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Drei Förster aus drei unterschiedlichen Regionen zum Thema Zertifizierung

Kenneth Danuser ist Betriebsleiter des Forstreviers Cazis und der Sägerei Dalin. Die Wälder im Forstrevier Cazis werden nach den Standards von FSC bewirtschaftet. Mario Lucchinetti ist Betriebsleiter des Forstbetriebs Bregaglia und bewirtschaftet seit 2021 den Gemeindewald von Bregaglia nach den FSC-Vorschriften. In der Val Müstair ist Jörg Clavadetscher Betriebsleiter und ist nach 15 Jahren FSC-Zertifizierung aus der Zertifizierung ausgestiegen Kenneth Danuser aus der Gemeinde Cazis zur Zertifizierung

Die Gemeinde Cazis hat eine Waldfläche von 1197 ha und ist seit 2004 FSC-zertifiziert. Welche Waldflächen sind davon betroffen, Gemeindewald oder auch Privatwald
Neben dem gesamten öffentlichen Wald sind 16,5 Hektare Privatwald zertifiziert.

Wie stehen die Privatwaldbesitzer dazu? Welchen Nutzen haben sie von einer FSC-Zertifizierung?
Die Privatwaldbesitzer erwähnen insbesondere, dass so sichergestellt wird, dass ihr Wald mit einer verantwortungsvoll ausgeführten Waldbewirtschaftung gepflegt wird. Diese Gewissheit zu erhalten, ist für die meisten sehr wichtig. Zusätzlich ist es ihnen auch noch wichtig, dass sie Zugang zu Holzmärkten erhalten, welche das Label FSC unterstützen. Vom Wald bis zum Endverbraucher.

Das Forstrevier Cazis ist seit 20 Jahren FSC-zertifiziert. Was waren die damaligen Beweggründe für eine Zertifizierung?
Den öffentlichen Waldbesitzern war bei der Anmeldung, und ist heute noch, wichtig, dass durch eine Zertifizierung offengelegt wird, dass im Forst­revier eine verantwortungsvoll durchgeführte Waldbewirtschaftung stattfindet. Wie auch den Privatwaldbesitzern war auch den öffentlichen Waldbesitzern wichtig, dass der Zugang zum Holzmarkt so offen wie möglich sein soll.

Würdest du heutzutage diesen Schritt nochmals wählen?
Ja. Ganz klar!

Welche Vor- und Nachteile einer Zertifizierung siehst du für den Forstbetrieb Cazis?
Klare Vorteile sehe ich im Bereich Holzvermarktung. Aufgrund der FSC-Mitgliedschaft haben wir ein grösseres Kundenportfolio. Wir bescheinigen somit eine qualitativ geprüfte Waldbewirtschaftung gegenüber den Kunden.

Benötigt es wirklich eine FSC-Zertifizierung, die eine nachhaltige Waldwirtschaft regelt, wenn das Waldgesetz diese Vorgaben bereits vorschreibt?
Ja. Es ist eine neutrale Überprüfung, welche bescheinigt, dass Vorgaben eingehalten werden. Das gibt dem Waldbesitzer Sicherheit über sein wohlüberlegtes Tun.

Bist du der Meinung, dass es eine FSC-Zertifizierung benötigt oder genügt es, dass das Holz unter dem Label Schweizer Holz verkauft wird?
Das FSC-Label ist ein «Ökolabel» und darf nicht verwechselt werden mit dem Herkunftslabel Schweizer Holz. Darum bin ich der Meinung, dass es beides braucht.

 

               

(Bilder: Kenneth Danuser)

Wie hast du die Audits von FSC erlebt? Welche Erinnerung hat dich besonders geprägt?
Ich habe einige internen und externen Audits schon mitgemacht. Sämtliche Audits habe ich als wertvollen Austausch mit den Auditoren erlebt. Wir konnten uns präsentieren und darlegen, wie wir arbeiten. 

Man hört immer wieder, dass Forstbetriebe aus der Zertifizierung aussteigen. Der Grund liegt meist am erhöhten administrativen Aufwand. Wäre dies auch ein mög­licher Grund aus der Zertifizierung auszusteigen?
Keineswegs! Der Aufwand ist äusserst minim. Ich erstelle im Jahresablauf maximal fünf Dokumente, welche speziell für FSC bestimmt sind. Alle anderen Auditpositionen, welche wir vorzeigen müssen, haben wir sowieso schon vorliegend.

