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Forstwartausbildung vor 55 Jahren

Mein Pfad im Wald, für den Wald, Zeno Bontognali erzählt von seinem Leben im Wald. Autor: Zeno Bontognali

Über mich

Ich bin am 14. Oktober 1946 in Poschiavo geboren. Nach der obligatorischen Schulzeit besuchte ich während zweier Jahre die Landwirtschafts­schule Plantahof in Landquart. Danach habe ich die damals zweijährige Lehre als Forstwart beim Forstbetrieb Chur absolviert.

Im Jahre 1967 besuchte ich die Försterschule Maienfeld und erwarb das eidgenössische Forstdiplom.

 

Warum habe ich mich für eine Forstwartausbildung entschieden?

Mein Vater besass eine Schreinerei. Neben der Schreinerei betrieb er zusammen mit meiner Mutter einen Bauernhof mit etwa 15 Rindern und einigen Schafen.

Ich war 16 Jahre alt, als ich die Sekundarschule abgeschlossen hatte. Danach kam die Zeit, mich für einen Beruf zu entscheiden. Familienmitglieder und Bekannte fragten mich immer wieder, welchen Beruf ich erlernen möchte. Zu dieser Zeit hatte ich jedoch noch keine klare Vorstellung. Ich dachte:«Ich muss mich mit der Wahl nicht beeilen, denn wenn ich bis zu meinem 25. Geburtstag den richtigen Beruf gefunden und meine Ausbildung mit allen Studien abgeschlossen habe, verbleiben immer noch 40 Jahre Zeit, um meiner Arbeit nachzugehen und mit meiner Wahl zufrieden zu sein.»

Eines war sicher, ohne meine Deutschkenntnisse zu verbessern, ist die Zukunft auf der anderen Seite des Berninapasses begrenzt. Gemäss dem Rat meiner Eltern zog ich nach Landquart, um dort während zweier Jahre die Landwirtschaftsschule Plantahof zu besuchen und mein Landwirtschaftsdiplom zu erwerben.

Am Ende der Ausbildung war ich unsicher, ob ich den Landwirtschaftsbetrieb meiner Familie übernehmen möchte. Gleichzeitig wurde im Dorf gemunkelt, dass einer der drei Revierförster in den nächsten Jahren in den Ruhestand treten werde. Das war der Ausschlag für mich; ich wollte im und für den Wald arbeiten.

 

Fast wie ein Traum

Ich nahm sofort Kontakt auf mit dem lokalen Revierförster Anselmo Tuena der Gemeinde Poschiavo, dem Forstingenieur Alfonso Colombo des Poschiavo-Tals und dem für die Ausbildung auf kantonaler Ebene zuständigen Forstingenieur Fritz Schmid. Einstimmig rieten sie mir, ein dreiwöchiges Praktikum bei einem Holzfäller zu machen. Ohne Zeit zu verlieren, meldete ich mich bei Holzfäller Arnoldo Bondolfi, welcher gerade bei der Holz­ernte war. Er sagte mir, ich soll am Montagmorgen um 7.30 Uhr gut gekleidet mit genagelten Bergschuhen, Axt, Zappi, Handschuhen und Lunchpaket bei ihm zu Hause erscheinen. Mit der Axt habe ich gut jongliert, aber mit der Zappi waren die Stürze häufig. In der ersten Woche unterwies mich Arnoldo mit Geduld und Erfahrung in der Handhabung dieser Werkzeuge. Nach der zweiten Woche liess er mich seine Kettensäge benutzen, eine Pioneer mit einem Gewicht von etwa 12 kg und einer Blattlänge von 70 cm (Abbildung 1). Die Säge machte einen ohrenbetäubenden Lärm und die Griffe waren ohne Antivibrationselemente ausgestattet. Weil das Gemisch des Treibstoffs zu viel Öl enthielt, rauchte der Motor der Pioneer-Säge sehr stark. Mit dem Daumen musste immer wieder ein Hebel gedrückt werden, um das Öl zu pumpen, welches die Kette schmierte. Die Kettensäge ­wurde nur zum Fällen, Abschneiden der dicksten Äste und um den Stamm abzulängen verwendet. Der Sägenführer benutzte sie ohne jeglichen persönlichen Schutz; wenn ich jetzt daran denke, ­bekomme ich Gänsehaut, aber damals habe ich es genossen.

