebietsfremde invasive Gehölze wirken sich nachteilig auf die Biodiversität und verschiedene Waldleistungen aus (siehe Artikel Vanoni/Hassler ab Seite 8 in diesem Heft). Zudem führt deren Bekämpfung zu hohen Kosten.
Abb. 1a/b: Unterschiedliche Ausbreitungsgrade des Götterbaums: Vom einzelnen Götterbaum an der Autobahn bei Chur (GR) zum Reinbestand in Melano (TI). (Bilder: Sascha Gregori [a] und Andrina Rosselli [b])
Bereits sehr präsent sind invasive gebietsfremde Baumarten auf der Alpensüdseite, im Tessin und im Misox (Abb. 1b). In den Nordalpen sind die Neophyten-Vorkommen bisher deutlich kleiner und verstreuter (Abb. 1a); deren Tilgung ist folglich noch vielerorts mit geringem Aufwand möglich. Von den bisherigen Erfahrungen im Umgang mit diesen Arten sollte auf der Alpennordseite profitiert werden. In diesem Beitrag stellen wir ein Praxismerkblatt aus dem Kanton Tessin (Rosselli, 2023) vor, welches dabei wertvolle Unterstützung bieten kann (Abb. 2). Der Fokus des Artikels liegt auf invasiven Baumarten, ohne dabei in Frage zu stellen, dass auch andere invasive gebietsfremde Pflanzenarten genauso problematisch sein können.
Abb. 2: Strategisches Schema zum Umgang mit invasiven Neophyten.
Mit einer klaren Strategie zum Ziel
Es ist sehr wichtig, dass der Umgang mit einer Neophytenart einer klaren und regional einheitlichen Strategie folgt. Diese muss festlegen, welche Arten mit welcher Priorität bekämpft werden sollen. Eine weitere zentrale Voraussetzung für die Festlegung einer zielführenden Bekämpfungsstrategie in einer Region sind detaillierte Kenntnisse der aktuellen Verbreitung einer Art. Im Kanton Graubünden werden die invasiven Neophytenarten in der NeoMap (Pollenn) erfasst. In Abhängigkeit des Ausbreitungsgrades (Einzelpflanzen, kleinere Gruppen, grössere Vorkommen mit Samenträgern, Reinbestände) und in Anlehnung an die Invasionskurve von gebietsfremden Organismen (BAFU, 2020; Abb. 3) werden vier verschiedene Umgangsformen definiert: Tilgung, Eindämmung, Schadensbegrenzung oder differenzierter Waldbau (Abb. 4). Die jeweilige Umgangsform sollte realistisch und ökonomisch nachhaltig verfolgt werden können und soll für jede Art kartografisch festgehalten werden (Abb. 5). Dabei ist es wichtig, dass grossflächiger als auf Ebene einzelner Gemeinden oder Forstreviere koordiniert wird, wo welche Umgangsformen angewendet werden.
Abb. 3: Grundsätzliche Befallsdynamik eines invasiven gebietsfremden Organismus (BAFU, 2020).
Abb. 4: Schematische Darstellung der verschiedenen Umgangsformen. Schwarzer Kreis = aktuelles Vorkommen; schwarze Pfeile = Ausbreitungspotenzial über das aktuelle Vorkommen hinaus; rote Markierungen = Zielsetzung.
Im Kanton Tessin ist es für mehrere prioritäre Neophytenarten mit der heutigen Situation (sehr grosses Samenangebot, hohe Mortalität der einheimischen Baumarten, mildes Klima, Topographie, Kostenaufwand, gesetzliche Grundlagen) nicht mehr realistisch, die Art wieder weitestgehend aus der Landschaft zu eliminieren. In diesen Gebieten sind Schadensbegrenzung oder eine (temporäre) Integration dieser Arten in einen differenzierten Waldbau angezeigt. Wo es aber noch realistisch erscheint, verfolgt der Kanton Tessin das Ziel der Tilgung oder zumindest der Eindämmung.