Die Sägerei Dalin wird auch vom Forstbetrieb Cazis betrieben. Dort sägt ihr aber kein FSC-Holz ein. Weshalb?
Das eingesägte Rundholz wäre FSC-tauglich. Doch die jährliche Einschnittmenge ist sehr gering. Es hat sich aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht gelohnt. Bei dem Entscheid damals, waren nur finanzielle Argumente ausschlaggebend, welche die Gemeinde zu diesem Austritt der Säge bewegte.

Hat FSC zu strenge Auflagen für eine kleine Sägerei wie die Sägerei Dalin? 
Das Holz stammt ja aus dem gleichen Forstrevier, welches FSC-zertifiziert ist. Die Auflagen sind kein Grund, es waren rein finanzielle Überlegungen.

Würdest du dich heutzutage wieder für eine FSC-Zertifizierung entscheiden?
Ja! Ich bin weiterhin überzeugt, dass die Waldbesitzer damit gestärkt werden. Sie können gegenüber Dritten darlegen, dass die Waldbewirtschaftung ökologisch, sozial förderlich und wirtschaftlich rentabel ausgeführt wird. Damit kann gewährleistet werden, dass die nächsten Generationen auch noch von gesunden Wäldern profitieren können.

Welches Fazit ziehst du nach 20 Jahren FSC-zertifizierter Forstbetrieb?
Dass wir mit voller Überzeugung weiterhin als FSC-zertifizierter Betrieb und mit FSC-zertifiziertem Rundholz auf dem Markt präsent sind.

 

Mario Lucchinetti aus der Gemeinde Bregaglia zur Zertifizierung

Ihr seid ein grosser Betrieb mit 6543.5 ha Wald und habt euch im Jahr 2021 dazu entschlossen, den Gemeindewald FSC zu zertifizieren. Weshalb habt ihr diesen Weg gewählt?
Das Hauptziel der Zertifizierung war es, die Absatzmöglichkeiten auf dem Schweizer Holzmarkt zu steigern. Bei vielen Abnehmern in Graubünden oder in der Schweiz wurde FSC als Lieferbedingung verlangt. Für uns war es wichtig, unsere Absatzkanäle zu erweitern und etwas unabhängiger vom Holzmarkt in Italien zu werden. Ein zusätzlicher Grund war, dass wir dank FSC gewisse Qualitätsstandards erfüllen (die meisten sind sowieso gesetzlich vorgeschrieben), die durch eine unabhängige Institution überprüft werden. Somit erbringt der Waldeigentümer einen Nachweis, sich besonders um den Umweltschutz und Mitarbeiterschutz zu bemühen.

Wie viele ha Wald sind FSC-zertifiziert? Und welche Waldfunktionen sind in diesen Wäldern hauptsächlich davon betroffen?
Zertifiziert sind die 4999 ha Gemeindewald. Die Zertifizierung ist unabhängig von den Waldfunktionen. Es wird die gesamte Waldfläche des Eigentümers zertifiziert.

Gibt es bei den Waldfunktionen Unterschiede betreffend Zertifizierung?
Die FSC-Standards gelten eher als Leitplanke auf einer übergeordneten Ebene. Diese haben nur indirekte Auswirkungen auf die jeweiligen Waldfunktionen und dessen Bewirtschaftungskonzepte. Die Standards von FSC sollten viel mehr als Teil der Unternehmenskultur gesehen werden und unabhängig von der Waldfunktion über den gesamten Betrieb erfüllt sein. Die meisten Standards erfüllt man mit dem Einhalten der gesetzlichen Vorgaben und einer nachgeführten Dokumentation.

Wie gross ist der Anteil FSC-Flächen der Privatwaldbesitzer? Können sich diese auch zertifizieren lassen? Welchen Nutzen haben sie davon?
Bei uns im Betrieb sind keine Privatwaldeigentümer zertifiziert. Es gäbe aber die Möglichkeit, diese im Gemeindebetrieb zu integrieren. Via vereinfachte Zetrifizierung wie Meldeformular bei der Selva, können Privatwälder mit zertifiziert werden. 