Während eines Besuchs des örtlichen Försters und Forstingenieurs zeigten sie mir die Schönheit des Waldes, seine Funktionen, wie man ihn pflegt und warum Holz gefällt wird. Das geschlagene Holz mit seinem duftenden Harzgeruch wird zum ­Bauen, zum Backen des täglichen Brots und zum Heizen der Stube verwendet. Diese Erfahrung in der Praxis, mit den notwendigen sehr detaillierten Erklärungen, faszinierte mich und trieb mich an, mit Leidenschaft zugunsten des Waldes zu arbeiten. Mit einem Herzen voller Freude dankte ich allen, die mit mir zusammen während des Praktikums mitgearbeitet hatten, indem ich sogar die Kettensäge ein wenig benutzen durfte! Am Abend kehrte ich nach Hause zurück und sagte meinen Eltern: «Ich habe meinen Beruf gefunden!»

 

Forstwartausbildung

Nach dem Abschluss dieses Praktikums bot mir der kantonale Forstinspektor Fritz Schmid die Möglichkeit, innerhalb von zwei Jahren eine Lehre als Forstwart zu absolvieren.

Durch den Besitz meines Landwirtschaftsdiploms am Plantahof war ich nicht verpflichtet, die Berufsschule zu besuchen. Nur einige Tage Berufsausbildung, die vom kantonalen Forstinspektorat organisiert wurden, waren obligatorisch. Im ersten Lehrjahr besuchte ich den dreiwöchigen A-Kurs und im zweiten Lehrjahr absolvierte ich den B-Kurs des Holzeinschlags, welcher vom Schweizerischen Forstwirtschaftszentrum in Solothurn organisiert wurde.

Die Lehre konnte ich beim Forstbetrieb Chur absolvieren. Dies war für mich ein grosser Vorteil, denn der Ingenieur Hartmann und der örtliche Förster Lombriser waren meine Ausbildner.

 

Der A-Kurs

Der Kurs fand vom 8. November 1965 bis zum 27. November 1965 in Igis statt. Die Lernenden wurden in 6er-Gruppe aufgeteilt zusammen mit einem Ausbildner, welcher die Gruppe führte und anleitete. Stets zu zweit lernten wir mit folgenden Werkzeugen zu arbeiten: Hobelzahnsäge, Axt, Spalthammer, Zappi, Fällkeil, Kehrhaken, Gertel, Baumkratzer und Material zum Schärfen der Werkzeuge. Die persönliche Schutzausrüstung bestand aus guten Schuhen und Knieschoner aus Leder, die sehr unbequem waren. Wer wollte, konnte Handschuhe und eine Baskenmütze tragen.

Mit Hilfe der Hobelzahnsäge erlernten wir den Schnitt des radialen Wachstums eines grossen Baumes, den horizontalen Kreisschnitt, den Schnitt des Fallkerbgrundes sowie die Massschnitte des Stammes. Die Axt wurde für den Rest der Holzvorbereitungsarbeiten verwendet, wie zum Beispiel für das Asten. Das Brennholz musste in ein Meter lange Stücke mit einem Durchmesser von mehr als 10 cm geschnitten, gespalten und dann perfekt zu einem Ster gestapelt werden.

Wir lernten auch das Schärfen der Werkzeuge, insbesondere der Hobelzahnsäge (Abbildung 2). Theo­rieunterricht hingegen gab es sehr wenig; wir mussten unsere eigenen Notizen in einem Heft festhalten, da es im Gegensatz zu heute keine Handbücher oder Unterlagen gab.

 

Der B-Kurs

Der Kurs fand im Kanton Zug vom 21. März 1966 bis 2. April 1966 statt. Mein Kurs- und Gruppenleiter war Luis Rigling. Die Gruppen bestanden hier aus vier Lernenden, welche nun individuell arbeiteten. Nur wenige von ihnen trugen einen Aluminiumhelm, denn das Tragen überhaupt eines Helms, war zu dieser Zeit noch nicht obligatorisch. Jeder hatte eine Kettensäge, welche zum Fällen und Holzschneiden eingesetzt wurde. Diese empfanden wir zwar als leicht; im Vergleich zum Gewicht heutiger Kettensägen, konnten diese damals natürlich nicht mithalten.