Abb. 5a/b: Beispielskarte des Kantons Tessin für den Götterbaum (a) und die chinesische Hanfpalme (b) mit den Zonen der Umgangsformen Tilgung (rot), Eindämmung (orange), Schadensbegrenzung (hellgrün) und differenzierter Waldbau (dunkelgrün).
Auf der Alpennordseite ist die Situation – zumindest was invasive gebietsfremde Baumarten betrifft – noch grösstenteils grundlegend anders. In den allermeisten Regionen der Schweiz ist die Tilgung weiterhin umsetzbar. Noch kann mit moderatem Aufwand Befallsfreiheit erzielt werden. Erfahrungen aus anderen Gegenden zeigen jedoch eindrücklich, dass sich dies sehr rasch ändern kann (siehe Artikel Schmid/Plozza ab Seite 40 in diesem Heft). Der Kanton Graubünden beginnt 2025 mit der Erarbeitung einer kantonalen Strategie.
Weitere Grundsätze für die Bekämpfung
Folgende weitere Faktoren sind wichtig:
- Priorität auf Samenbäume. Götterbaum und Blauglockenbaum beispielsweise bilden sehr viele Samen, welche mit dem Wind weit verbreitet werden. Die Samenproduktion beginnt bereits im Alter von drei bis fünf Jahren. Der Götterbaum ist zweihäusig (männliche und weibliche Individuen).
- Bekämpfung auch ausserhalb des Waldes, insbesondere im Siedlungsgebiet. Oft geht die Ausbreitung von einzelnen Bäumen im Siedlungsgebiet aus. Deren Entfernung ist oft entscheidend für den Bekämpfungserfolg. Solange solche Bäume weiterhin Samen produzieren, ist die Bekämpfung in den angrenzenden Waldflächen nur Sisyphus-Arbeit. Nach Art. 27a Abs. 2 Bst. c des Waldgesetzes sind Bekämpfungsmassnahmen auch ausserhalb des Waldareals mit forstlichen Geldern möglich.
- Übermässiger Wildeinfluss fördert die Ausbreitung von Neophyten. Erfahrungen aus dem Kanton Tessin und dem Misox zeigen, dass bei starkem Verbissdruck der Konkurrenzvorteil der invasiven Neophytenarten verstärkt wird, da das Schalenwild bevorzugt einheimische Arten angeht. Oft sind Neophyten-Probleme daher auch Wild-Probleme (Gehring et al 2025). Die Reduktion des Wildeinflusses ist dann auch für die Neophyten-Bekämpfung zentral.
- Waldbauliche Eingriffe an die Neophyten-Risiken anpassen. Beispielsweise kann es wirksam sein, vor der Schaffung grösserer Verjüngungsöffnungen ausreichend Vorverjüngung einheimischer Arten zu etablieren. Zudem zahlt es sich aus, die Samenbäume invasiver Neophyten mindestens ein bis zwei Jahre vor dem waldbaulichen Eingriff zu eliminieren, um den Samendruck möglichst gering zu halten.
- Verstärkte Kontrollen in den ersten Jahren nach Verjüngungsschlägen. Keimlinge und junge Pflanzen können einfacher bekämpft werden (Ausreissen).