Worin liegen die Vor- und Nachteile einer Zertifizierung für die Gemeinde Bregaglia?
Den grössten Vorteil für die Gemeinde sehe ich vor allem darin, dass eine unabhängige Qualitätsprüfung des Betriebs stattfindet. Dies hilft auch, die eigene Dokumentation aktuell zu halten und diese periodisch zu überarbeiten. Ein weiterer Vorteil, den wir in der Schweiz nur beiläufig wahrnehmen ist: Wir leisten mit unserem Betrieb einen Mehrwert zugunsten der Umwelt, der Mitarbeitenden und der lokalen Bevölkerung und erbringen den Nachweis für unser nachhaltiges Handeln. Vermutlich ist die geringe Beachtung damit verbunden, dass in der Schweiz ein sehr strenges Waldgesetz gilt. Unsere Forstwirtschaft ist schon so um ein vielfaches umweltverträglicher, als in einigen anderen Ländern mit anderen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die grössten Nachteile sind klar die Kosten für die Zertifizierung. Da leider keine höheren Holzpreise oder direkte Wettbewerbsvorteile daraus entstehen. Die Zertifizierung bringt teilweise auch höhere administrative Aufwände mit sich.

                      

(Bilder: Andrea Giovanoli)

Hast du als Betriebsleiter einen Mehraufwand durch die FSC-Zertifizierung?
Bei den Audits und dessen Vorbereitungsarbeiten habe ich schon einen administrativen Mehraufwand. Wobei dieser mir auch hilft, einige Dokumente periodisch zu aktualisieren wie beispielsweise das Sicherheitskonzept. Dieses wäre ja auch ohne Zertifizierung zu aktualisieren.

Wohin geht das zertifizierte Holz? Exportiert ihr dieses in das Nahe Italien?
Ich verkaufe das Holz mit Zertifizierung nur an Kunden weiter, die dieses explizit verlangen und auch bereit sind, etwas mehr dafür zu bezahlen. Viel Holz wird ohne FSC-Siegel nach Italien verkauft. Da dies nicht explizit gewünscht und gefragt ist. Wichtig ist das FSC-Siegel bei den Schweizer Abnehmern. Die grösste Menge dieses Holzes liefern wir nach Resurses.

Würdest du nach drei Jahren diesen Schritt zur FSC-Zertifizierung nochmals wählen?
Auch wenn sich keine Preissteigerung mit der FSC-Zertifizierung erzielen lässt, sehe ich den Mehrwert für den Waldeigentümer vor allem bei der unabhängigen Qualitätskontrolle. Auch bezüglich Absatzsteigerung auf dem Schweizer Holzmarkt haben wir unsere Ziele dank der FSC-Zertifizierung erreicht. Der Liefervertrag mit Resurses war nur dank der Zertifizierung möglich.

Würde es auch genügen, das Holz nur mit dem Label Schweizer Holz zu verkaufen?
Für uns in der Waldbranche ist Schweizer Holz das wichtigere Label, da es sichtbar macht, woher das Holz stammt und ein Bewusstsein beim Konsumenten schafft, ein einheimisches Produkt zu kaufen. Bei FSC hingegen ist die Herkunft nicht ersichtlich, es handelt sich hierbei nicht unbedingt nur um europäisches Holz. Aus Sicht der Sägereien, die im europäischen Wirtschaftsraum handeln, ist vermutlich das FSC-Siegel wichtiger, da es international anerkannt ist.

Was kannst du deinen Kollegen für die Entscheidung mit auf den Weg geben, ob der Betrieb zertifiziert werden soll oder nicht?
Eine Zertifizierung, um eine Preissteigerung zur erzielen macht keinen Sinn. Der Mehrwert liegt bei der unabhängigen Qualitätsprüfung. Dies sollte auch dem Waldeigentümer offen kommuniziert werden.

Was ziehst du für ein Fazit zur FSC-Zertifizierung?
International ist FSC ein anerkanntes Label. Leider sind die Zertifizierungsbedingungen sehr unterschiedlich. FSC Schweiz erfüllt hierbei viel strengere Auflagen als FSC aus Tropenländern. Dies kann Konsumenten täuschen, die sich ein FSC-Produkt kaufen und eine Forstwirtschaft gemäss Schweizer Model erwarten. Mit Sicherheit leistet FSC einen wichtigen Beitrag, die weltweite illegale Holzhauerei zu stoppen, und trägt zum Schutz der Wälder bei. Diese wichtige Aufgabe erfüllt in der Schweiz das Forstgesetz und der gut funktionierende Forstdienst auf allen Ebenen. Daher ist FSC für Schweizer Forstbetriebe nicht zwingend notwendig. Hingegen für die weiterverarbeitende Industrie ist es ein wichtiges Label, um sich im internationalen Markt zu behaupten. Dies schafft ein Wettbewerbsvorteil und erzeugt einen finanziellen Mehrwert. Leider findet dieser wie so oft nicht den Weg zum Waldeigentümer.