Schnittfeste Hosen, Gehörschutz, Visier und Antivibrationsgriffe der Kettensäge waren nicht erhältlich (Abbildung 3). Für nach hinten geneigte Bäume wurde der «Solo»-Spanner mit 1000 kg Zugkraft, 2 Drahtseilen, 2 Metallverankerungsbindern und einer Umlenkrolle verwendet. Die Bäume waren nicht sehr gross und zum Abschneiden der Äste lernten wir die schwedische Methode; die anderen Methoden, welche heute eingesetzt werden, waren noch nicht bekannt (Abbildung 3).

Am Ende dieses Kurses fragten mich Herr Diener, der Direktor der Schweizerischen Forstwirtschaftlichen Zentralstelle in Solothurn (FZ), und Herr Rigling, mein Ausbildner, ob ich bereit sei, eine Aufnahmeprüfung für den Beruf des Holzfällerlehrers abzulegen. Ohne allzu lange darüber nachzudenken, lautete meine Antwort Ja. So kam es, dass ich im Sommer 1966 die Prüfung als Ausbildner in den Solothurner Wäldern erfolgreich absolvierte.

 

Meine Karriere im Wald

Am Ende meiner Ausbildung arbeitete ich 43 Jahre lang als Förster in der Gemeinde Poschiavo.

Neben dieser beruflichen Tätigkeit widmete ich mein Leben der Ausbildung von Lernenden: Während 50 Jahren war ich Ausbildner und Kursleiter für die Holzerntekurse beim Verband WaldSchweiz und war so im Kanton Graubünden, im Tessin und auch in Italien tätig. Zusätzlich habe ich im Puschlav 19 Jahre lang die Motorsägenkurse geleitet und für die Suva im Bereich Arbeitssicherheit gearbeitet. Auch in meiner Freizeit war ich für den Wald tätig; während 9 Jahren war ich Kassier im Verein Revierförster Verband Graubünden.

 

Schlussüberlegungen

In den 70er- und 80er-Jahren hatten die Lernenden, die aus der Landwirtschaftsklasse kamen, im Vergleich zu denen, die aus der Stadt kamen, gute handwerkliche Fähigkeiten. Trotzdem kam es häufig bei Holzschneidekursen mit der Kettensäge zu Beinverletzungen. Mit der Einführung von schnittfesten Hosen sowie von geräuschdämpfenden Kopfhörern, Helm mit Visier, Handschuhen und dem Handbuch für «Holzernte» nahm die Sicherheit zu und die Unfälle gingen zurück.

Seit Beginn meiner forstwirtschaftlichen Ausbildung hat sich die Forstarbeit in einem beeindruckenden Tempo entwickelt. Die Angestellten der Forstbetriebe wurden aufgefordert, sich in neuen Einschlagtechniken, in der Rationalisierung der Arbeit und der Anwendung von Sicherheitsmassnahmen zu schulen. Der Kanton Graubünden, der Verband WaldSchweiz sowie die Suva standen seit jeher an vorderster Front der forstlichen Ausbildung.

Im Dezember 1966 habe ich den «Bündner Wald» abonniert, der mich stets mit Wissen und neuen Ideen bereichert hat. Auch die Zeitschrift «Wald und Holz» von WaldSchweiz half mir bei meiner Ausbildung.

Ich habe es immer genossen, mit jungen Leuten zu arbeiten und einem Schüler zu helfen, der körperlich wie ein Erwachsener aussah, aber intellektuell noch ein Teenager war. Bei jeder Arbeit versuchte ich immer, dem Lernenden zuerst das Positive und dann das Negative zu erklären. Es war für mich eine Freude, mein Wissen zu vermitteln und nach den Instruktionen zu beobachten, wie der Lernende mit viel Übung die Arbeiten besser ausführen konnte als ich selber.

Ich lebte ein Leben für den Wald, hörte seine Musik und sein Wort, schätzte seine altruistische Lebensweise und tröstete den von mir bestimmten Baum, der dann vom Forstwart gefällt wurde.

Wenn ich wiedergeboren würde, ich würde nochmals den gleichen Weg einschlagen!

 

Danke

Ich danke dem ehemaligen Regional Forstinge­nieur (RFI) von Poschiavo Alfonso Colombo, dem aktuellen Regionalforstingenieur Gilbert Berchier und dem Amt für Wald und Naturgefahren für die gute Zusammenarbeit im Wald, für die Forstwartausbildung und für die Arbeitssicherheit in unserer gefährlichen Branche.

Ich bedanke mich bei allen Leuten, die bei meiner Ausbildungskarriere mitgewirkt haben. Und ich bedanke mich ganz herzlich bei meiner lieben Frau Maria, die mich immer unterstützt hat.