Abb. 6a/b: Die klassische Ringelung als effiziente Bekämpfungsmethode für Götterbäume im Wald (a) oder das hohe Fällen auf 1 m in unmittelbarer Nähe von Wegen, Strassen oder Siedlungen (b). (Bilder: Andrina Rosselli)
Spezifische Bekämpfungsmethoden
Die sorgfältige Wahl und Anwendung der geeigneten Methode gewährleistet eine erfolgreiche Bekämpfung von invasiven Neophyten. Je nach Situation sind unterschiedliche Methoden zielführend, Details sind dem Merkblatt aus dem Tessin zu entnehmen. So hat sich beispielsweise für Neophyten mit Pioniercharakter (Götterbaum, Blauglockenbaum oder Essigbaum [Rhus typhina]) die klassische Ringelung auf rund 1 m Höhe bewährt, das heisst die Entfernung der Rinde über den ganzen Stammdurchmesser mit dem Gertel (Abb. 6a). Die Samenproduktion wird unterbunden und der Baum stirbt innerhalb von drei Jahren langsam ab, ohne dass sich viel Wurzelbrut bildet. Die Stockausschläge müssen danach mehrere Jahre lang mindestens zweimal jährlich entfernt werden. Bei sehr dicker Rinde kann anstatt der klassischen Ringelung auch eine Ringelung mit drei Ringen mit der Motorsäge ausgeführt werden (Knüsel et al. 2020). Wo stehende tote Bäume ein Sicherheitsrisiko darstellen (entlang von Wegen und Strassen oder in Siedlungsnähe), kann ein hohes Fällen auf 1 m Höhe in Betracht gezogen werden (Abb. 6b), welches im Gegensatz zu einem bodennahen Absägen deutlich weniger Wurzelbrut bildet. Aufgrund des hohen Lichteinfalls sind jedoch häufigere Nachkontrollen der Stockausschläge einzuplanen. Bei Verjüngung bis ca. 3 cm BHD ist das Ausreissen sinnvoll. Ausserhalb des Waldareals kann unter Beachtung aller gesetzlichen Auflagen allenfalls auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verhältnismässig sein. Bei jeder Bekämpfungsmassnahme ist es zwingend, dass über mehrere Jahre zuverlässig Nachkontrollen durchgeführt und bei Bedarf Folgemassnahmen ergriffen werden.
Fazit
Auf der Alpensüdseite ist die tägliche Auseinandersetzung mit invasiven Baumarten schon heute Realität. Bereits in wenigen Jahren könnte sie es auch in der Nordschweiz sein. Die Neophyten-Ausbreitung kann sehr schnell erfolgen. Aktuell ist die Tilgung in den allermeisten Wäldern der Alpennordseite noch ein realistisches Ziel. Dazu muss jedoch ab sofort sehr konsequent gehandelt werden. Gute Strategien sowie die korrekte, konsequente und kontinuierliche Umsetzung der Monitoring- und Bekämpfungsmassnahmen sind entscheidend für den Erfolg. Dazu ist neben artenspezifischem Fachwissen entscheidend, dass genügend finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung stehen.
Andrina Rosselli arbeitet beim Tessiner Kantonsforstamt in Bellinzona als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Waldschutz. Samuel Zürcher ist Leiter der Fachstelle Gebirgswaldpflege in Maienfeld. Luca Plozza ist Regionalforstingenieur der Region 4 in Roveredo.
Literatur & Links
maps.pollenn.ch/de/gr/neomap
BAFU (2020). Vollzugshilfe Waldschutz Richtlinien zum Umgang mit Schadorganismen des Waldes. 1. Aktualisierung 2020. Erstausgabe 2018. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Vollzug Nr. 1801
Gehring, E., Conedera, M., Somaini, Z. (2025). Schutzzäune belegen tiefgreifende Wildeinflüsse auf die Verjüngung der Kastanienwälder. Schweiz Z Forstwes 176 (3): 168–170. doi.org/10.3188/szf.2025. 0168
Rosselli, A. (2023). Umgang mit invasiven Neophyten zur langfristigen Erhaltung der Waldfunktionen. Merkblatt für die Praxis. Version 1.0. 23 S.
www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wald/fachinformationen/belastungen-imschweizer-wald/gefaehrliche-schadorganismenfuer-den-wald.html
Eine aktualisierte Version 2.0 (2025) ist auf Italienisch verfügbar.
www4.ti.ch/dt/da/sf/temi/boschi-e-foreste/boschi-e-foreste/specie-invasive/neofite-invasive
Knüsel, S., Wunder, J., Moos, C., Dorren, L., Schwarz, M., Gurtner, D., Conedera, M. (2020). Der Götterbaum in Schweizer Wäldern – Ökologie und Managementoptionen. Merkblatt für die Praxis 66. Birmensdorf: Eidg. Forschungsanstalt WSL. 12 S.
www.wsl.ch/de/publikationen/der-goetterbaum-in-der-schweiz-oekologie-und-managementoptionen/