 

Jörg Clavadetscher aus der Gemeinde Val Müstair zur Zertifizierung

Die Gemeinde Val Müstair hat sich erst seit Kurzem dazu entschlossen, aus der FSC-­Zertifizierung auszusteigen. Die Gemeinde war 15 Jahre FSC zertifiziert. Was waren die Gründe?
Ursprünglich war ich überzeugt von der Wirkung des FSC als Verkaufsargument und erhoffte mir auch etwas bessere Holzpreise dank dem Label. Meine damalige Sichtweise war rückblickend wohl etwas naiv, in der Meinung, dass bei FSC überall, also international, mit gleichen Ellen gemessen wird.

Das Val Müstair grenzt nahe an das Südtirol. Wäre es da nicht sinnvoller, das Holz, welches exportiert wird zu zertifizieren? Oder exportiert ihr nicht mehr ins Ausland?
Oh doch, vor allem die Fichte exportieren wir nach wie vor zu nahezu 100 % ins Südtirol. Unser dortiger langjähriger Abnehmer beliefert mit seinen Schnittwaren hauptsächlich den Italienischen Markt. Dort ist FSC weitgehend unbekannt und nicht relevant. PEFSC oder ein Herkunftsnachweis sind für ihn viel wichtiger.

Hast du die Audits als Mehraufwand empfunden, denn oft hört man, dass dies ein Grund war, aus der Zertifizierung auszusteigen?
Bei den Audits hängte sehr viel von der Kontrollperson ab. Alles in allem empfand ich die Audits wirklich nur als Mehraufwand. Ein beträchtlicher Teil der Kontrollkriterien bezogen sich aus meiner Sicht auf Vorschriften und Gegebenheiten, welche die Fachleute der SUVA kontrollieren, aber nicht die Sache irgendeines Zertifizierungsbüros sein sollten.

Worin siehst du die Vor- und Nachteile, sich als Forstbetrieb zertifizieren zu lassen?
Na ja, einige Nachteile aus meiner Sicht nannte ich oben schon. Wirkliche Vorteile konnte ich in den 15 Jahren FSC-Mitgliedschaft für unseren Betrieb leider nicht erkennen (sonst wären wir wahrscheinlich auch heute noch dabei). Die Holzpreise waren nicht besser als vor- und nachher, die Bewirtschaftung ist auch nicht anders und die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern sich wegen dem FSC-Label auch nicht.

             

(Bilder: Jörg Clavadetscher)

Dem Wald spielt es keine Rolle, ob er nun zertifiziert ist oder nicht. Wie sehen die Meinungen dazu in der umliegenden Gemeinde Zernez aus, wenn die Gemeinde Val Müstair nicht mehr FSC zertifiziert ist?
Hierzu müsstest du wohl die Gemeinde Zernez befragen. Von meinen Berufskollegen des Unterengadins spüre ich aber nicht immer und überall eine grosse Überzeugung betreffend FSC-Mitgliedschaft …

Würdest du vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt eine Zertifizierung nochmals in Betracht ziehen?
Argumente und vor allem die Ausgangslage können sich immer wieder ändern. Daher will ich dies auch bestimmt nicht kategorisch ausschliessen.
 

Verkauft ihr das Holz nun unter dem Label Schweizer Holz?
Ja, denn der Herkunftsnachweis ist für mich wichtiger als ein FSC-Siegel aus gewissen fernen Ländern, welche nicht immer sehr vertrauenswürdig erscheinen, aber das Holz mit FSC reinwaschen wollen.

Welches Fazit ziehst du aus der langjährigen Zertifizierung der Gemeinde Val Müstair?
Das meiste scheint gesagt/geschrieben zu sein. In grossen Waldbeständen unseres Planeten könnte FSC etwas Positives bewirken. Wo Gesetze mit Füssen getreten werden, ist es aber für FSC bestimmt auch sehr schwierig (um nicht zu sagen unmöglich), etwas Grosses zu erreichen. Unsere westliche Gesellschaft, welche auf Umwelt- und Klimaschutzthemen sensibilisiert ist, blendet aber im Supermarkt manchmal aus, dass ein Ökolabel international oftmals nicht dasselbe ist. Ich wage zu behaupten, dass die schweizerische Fichte ohne FSC-Siegel weit ökologischer und sozial vertretbarer auf den Markt kommt als manches FSC-Holz von irgendwo. Ich will mich aber mit dieser Aussage nicht falsch verstanden wissen. Ich bin nicht gegen FSC! Für unseren Wald und unser Holz erachte ich aber